Der Fall war jeder/m Bundesdeutschen bekannt und hatte auch über die Landesgrenzen deutlich Beachtung gefunden – ein richtges mehrgängiges Fressen für den Boulevard und den etwas ernsteren Ethikjournalismus, dem “Moral-Journal”. Die Rede ist von dem verjährten Skandal um Marco W. Für die, die erst jetzt den Fernseher eingeschaltet haben, hier der Lakonie halber eine kurz und bündige Zusammenfassung: Marco W. ist jener 17 Jährige Junge, der heuer 18 geworden sein dürfte und nach Angaben diverser Medien letztes Jahr im Türkei-Urlaub eine 13 Jährige sexuell belästigt haben soll, woraufhin die Eltern des Kindes vor Ort Anzeige erstatteten und die Türkischen Behörden dementsprechend reagierten. Sie steckten den jungen Spund in Untersuchungshaft. Und schon ging das Verfahren los: Bild hat berichtet und auch im ntv war das Bild von Marco W. zu sehen. Dem etwas kritischen Auge dürfte dabei nicht entgangen sein, dass eine zunehmend pöbelhafte “Wir sind besser” Moral durch deutsche Medien rauhnte und alles türkisch und ausländische vom Platz verwies im besonderen das Türkische Rechtssystem. Die große Empörung, was die sich denn erlauben, einen minderjährigen Deutschen über acht Monate in Untersuchungshaft zu zu behalten und dergleichen. Dabei dürfte den Lesern und Verfassern der Bild und Zeitungstexte etwas (und vielleicht auch etwas mehr) entgangen sein, nämlich dass dem guten Marco W. auf deutschem Boden ungefähr dasselbe passiert wäre, nur auf einer anderen Sprache. Das heißt in Deutschland sind versuchte Vergewaltigungen oder aber sexuelle Übergriffe wie Belästigung an Bürger und Touristinnen ebenso gesetzlich nicht erlaubt wie in der Türkei. Und ein Minderjähriger, der auf diese weise straffällig wird, noch dazu wenn juristisch ein Kind mit im Spiel ist, muss ob Deutschland oder Türkei mit einem Freiheitsentzug rechnen – natürlich altersbedingt abgemildert.
Die heftige Debatte um den Jungen Mann, hatte nicht nur eine bilaterale Erkaltung zur Folge, sondern ließ zusätzlich noch ein paar Kernfragen unberührt, die wenn man sie genauer betrachtet gar nicht mal so unbedeutend sind. Um diese etwas griffiger zu gestalten, möchte ich ein wenig weiter ausholen und zunächst einmal das Verhalten von vielen jungen Leuten an reißen, respektive angehenden Männern, die sobald sie in die Pubertät treten, meinen sie könnten überall hineintreten – und das in ein paar Sätzen. (Ja, selbst in einer einfachen Parataxe lassen sich schon die lähmenden Sackgassen hypotaktischer Strukturen offenlegen.) Viele junge Männer erwachen eines Morgens und entdecken die Welt als ihre Spielwiese, glauben sich in einem Selbstbedinungsladen und haun platt formuliert die Ware reihenweise ins Körbchen (und dabei dacht ich eigentlich Frauen sind die Shoppingfanaten unter den Geschlechtern, aber was sie kaufen, kaufen sie ja nicht nur für sich wie es heißt). Noch dazu werden sie dazu ermutigt und das meistens von ihren eigenen Müttern, die froh sind, dass sie Söhne und nicht Töchter haben. Gustave Flaubert hat in seiner “Madame Bovary” das Bild eines derartigen Mutter – Kind Verhältnises geschildert in typisch vorgeburtlicher Paranoia um das Geschlecht. (Heute darf man das ja beim Onkel Doktor schon früher erfahren und dank Stammzellenforschung bald auch bestellen. Madame Bovary erkrankt geradezu psychisch an dem Gedanken an eine Tochter. Sie betet um alles für einen Sohn, weil es die Mädchen in dieser Welt ach-so schlecht haben und sozial eh nur als Fick- und Brutkasten dienen. So wird mit brillanter Ironie, das Bangen der Hauptperson Emma um ihr zu erhaltenes Kind mit gespieltem Pathos inszeniert. Wogegen Charles Bovary, der Angetraute sich ganz phlegmatisch, gerade zu indifferent im Bezug auf die Sorgen der Mutter gibt, frei nach dem Motto – hauptsache gesund (er muss sich eh nicht drum kümmern…)
Bei den Mädchen ist alles ein bisschen anders. Und ich will jetzt nicht an eine null acht fünfzig Körbchengröße von ewig ausgelutscheten Klischees mit herumschneidern, aber es ist nunmal nicht ein und daselbe mit uns Mädchen und Jungs. Nicht zu letzt wenn es um unsere Rasiergewohnheiten geht. Irgendwie spielt die Pädagogik immernoch mit einer ungeschriebenen Doktrin, die frei nach dem Motto “Herren sind herrlich und Damen sind dämlich” funktioniert. Was ich damit sagen will, ist, dass Jungs eben ein anderes und damit ein sicheres Körper-und Selbstbewusstsein haben und sich dementsprechend verhalten. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen und eigentlich sogar gut zu heißen, würde da nicht ein ethischer Riss entstehen, wenn es um das soziales Verhalten geht. Das klingt jetzt alles sehr nach Filigranfeminismus, der ja bei vielen Intelektuellen gerade höchst en-vogue ist und eigentlich eine respektable Disziplin sein könnte, wenn er den meisten Intellektuellen nicht als Klatschersatz oder moraline Teilzeit Glegenheits oder Freizeitehtik dienen würde. Viele Wissenschaftler sind da einfach nicht ernst genug – weder beim produzieren, noch beim rezipieren. Beim letzteren liegt das Problem vor, dass meistens eine Philosophie, der es plötzlich einfällt irgendwie gynophil zu werden immer mit Altweiberraunzen gleichgestellt wird. Egal welches Potenzial sie in sich trägt. Was diese Sache umso hoffnungsloser und vollends desolat erscheinen lässt, ist zudem die Tatsache, dass immer wenn ein Mensch, der gerade mal eben eine Frau ist, wenn er (versteht das jetzt wer? er?) oder eigentlich sie für etwas eintritt, schlichtweg mit einem abschätzigen Lächeln (das übrigens nicht ausschließlich auf die männliche Kappe geht) belegt wird. Fliegen Sie doch einfach mal mit einer Pilotin und horchen Sie gut auf was dann durch die Sitze geht. Der Standart hat kürzlich davon berichtet. Und dann raten Sie mal, wenn Sie schon dabei sind gleich, wer am lautesten im Saal darüber lacht? Wenn wir das alles auf den Fall Marco W. ummünzen, erhalten wir ein ziemlich bedenkliches Bild vom perfiden medialen Gehabe. Hier wird mal wieder eine alte Weltordnung in all ihrer Tragweite kolportiert und als Manifest geschlagen, damit das auch ein für alle mal klar ist wer wo steht und zu stehen hat. Früher war es der Rat von Athen, dann das Wort Gottes in der Bibel und heute knapp fünfhundert Jahre nach dem Buchdruck die Tageszeitungen. Und die sagen: Marco W. ist das Opfer. Er wurde von einer dreizehnjährigen, noch dazu britischen Schlampe verführt, die ihm jetzt versuchte Vergewaltigung anhängen will. Das arme brave Burli, hat doch nur seinem Libido frönen wollen. Bild hat gesprochen. Und alle haben genickt, oh ja, für wahr. Das Mädchen hüllt sich in Schweigen, will nicht an die Öffentlichkeit treten und ist daher natürlich höchst suspekt. Die hat was zu verbergen. Dass sie vielleicht leicht traumatisiert ist und sich schämt und das sie n.b. dreizehn ist, fällt wohl niemanden in den Sinn. Also geht der Konsens um: Er hat ihr ja eh nichts getan….
Das hat er auch nicht. Zumindest nicht das, was ihm vorgeworfen wird. Marco W. ist nur ein siebzehnjähriger, der mittlerweile achtzehn geworden sein dürfte und letztes Jahr im Türkei Urlaub in eine äußerst dumme Sache geschlittert ist. Vielleicht hätte er es beim küssen oder knutschen belassen sollen, bevor das Mädchen Angst kriegt und ihn anzeigt. Vielleicht ist er doch etwas zu weit gegangen, nur weil er unbedingt mit ihr schlafen wollte und vielleicht sucht er sich beim nächsten mal eine Frau von seinem Kaliber. Es wäre ihm anzuraten. Das Bild und co sich wieder jemand anderen ausuchen und mit ihm das selbe machen, bleibt sicher. Und erst wenn man sich dann bis auf die Haut entblättert, so ganz stilecht über einer Nackigen, die mal wieder Jasmina, Annabel oder etwas östlicher Nikita (;)) heißt, dann gibt man(n) die Absolution und die Öffentlichkeit nickt mit ihrem Kuhäugigen Schädel und reckt schon brav das Ärschlein zum Meinungaufdrücken. Die tolle heiße Druckerfrische, direkt in unser Arschgesicht. Und den Mund immer nur dann aufmachen, wenn was reinkommt Mädels. Macht euch keine Sorgen, eines Tages, irgendwann, da werden die Leute merken, dass in Fraun auch mehr steckt als nur ein Schwanz für fünf Minuten oder weniger.