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Die Sprache als Asyl des Todes

von am 26.07.2011 12:29, Rubrik philosophisches-politisches

“Im Opfer ereignet sich der verborgene Dank, der einzig die Huld würdigt, als welche das Sein sich dem Wesen des Menschen im Denken übereignet hat, damit dieser in dem Bezug zum Sein die Wächterschaft des Seins übernähme.” (Martin Heidegger: Was ist Metaphysik?)


Es kann keine Frage sein, dass die objektiven Voraussetzungen weiter bestehen, die den Faschismus einmal ermöglicht haben. Trotz der Entwicklung der Produktivkräfte die uns immer mehr Möglichkeiten gibt von unserem barbarischen Ursprung zu abstrahieren, besteht sichtlich die ständige Gefahr, dass sich „die ganze alte Scheiße“ (MEW3, 35) immer wieder einmal Bahn bricht. Die Frage ist daher nicht, ob es passiert, sondern wie die Individuen mit dem nötigsten politischen Anstand versorgt werden können, um diese Scheiße nicht auch noch immer wieder herbeizureden.
Die Gesellschaft versteht sich selbst ohnehin schlecht. Die Demokratie erscheint als ein aufgeblasenes Konstrukt ohne Nutzen. Wie viel einfacher könnte es sein, legte man die Verantwortung wieder in die Hände von Platons Wächtern?
Das zutiefst antidemokratische Ressentiment resultiert aus einem Verkennen dessen was das Politische ist. Schon in der Weimarer Republik hat man sehen können, dass diejenigen, die das gesellschaftspolitische Chaos mit immer neuen Aufmärschen und der Obstruktion des parlamentarischen Betriebs entfesselt haben, am lautesten nach Ordnung schrieen. Und diese dann in der ersten sich bietenden Gelegenheit zur Unpolitik schlechthin verwandelten. Nicht, dass der Nationalsozialismus in exakt der Deutsch-Österreichischen Form aktuell eine unmittelbare Gefahr darstellt, aber zumindest die politische Sprache gemahnt doch an unselige Zeiten. Das Politische muss ein Bewusstsein für die Gewalt bergen, sonst ist es nicht politisch. Die europäischen Politiker zeigen gerade in diesem Punkt eine entscheidende Schwäche. Unter der ständigen Wiederholung des „Niemals-Vergessen“ ist das Politische hohl geworden. Kaum ein nennenswerter Politiker, der mit vollem Einsatz auf die Gewalt hinweist und sie ernsthaft verurteilt anstatt sie nur zu relativieren. Es fehlt die Glaubwürdigkeit, das Politische selbst verschwindet hinter der Fassade demokratischer Gepflogenheiten.
So scheinen manchem kritischen Beobachter die Tendenzen zum Fortbestand des Faschismus in der Demokratie als beunruhigender als die gegen die Demokratie. Die Prinzipien verkehren sich. Sprachlich wird kein Stein auf dem anderen gelassen. In der Gestik gibt man sich empört, weist die Schuld weit von sich und schiebt dann (im Fall der Rechten) lächelnd wieder eine Drohung hinterher. Der Jargon der Eigentlichkeit verrät es ja schon. Die Sprache gewährt dem Faschismus Asyl. Wo er in der unmittelbaren Anwendung versagen muss, einfach auf Grund der Resistenzkraft der politischen Strukturen (nicht weil er auf entschlossene Gegenwehr träfe!), wirkt er durch die irregulären Einheiten der rechtsextremen Parteien. Die Arbeitsteilung funktioniert perfekt. Die „wahnsinnigen Einzeltäter“ schlagen tiefe Wunden in die Gesellschaften. Verunsichern und manipulieren die Mechanismen der Meinungsbildung. Sie sind aber auch eine offene Drohung gegen alle Andersdenkenden. Die Nutznießer sind die politischen Rackets. Die Gangsterbanden von Rechts, die ihre Macht am leichtesten in Situationen großer Unsicherheit erweitern können.
Wahrscheinlich hat der Osloer Attentäter wenig direkte Kontakte zur extremen Rechten in Österreich. Wahrscheinlich haben die meisten Politiker in der FPÖ, die ultrakonservativen christlichen Fundamentalisten im BZÖ, nur wenig direkte Kontakte zur extremen Rechten in Österreich. Wahrscheinlich sind Bucher und die übrigen Faschingsliberalen der beiden Parteien, die von der Freiheit Anderer nur im Zusammenhang mit deren Eigentum an Produktionsmitteln wissen wollen, keine Hassprediger im klassischen Sinn. Aber der nonchalante Ton manches Kärntner Nobel-Uhrenträgers, das breite Grinsen angesichts eigener verbrecherischer Unternehmungen und die Unfähigkeit, Schuld jeglicher Art einzugestehen, ergänzt das Bild einer Gangsterbande, die zu vielem bereit ist, um ihre Ziele durchzusetzen. Dass bei näherem Hinsehen natürlich doch recht direkte Verbindungen der genannten Parteien zur rechtsextremen Szene auftauchen, wundert da nur die, die sich unbedingt wundern wollen.

Die Opfer sollen, nach Wunsch von FPÖ Politikern, nicht für politisches Kleingeld instrumentalisiert werden. Man soll vom Zusammenhang von Politik und Gewalt, von Sprache und Opfer schweigen. Diesem Wunsch kann man nicht nachkommen ohne sich selbst im Rahmen der Möglichkeiten von Sprache schuldig am Fortbestehen der Sprache die das Opfer fordert zu machen.


Kommentare

Man könnte wirklich fast meinen, es gäbe in der Welt eine Tendenz weg vom internationalen Terrorismus, hin zum “hausgemachten”. Wobei der gerade im Europa der vernetzten Rechten anscheinend doch wieder zumindest ideologisch international wirksam ist. Die nationalistische Internationale sozusagen…

Stephan mit ph · 26.07.2011 15:37 · #

Das Aufschaukeln von Rechtsextremen und politischen Islamisten wird ja auch in den Medien als selbsterfüllende Prohpezeihung inszeniert. Kaum eine Diskussionsrunde wo nicht dem nächstbesten Fanatiker einfach sein Widerpart gegenübergesetzt wird. Anstatt mit den Menschen zu sprechen die ohne geisteskranke Agenda an das Thema herangehen würden.

Mir scheint es gibt die nazionalistische Internationale bereits. Und die ist weltweit recht gut vernetzt und weit entfernt davon eine Geheimgesellschaft zu sein. Vielleicht sollte man beginnen Parteiprogramme und Gründungserklärungen zu vergleichen.

St.Max · 26.07.2011 16:02 · #

Tja bei so viel Engagement im subkulturellen Halbdunkel können anerkannte Mitglieder von Rechts Außen Parteien – wie etwa Heinz Christian – nur neidisch werden. Der ist ja bekanntlich beim – etwas überspitzt formulierten – offiziellen Pendant der rechtsextremen “Internationale”, dem “EFD” als Mitgleidsanwärter jüngst noch eiskalt abgeblitzt.
Mit Verlaub etwas bösen schwarzen Humor bemühen zu dürfen.

Ana · 27.07.2011 23:17 · #

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