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ach, wie schön ist nordkorea!

von am 08.06.2010 10:52, Rubrik

im wiener museum für angewandte kunst (mak) wird staatskunst aus nordkora ausgestellt.


kim il sung und kim jong il sieht man in der ausstellung ganz oft, gerne im kreise von soldaten, kindern aber auch in seinem arbeitszimmer, eine zigarette rauchend über papiere gebeugt, oder zu besuch bei einer bauernfamilie am land. die großformatigen bilder haben irgendwie trotzdem den charakter von familienschnappschüssen — im vorbeigehen könnte man doch glatt einen kurzen moment denken, ach, das ist aber ein netter kerl, der kim il sung! wie konzentriert er schaut wenn er da den bau eines staudammes überwacht, oder — in einer küche am herd stehen, mit topflappengeschützter hand den deckel einer pfanne hebend — sich sorgen um die ernährung seiner soldaten macht. bei all den lachenden gesichtern, dem blauen himmel und den blühenden parklandschaften und bestellten äckern kann man sich des eindruckes nicht erwehren, nordkorea ist eigentlich ganz nett. buchstäblich zu nett um wahr zu sein.

die ausgestellte kunst nimmt sich und ihre botschaft sehr ernst, der titel der ausstellung ist allerdings mit einem schuss ironie gewürzt, wie Alfred Pfabigan in einem Standard-interview meinte — der ausstellungstitel “blumen für kim il sung” sei verdächtig nahe am titel der Mel Brooks satire “frühling für hitler”. dann wieder gibt es die blumen für kim il sung tatsächlich. ein japanischer botaniker hat 1988 anlässlich zum geburtstag des nordkoreanischen staatsgründers eine neue begonien-hybride gezüchtet die den — ebenfalls nicht unlustigen, aber auch hochoffiziellen — namen “kimjonila” trägt.

tragikomisch ist überhaupt das leitmotiv nordkoreas und der ausstellung im mak. tragikomisch ist zum beispiel die polemik, die die fpö im vorfeld der ausstellung mäßig erfolgreich angezettelt hat. man wolle “linke prolagandabilder als kunst verkaufen”, ein schelm wer denkt, die rechts-populisten befürchteten offenbar unterschwellig die eigene wählerschaft könnte die propaganda nicht durchschauen, oder ihr gar zum opfer fallen. die durchwegs naturalistisch oder in klassischer tuschemalerei gehaltenen werke sind durchwegs technisch auf höchstem niveau — aber sehr vorhersehbar. kurios muten rückgriffe auf die europäische kunstgeschichte an, wobei die rückgriffe (bis auf eine ausnahme) stilistischer oder technischer art sind: es gibt bilder die im stile der frühen impressionisten gehalten sind, da ein Monet’scher himmel, dort eine Van Gogh’sche blume im blumentopf, ja es gibt sogar ein genuin pointillistisches bild in der ausstellung! die themen — ja sogar die landschaftsstücke in der ausstellung — folgen dem parteiprogramm bzw der staatsphilosophie des juche streng á la lettre, wobei manche botschaften für den nicht-nordkorea-kundigen ausstellungsbesucher nicht entzifferbar sind. saaltexte beschränken sich auf das nötigste, mehr als name des künstlers, titel und technische angaben zum werk bekommt man nicht, der katalog liefert etwas mehr information, allerdings kaum konkret zu einem bild, sondern pauschal zur “staatskunst der volksrepublik korea” und zur architektur pyonjangs. auch in der architekturabteilung tragikomisches, wie zum beispiel ein bauplan des ryugyŏng-hotelturms, ein auf rekorde hin ausgelegtes großprojekt, das seit den 1980’er jahren im rohbau steht — dieser umstand aber ist, gepaart mit der größe des unfertigen baus, tatsächlich ein rekord.

ein bisschen ist die ausstellung wie eine zeitreise in die 50’er jahre, mit kleinen topographischen abweichungen — es stellt nicht die UDSSR unter stalin aus, sondern die VR Korea unter kim jong il, und die stahlarbeiter und kolchosebäuerinnen haben asiatische züge. und in der ausstellung findet sich sogar ein direkter verweis auf die sowjetisch propagandakunst der 50’er jahre — ein bild mit dem titel “bei kim jong il brennt noch licht” zeigt den koreanischen diktator spätnachts in seinem büro als besorgten pater patriae, ähnlich wie stalin im gedicht “im kreml brennt noch licht”, das auch zu unzähligen propagandabildern umfunktioniert wurde und hier zweifelsohne rezipiert wurde.

Blumen für Kim Il Sung — Kunst und Architektur aus der DVR Korea vom 19.05 bis zum 05.09.2020 im MAK in Wien (Samstag freier Eintritt)


Kommentare

Mmh, spannend. Erinnert irgendwie an Genosse Tito und seinen Big Brother Komplex. Vielleicht gibt´s dazu ja auch mal eine Ausstellung :)

Was das Blumenmotiv betrifft: Möglich, dass es sich dabei um eine Titel-Variation von Leonhard Cohen´s Gedichtband: “Flowers for Hitler” handelt?

Ana · 08.06.2010 14:48 · #

das wäre durchaus möglich — wobei ich sagen muss, der verweis auf springtime for hitler ja sehr schön doppelbödig ist (unfreiwillige komik bei verherrlichung von autoritären regimen in der kunst/absichtlich aus dem fenster geworfenes steuergeld durch den kulturbetrieb wie die kritiker der ausstellung meinen, je nach dem auf was man verstehen will) ;)

r. · 08.06.2010 15:04 · #

wer St.Max kennt, fürchtet kim il sung nicht.

muad'dib (former known as mhrks) · 10.06.2010 12:26 · #

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