Gleich vorneweg: Ich habe die Texte zum Thema “Kulturindustrie” von (höchstwahrscheinlich) Adorno nicht gelesen. Und ganz ehrlich, wenn ich so guck, wie in den diversen linken Grüppchen mit dem Begriff geschleudert wird, vergeht mir auch die Lust dazu. Ich gebe deshalb jetzt mal wieder, wie der Begriff meiner Erfahrung nach so gebraucht wird… und was ich daran banal bis bescheuert finde.
“Kulturindustrie” wird in der Regel synonym gebraucht mit dem, was man mit den USA verbindet, genauer gesagt als dessen Zuspitzung und liebstes Beispiel Hollywood. Es ist industriell gefertigte Kultur, Massenware; dazu da, um blinden, verdummenden Konsum zu befriedigen und hervorzubringen. Kurz: Propaganda, um den Geist der Menschen mit kapitalistisch-faschistoider Konsumideologie-Propaganda zu vergiften. Das Ganze ähnelt stark den Thesen der Situationisten (Spektakel-Dingsbums… genauer Titel entfallen und da dies eine Polemik ist, sowieso unwichtig!). Immer umschwebt die Erzeugnisse der Kulturindustrie eine Aura der Künstlichkeit und damit einhergehend fehlt ihr jegliche Authentizität. Das ist dann auch das Kriterium bzw. die Kategorie, anhand der unterschieden wird: Authentizität.
Der unauthentischen industriellen, hirnlosen Kultur aus der Fabrik steht die authentische wirklich Kultur gegenüber. Wie soll die aber ausschau’n? Nun, an dieser Stelle driftet der ganze Kulturkritik-Diskurs meist entweder in etwas seltsam anmutende ethnizistisch-esoterische bis kleinbürgerlich-völkische Vorstellungen (also in Bezug auf Inhalt) oder in Kategorien der Herstellungsart – sprich: Handwerk und Fließbandarbeit – ab. Erstere produzieren genau das, was der Kulturindustrie vorgeworfen wird, nämlich seltsame Propagierung einer in irgend einer Art authentischen Lebensweise als Ideal. Letzteren mangelt der kausale Zusammenhang zwischen Herstellungsart und Inhalt, denn wieso soll handwerkliche Kunst automatisch authentisch sein.
Was mich stört, ist zum einen das Hantieren mit extrem schwammigen Begriffen wie “Kultur” (ich glaube, St. Marx könnte ein ganzes Hauptwerk nur zu diesem Jargonbegriff verfassen) und “Authentizität”, die mir in meinen Erfahrungen mit Kulturindustrie-Ausführungen nie wirklich befriedigend definiert werden konnten, weil die Vorstellung von “Kultur” entweder zu weit oder zu eng ist.
Zum anderen stört mich, dass sich hinter Kritik an der Kulturindustrie sehr oft platter Antiamerikanismus versteckt. Kulturindustrie wird synonym mit USA und ganz besonders gerne eben Hollywood verwendet. Durch die Polarität der Unterscheidung wird zudem natürlich jeglicher Art von Gegenkultur zur bösen Konsumkultur sofort Authentizität eingeräumt.
Zuletzt stört mich bei der ganzen Sache auch dieser Hauch von “Die da oben wollen uns manipulieren!”, der das ganze umweht (auch das Spektakel-Dingsbums) und mit einem Bein in der Verschwörungstheorie steht.
Besonders aber die angebliche authentische Kultur ist mir ein Dorn im Auge. Nach welchen Kriterien authentisch? Wer bestimmt das? Beraubt das die Kultur nicht ihrer Geschichtlichkeit (immerhin ein zentraler Bestandteil der Marx’schen Theorie)? Wenn wir von einer Geschichtlichkeit in der Kultur ausgehen, dann ist doch gerade das, was unter Kulturindustrie verstanden wird insofern total authentisch.
Anfechtungen und Zwischenrufe erwünscht!
P.S.: Was mich auch nicht unerheblich störte an dem anfangs ziterten Veranstaltungstitel ist die Quantifizierung von Nazismus. Dass natürlich ein moralischer Wertmaßstab wie jeder Maßstab einen Orientierungspunkt braucht ist mir klar, ebenso, dass Nationalsozialismus und deren Manifestation in der jüngeren Geschichte als Orientierungspunkt in Sachen moralischer Verwerflichkeit naheliegt. Aber muss man deshalb wirklich die moralische Fragwürdigkeit bzw. Verwerflichkeit von Ideen, Parteien, Strukturen, whatnot anhand der darin enthaltenen Menge von Nazihaftigkeit gemessen festgemacht werden?! Diese Quantifizierung kommt in meinen Augen auch schon wieder einer Verunglimpfung bzw. Verharmlosung der Nazi-Gräuel gleich. Aber das ist wohl Stoff für eine andere Polemik.