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Stephans kleine Argumentationsdiskreditierungsschule

von am 23.08.2008 02:14, Rubrik philosophisches-politisches

Wer kennt das nicht: Es entwickelt sich eine Diskussion zu irgend einem Thema, die natürlich letztlich in Politik oder Religion abdriftet. Unsicheres Terrain, stark vermint und vor allem wimmeln gerade die Bereiche Politik und Religion nur so von “Fundamentalisten”, soll heißen von Leuten, die nicht daran interessiert sind, aus einer Diskussion einen Erkenntnisgewinn zu erlangen, sondern nur ihre Weltanschauung durchboxen wollen. “Mit sowas kann man eigentlich eh nicht diskutieren, da sie sich jeder Gegenargumentation verschließen”, wird man zurecht sagen.


Man kann wohl nicht wirklich mit ihnen diskutieren, aber man kann ihnen und (was eigentlich wichtig ist) allen anderen Beteiligten vor Augen führen, dass sie nur eine Weltanschauung predigen und sie dadurch als Diskussionteilnehmer diskreditieren. Leicht heimtückisch, aber oft notwendig, weil man dem ignoranten Pack sonst kaum beikommt. Wie macht man das aber? Hier eine kleine Anleitung:

Zuallererst gilt: Das Ziel ist NICHT, den Fundamentalisten/Ideologen mit der Kraft eurer Argumentation zu überzeugen. Das wäre eine Sisyphosarbeit, da solche Gestalten sich per Definition jeder Art von rationaler Argumentation entziehen. Daher, liebe Leute, vergesst die Verfechtung eurer Argumente, konzentriert euch auf deren. Angriffspunkte bieten Fundamentalisten/Ideologen hierfür genug:
Die simpelste Art der Entlarvung ist die Entlarvung der Normativität der vertretenen Position. Fundamentalisten/Ideologen argumentieren immer sehr stark wertend, ihre Position ist nicht nur faktisch erwiesen (wie sie meinen), sondern deshalb auch moralisch “gut”, “richtig” und “wahr”. Hier ist schon ein erster Ansatzpunkt für unseren Hebel. “Sollte so sein” bedeutet nicht “ist so”. Beispiel: Wenn jemand auch noch so laut (irrigerweise wird ja gerne angenommen, dass sich Wahrheitsgehalt proportional zur Lautstärke verhält) postuliert “Abtreibung falsch ist”, dann wird daraus trotzdem kein faktisch gegebener Sachverhalt, sondern es bleibt weiterhin die moralische Bewertung des faktisch gegebenen Sachverhalts “Abtreibung ist durchführbar”. Fundamentalisten/Ideologen vertauschen bewusst oder unbewusst faktische Sachverhalt mit Bewertungen dieser und versuchen ihre Werturteile faktisch zu beweisen, was nicht möglich ist. Werturteile können begründet oder erklärt aber nicht bewiesen werden. Damit lässt sich schon sehr viel aushebeln, wenn ihr eurem Gegenüber nachweist, dass er oder sie nicht aufgrund von Fakten sondern aufgrund von Wertvorstellungen argumentiert, dann disqualifiziert ihr ihn oder sie de facto von der Diskussion, die ja objektiv und auf Grundlage von Fakten stattfinden soll.
Dieser Hebel funktioniert auch in die andere Richtung: “Ist so” bedeutet nicht “soll so sein”. Wenn der Diskussionspartner in die Naturalismusfalle (“Es ist von Natur aus so, also ist es gut so” oder in der abgekürzten Variante “ja, das ist halt so”) tappt, kann man den moralischen Dolch umdrehen und gegen ihn oder sie verwenden. Voll moralischer Entrüstung schleudert ihr ein “Seit wann bedeutet es, dass ein Zustand gut ist, nur weil er ist?! Ich würde eher sagen, weil es so ist, soll es nicht so sein!!” oder sowas in der Art zurück. Das Coole daran ist, dass ihr so oder so damit durchkommt. Wenn der Gegenüber sich nicht bewusst ist, dass sein oder ihr Werturteil unzulässig ist, dann ist ihm oder ihr auch nicht bewusst, dass euer Werturteil unzulässig ist. Wenn ihm oder ihr bewusst ist, dass seines unzulässig ist, dann kann er oder sie nichts gegen eures sagen. Wenn er oder sie euer Werturteil gegen euch verwenden will, dann kontert ihr mit einem souveränen und leicht arroganten “Genau das wollte ich dir vorführen: Dass ein Werturteil kein Argument ist”. Mehr als ein “Touché” kann man dem nicht entgegnen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind Prämissen. Jedes Argument und jede Schlussfolgerung hat Prämissen, ob diese nur ausdrücklich genannt oder impliziert werden, ist egal. Es ist daher wichtig die Prämissen des Gegenübers freizulegen und auf den Tisch zu bringen, damit er nicht heimlich irgendwelche Prämissen in die Diskussion mogeln kann. Jede Prämisse muss erst mal hinterfragt und auf Zulässigkeit geprüft werden, die offenbarten wie die implizierten.
Was umgekehrt für euch bedeutet: Wenn ihr eure Prämissen “durchkriegt”, dann seid ihr schon auf halbem Weg zum argumentativen Sieg.
Eine extrem wichtige Prämisse für Fundamentalisten und Ideologen sind Authoritäten. Ihre Werturteile fußen natürlich auf Authoritäten und in ihrer eigenen Logik, so scheint es, verleihen diese Werturteile ihnen Authorität; wer urteilt ist schließlich Richter. Authoritäten lassen sich sehr leicht aushebeln. Im Grunde reicht dazu das allseits beliebte “ultimative philosophische Gegenargument”: “Das ist das was du sagst…!”

Das sind einige kleine Hilfen. Das ist im großen und ganzen natürlich auch ein gutes Stück weit unfaire Rhetorik, weshalb ich euch damit nicht in Diskussionen mit normalen Diskussionspartnern erwischen will!!


Kommentare

Also natürlich setze ich solche Strategien auch in normalen Diskussionen mit ein. :)

Meist dann, wenn die normale Diskussion logische Schwächen hat. Dann bohre ich solange, bis das Gebäude zerbricht.

Robin Haseler · 23.08.2008 08:30 · #

Breite Zustimmung meinerseits, nur erschwerend hinzu kommt, dass bei den meisten Ideologen die Argumente nicht faktisch, denn prophetisch sind. Eine dialektische Aussage wird als demonstrativer Schluss verkauft, also absolut und unrelativierbar, da hilft auch kein schnittiges Gegegenargument. Traurig, aber wahr

Ana · 25.08.2008 11:08 · #

Setzen Sechs, Ana! ;p
Es geht ja nicht darum, den Ideologen/Fundamenstalisten zu überzeugen, sondern ihn bzw. seine Argumentation vor anderen Diskussionsteilnehmern zu diskreditieren, damit seine fancy Glauben als solcher entlarvt wird und bei anderen nicht ankommt. Wenn derjenige DiaIalektik als Argumentationsform bringt, dann kann man ja darauf hinweisen. Im Grunde ist da genau gleich zu verfahren wie bei Punkt Authorität.

Stephan · 26.08.2008 16:08 · #

Das kommt aufs gleiche hinaus. Er kann sich ja immer auf seine mythische Intuition berufen. So etwas laesst sich schwer vor einem gemischten Publikum diskreditieren. Sein fancy (sic!) Galube ist umso hoeher, besser und als dass er sich jeglicher Rtaionalitaet entzieht.

Ana · 31.08.2008 15:15 · #

..was heisst setzen sechs. Bitte um Aufklaerung…

Ana · 31.08.2008 15:17 · #

Ja aber sobald er der Rationalität abschwört, diskreditiert er sich in einer rational geführten Diskussion, sobald er das praktisch eingesteht, kann man ihn ja schön vorführen.

Na ja, “Setzen, Sechs” bedeutet den tedeschi soviel wie “Prüfung nicht bestanden.” ;-)

Stephan · 02.09.2008 19:04 · #

Aha….

Ana · 03.09.2008 13:49 · #

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