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Es ist ein Kreuz!

von am 16.11.2009 17:25, Rubrik Politik

Vor etwa zwei Wochen urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Kruzifixe in Klassenzimmern nicht rechtens sind da sie die Religionsfreiheit der SchülerInnen einschränken.
Klägerin war eine zweifache Mutter finnischer Abstammung, deren Kinder eine italienische Schule besuchten. Das Verfassungsgericht in Rom entschied noch gegen sie, in Strassburg wurde ihr nun Recht gegeben.

Die Meinungen zu diesem Urteil gehen naturgemäß stark auseinander.
Während den einen das Kreuz schon länger ein Dorn im Auge war, sehen die anderen darin erste Maßnahmen zur Christenverfolgung.

Auch auf Facebook finden sich Gruppen, die sich (angeblich) diesem Thema widmen:
Raus mit den Kreuzen aus den Klassenzimmern!
Ein Kreuz gehört in jedes Klassenzimmer!

Schaut man sich die beiden Gruppen etwas näher an, muss man feststellen, dass in der “Pro-Kreuz” Gruppe das Kreuz eigentlich nur mehr Nebensache ist.

Denn dass Andreas Mölzer zum Auftakt der Facebook-Gruppe zitiert wird („Das Kreuz ist ein Symbol für die geistig-kulturelle Identität Europas“), lässt schon erahnen, dass hier Politik gemacht wird.


Und (leider) wird man nicht enttäuscht, viele Gruppenmitglieder haben ihr Herz klar am rechten Fleck. Rassismus und Ausländerhetze, Antisemitismus, Sexismus, Beleidigung, Gewaltandrohung und EU-Bashing — hier wird jedEr der/die nicht bei drei die Hände gefaltet hat an die (Pinn)Wand gestellt.

Fangen wir (zum Einstieg) mit etwas leichter Verdaulichem an:

Einer Dame missfallen offensichtlich die “Fetzendacheln”, also die Kopftücher einiger Mitbürgerinnen. Über diese modische Differenz könnte vielleicht noch hinweggesehen werden, aber sie muss sich auch noch um die ausgewogene Ernährung ihrer Kinder sorgen! Verständlich, dass die Dame einen Groll gegen vegetarische atheistische Ökofrauen hegt.

Der Josef findet jedenfalls schon deutlichere Worte:

In die Kategorie “Herabwürdigung religiöser Lehren” fällt mit Sicherheit der folgende Beitrag:

“Herabwürdigung religiöser Lehren” stellt übrigens nach § 188 des Strafgesetzbuches einen Tatbestand dar, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten zu bestrafen ist.

An dieser Stelle muss wahrscheinlich angemerkt werden, dass in der Gruppe offensichtlich die Fehlinformation weit verbreitet ist, “die Moslems” hätten etwas mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg zu tun. Wahlweise auch “die EU” oder der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EUGH), was ebenso falsch ist.
Dass sich diese Falschinformationen so hartnäckig in der Gruppe halten scheint wenig überraschend, wenn man sich die Information zur Gruppe durchliest. Dort steht nämlich folgendes: “Der Europäische Gerichtshof ist gegen das Kreuz im Klassenzimmer” und in der Englischen Übersetzung: “Recently, the European Union imposed a ban on displaying Crucifixes in classrooms across the European Union (specifically Italy)”.
Die Gruppengründerin wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Aussagen schlicht falsch sind. Daraufhin wurde die Beschreibung der Gruppe geändert, es wurden aber nicht die Fehler ausgebessert sondern es wurde explizit darauf aufmerksam gemacht, dass in dieser Gruppe ausschließlich Personen erwünscht sind, die für den Verbleib der Kruzifixe im Klassenzimmer sind. Soviel zur freien Meinungsäußerung und bewusster Meinungsmache durch Falschinformation.

Hier übrigens noch das Profilbild der Gruppengründerin:

Auch das ModeratorInnen Team leistet ganze Arbeit.

Na, das musste doch mal gesagt werden, dass hier das Niveau ein bisschen sinkt. Ob sich der Moderator Andreas da jetzt auf den ersten Beitrag bezogen hat oder vielleicht doch den zweiten oder dritten bleibt aber unklar. Normalerweise hat er nämlich eher was gegen Leute, die etwas gegen die Islamhetze in der Gruppe haben und ungebeten “Gegenhetze” betreiben:

Was den Andreas sicher freut ist, dass der junge Mann, den ich jetzt zitiere, noch Manieren hat. Er entschuldigt sich nämlich für seine Fehler und bessert sie auch selbst aus:

Wann wird Facebook endlich eine Editier-Funktion einbauen? Nicht dass hier Unklarheiten darüber entstehen, dass natürlich die “moslimische & jüdische Bagasch” gemeint war.
Das Hundi, das er auf seinem Profilbild im Arm hält (hier wie alle Namen und Gesichter der Personen unkenntlich gemacht A.d.H.), ist übrigens kein deutscher Schäferhund, sondern schaut eher nach Dobermann aus. Das aber das nur als Detail am Rande.

In Österreich kann sich, wie wir schon gelernt haben, ein Fünftel der Bevölkerung vorstellen “eine/-n starke/-n Führer/-in (zu) haben, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss”. Vermutlich können sich auch diese drei Gruppenmitglieder mit so einer Vorstellung identifizieren, und sind auch gerne bereit weiter zu gehen:

Auch diese Dame fürchtet sich davor, dass “die” irgendwann in der Überzahl sind oder — Gott bewahre! — auch noch mitreden können:

Wer jetzt noch glaubt, dass in dieser Gruppe doch zumindest das Wort “Neger” negativ auffallen müsste, dem sei gesagt:


Kommentar schreiben

ist schon lustig, dass die “partei der modernisierungsverlierer” nun auch auf (in?) facebook angekommen ist ;)

r. · 16.11.2009 17:16 · #

Mir fehlen die Worte

Ana · 16.11.2009 19:14 · #

dazu passend ein leserbrief aus st. pauls/eppan im tagblatt der südtiroler vom 7./8. november 2009 (leider online nicht frei zugänglich), dessen beste stellen (i.e. der volltest) hier nicht unzitiert bleiben sollen:

“Jesus sagte: ‘Ohne mich könnt ihr nichts tun!’”

dem engen zeichenkorsett eines leserbriefs im tagblatt wird es wohl geschuldet sein, dass hier die quellenangabe auf johannes bzw. die erklärung des kontexts des (offenbar nicht nach der katholischen einheitsübersetzung zitierten) satzes unterbleibt, aber weiter im text:

“Unser paradiesisch schönes Land Tirol (Nord- ,Ost- und Südtirol) hat sich als einziges Land der Welt bei großer Feindesgefahr (Napoleon) am 1.6. 1796 dem Herzen Jesu geweiht und sofort großen ‘Himmelsschutz’ erfahren – Gott sei Dank.”

die anführungszeichen verstehe wer wolle, die aussage bleibt trotzdem klar, wenngleich die leistung des schönen lands tirol, als einziges land am 1. 6. 1796 sich dem herzen jesu geweiht zu haben, doch etwas geschmälert wird, wenn man bedenkt, dass im allgemeinen an den wenigsten tagen mehrere länder zugleich sich dem herzen jesu weihen, aber darum geht es offensichtlich eh nicht, denn im nächsten satz macht unser leserbriefschreiber einen thematischen schwenk und wozu auch kohärenz, wenn die argumente logisch eh nicht sind:

“Nun, was bedeutet das Kreuz für uns getaufte Katholiken?”

begierig sind wir ungetaufte atheist/innen das zu erfahren, also weiter:

“Der Sohn Gottes ‘Jesus’ ließ sich aus großer Liebe zu allen Gotteskindern und zur Erlösung der Menschheit ans Kreuz schlagen; er wurde von römischen Soldaten ans Kreuz geschlagen und nahm drei Stunden einen unvorstellbaren Schmerz ohne zu klagen auf sich.”

schon wieder interpunktion, die ich nicht verstehe, aber egal. ich bin zwar (s.o.) nur ungetaufter atheist, aber so weit reichen auch meine bibelkenntnisse, um darauf hinweisen zu können, dass z.b. der doch halbwegs kanonische matthäus zumindest irgendwie andeutet, der sohn gottes habe am kreuz ein gewisses gefühl der verlassenheit artikuliert. es soll hier keine hermeneutische sophisterei drüber angestrebt werden, ob dies dem semantischen gehalt von “ohne zu klagen” entspricht, denn eigentlich ist es ja ganz egal, ob einer mit oder ohne klagen zu tode kommt und die conclusio unseres leserbriefschreibers hat mit seinen prämissen sowieso nichts zu tun:

“Wir Christen beten seit über 2000 Jahren den Sohn Gottes ‘Jesus’ am Kreuze an, [sic!] und so soll und muss es ohne Wenn und Aber bleiben!”

ein prachtstück deduktiver logik, aber es wird sogar noch wirrer:

“‘An den Früchten werdet ihr sie erkennen!’ (Mt 7,16). Das gilt unmissverständlich für die Europäische Gemeinschaft und ihren Menschenrechtsgerichtshof, welcher 27 Staaten mit über 500 Millionen Personen angehören.”

soweit ich meinen matthäus beisammen habe, richtete sich die bergpredigt zwar nur an einige zufällig anwesende und nicht an den europäischen menschenrechtsgerichtshof (oder an den europäischer gerichtshof für menschenrechte, wie ihn manche auch nennen), aber da die bibel wie jedes werk der weltliteratur auch metaphorisch zu verstehen ist, wollen wir nicht kleinlich sein und wird die unmissverständliche gültigkeit der bergpredigt für den egmr wohl aus einer metonymie zu schließen sein. im schlussdrittel franst ohnedies schon die kohäsion des leserbriefes auseinander – wir wollen uns also nicht mit interpretatorischen feinheiten aufhalten:

“Die Devise lautet: ‘Vogel friss oder stirb!’”

wessen devise wofür so lautet, erfahren wir leider nicht. macht aber fast nichts, denn jetzt kommt der schlussatz, ein wahres glanzstück deutschsprachiger wortkunst:

“Die Religionsfreiheit ist zu respektieren, aber alle Zuwanderer müssen unsere religiösen Gefühle und Gepflogenheiten bzw. unsere Kultur bedingungslos respektieren oder heimfahren.”

hegel selbst hätte es nicht besser machen können: dieser so glänzend aus dem vorigen abgeleitete schlusssatz ist dann schon die dialektik der dialektik. hier wird formale logik gebrochen, wo es das argument erfordert und nicht etwa umgekehrt: these, antithese und dann einfach keine synthese. das ist dekonstruktion, das sind sternstunden abendländischer philosophie des 21. jahrhunderts. dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

mauszfabrick · 16.11.2009 22:40 · #

^ yeah!

r. · 17.11.2009 10:33 · #

Mein Lieblingskommentar:
Auf den vernünftigen Aufruf einer Posterin:
“ähm leute, des isch a forum wegnen kruzifix und nit a plattform für ausländerfeindlichkeiten… des isch völlig inakzeptabel… des will gott sicher nit”
Prompt die Antwort:
“ich glaube du hast die grundlagen unserer kultur nicht verstanden!”

St.Max · 17.11.2009 12:09 · #

hahaha.. [ :( ]

mhrks · 17.11.2009 15:54 · #

Die Auslegung von (Religions)freiheit des Herrn aus St. Pauls kommt mir ja ziemlich bekannt vor.

Hier nur ein Beispiel von vielen dieser Art aus der Facebook-Gruppe:
Herr S. G. “….Religionsfreiheit herrscht bei uns – also geben wir der religion (kath. u. evang.) doch die freiheit, dass das kreuz hängen bleibt. hängt eigentlich noch unser präsident in den schulklassen? oder muss der auch weg, weil wir in der EU sind?”

Vielleicht hätte er doch besser mal an die Tafel sehen sollen und nicht immer nur an die Stelle knapp darüber ;o)

theresia · 17.11.2009 17:19 · #

Ich würde beim Anblick der präsentierten Kommentare sagen: “Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu schreiben.”
Um dann süffisant anzufügen: “Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?”
Und weil es die Situation zulässt noch zu einem der Inhalte der aufgezeigten Kommentare:
“Der Nationalismus, das ist die Liebe, die mich mit den Dummköpfen meines Landes verbindet, mit den Beleidigern meiner Sitten, und mit den Schändern meiner Sprache.”

KKraus · 18.11.2009 14:23 · #

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