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Was Kulturindustrie nicht ist. Antwort auf eine Polemik

von am 20.06.2010 11:01, Rubrik philosophisches-politisches

Zunächst einmal gibt es so etwas wie einen einheitlichen Gebrauch des Begriffs der Kulturindustrie nicht. Grundlegend gilt: Der Begriff der Kulturindustrie ist ein negativer Begriff. Er beansprucht kritisches Verhalten und die reflexive Auseinandersetzung mit dem Kulturbetrieb ausgehend von der Annahme, dass Gesellschaftliches immer Ergebnis von Herrschaft ist.
Um dem polemischen Diskurs aber nicht ganz ausweichen zu müssen, werde ich die Grundlagen meiner philosophischen Überzeugung ein wenig außen vor lassen und versuchen auf die, im Text „Kulturindustrie: Eine Polemik“, auftauchenden gravierenden Missverständnisse, Antworten zu geben. (Daher bitte ich bei denen die es besser wissen um Verständnis ob der Engführung mancher Zusammenhänge.)
Der Text sollte als Diskussionsgrundlage dienen.


Aktuell zerfallen die Jugendkulturen und Kulturgenres in immer kleinere Nischen und Fachpublika. Alle kommen auf ihre Kosten und können sich einzigartig fühlen. Die dafür vorgesehenen Produktnischen werden von Konzernen und deren Managements bedient und so erhalten die Kids/Teens/Twens/Adults, sobald sie eine der hunderten Strömungen für sich entdeckt haben, die professionelle Markenausstattung dazu. Authentizität ist somit die Frage der jeweiligen Subkultur. Der Trend „kritischer“ oder „intellektueller“ Studenten und Künstler, sich diesem Spiel der Abgrenzung zu entziehen ist (wie der Name schon suggeriert) selbst ein Trend der auch polemisierende Studenten nicht verschont. Sie ordnen sich eben selbst in das Marktsegment „unabhängiger Freigeist“ ein und kaufen ihre Uniformen nicht bei H+M sondern beim „kritische Studentenausstatter“ ihres Vertrauens. Die Subgenres in der Jugendkultur erwirtschaften mit dieser Form von Unabhängigkeit Milliarden.

Zunächst mal zum Mythos der Harmlosigkeit/Vernachlässigbarkeit: Kulturindustrie ist nicht harmlos. Sie schädigt nicht sichtbar und sie verblödet auch nicht unmittelbar, aber sie weicht auf und bereitet auf die Verblödung vor.
Die Kritik der modernen Massenkultur beginnt also damit das Phänomen nicht zu verharmlosen. Massenkultur suggeriert ja es gäbe etwas „wie spontan aus den Massen selbst aufsteigende Kultur“ (DdA). Aber Kultur geht nicht spontan aus den Massen hervor sondern entwickelt sich in einem komplexen Spannungsverhältnis und dort wo man sich am volksnahsten gibt, ist man der Kulturindustrie meist am nächsten. Wer das (wenn auch polemisch) ignoriert, ist wahrscheinlich selbst höchst empfänglich für ein kleinbürgerlich-völkisches Verständnis von Kulturkritik.

Die Kulturindustrie ist nicht Kultur, sie ist ein Teil davon, der sich durch eine bestimmte Produktions- und Distributionsweise auszeichnet. Es soll mit dem Missverständnis aufgeräumt werden, das zum Kunden gemachte Individuum würde, als Konsument von Massenkultur diese mitbestimmen können. Es wird zwar um Kundschaft gebuhlt (und die Werbeindustrie gibt Milliarden dafür aus) diese soll aber, was die Produktion von Bedeutung angeht, nicht mitsprechen.

Wie ist diese besondere Produktions- und Distributionsweise gekennzeichnet?
Für Karl Marx ist sie durch den Warenfetisch charakterisiert. Der Reichtum der Gesellschaft wird im Kapitalismus zu einer ungeheuren Warensammlung. Die Menschen werden zu Warenhütern. Die Zirkulation der Waren, die von Menschen beständig getauscht werden, entwickelt ein Eigenleben. Ökonomisch drückt sich das dadurch aus, dass den Waren über ihren Gebrauchswert hinaus ein bestimmter Tauschwert zukommt. Im Tauschwert, der uns alltäglich begegnet, verschleiert sich zunehmend der Gebrauchswert. Das Interesse der Produktion geht vom Gebrauchswert auf den Tauschwert über, weil in ihm der Profit erzielt wird. Die in den Herstellungsprozess verwickelten Menschen werden über den Mehrwert ausgebeutet und damit zu einem Objekt der Produktionskette: zur Arbeitskraft. Mensch und Ware tauschen den Platz, der Mensch erscheint als Objekt, die Ware als Subjekt der kapitalistischen Produktionsweise. Die Ware wird fetischisiert. (Nachzulesen in MEW Band 23: Das Kapital. Erster Band)

Bei Georg Lukács setzt sich diese Argumentation fort und wird auf den Bereich der Kultur erweitert. Ausgehend von dem Gedanken Hegels, dass sich im Verhältnis der Menschen zueinander und zur Natur Vernunft objektiviert (wie vernünftig diese dann auch immer ist) – präjudiziert, für Georg Lukács, die in der kapitalistischen Gesellschaft dominierende Gegenständlichkeitsform die Weltbezüge, also die Beziehungen zwischen Subjekten und einer ihnen zugänglichen objektiven, sozialen Welt.
Die auf Lohnarbeit beruhende Produktionsweise verdinglicht die Lebenswelt, indem sie das „Zur-Ware-Werden“ einer Funktion des Menschen erfordert.
„Das Wesen der Warenstruktur […] beruht darauf, dass ein Verhältnis, eine Beziehung zwischen Personen den Charakter einer Dinghaftigkeit und auf diese Weise eine ‚gespenstige Gegenständlichkeit’ erhält, die in ihrer strengen, scheinbar völlig geschlossenen und rationellen Eigengesetzlichkeit jede Spur ihres Grundwesens, der Beziehung zwischen Menschen verdeckt.“

Im Warentausch werden die Subjekte wechselseitig dazu angehalten – die vorfindlichen Gegenstände nur noch als potentiell verwertbare ‚Dinge’ wahrzunehmen – ihr Gegenüber nur noch als ‚Objekt’ einer ertragreichen Transaktion anzusehen – ihr eigenes Vermögen nur noch als zusätzliche ‚Ressource’ bei der Kalkulation von Verwertungschancen zu betrachten.“
Außerdem drückt sich darin die Gewohnheit eines bloß beobachtenden Verhaltens aus, in dessen Perspektive die natürliche Umwelt, die soziale Mitwelt und die eigenen Persönlichkeitspotentiale nur noch teilnahmslos und affektneutral wie etwas Dingliches erfasst werden aus. Die Warenform nimmt einen universellen Charakter an und wird zur Gegenständlichkeitsform der kapitalistischen Gesellschaft. Die Hegelsche Totalität des vernünftigen Lebenszusammenhangs wird Lukács zum Maßstab der Irrationalität gesellschaftlicher Rationalisierung.
(Nachzulesen in: Georg Lukács: Geschichte und Klassenbewusstsein sowie Axel Honneth: Verdinglichung)

Wir sind jetzt zu einem Begriff gekommen, auf den sich die Kritik der Kulturindustrie bezieht: Verdinglichung. Und hier kommen wir zu dem sagenumwobenen Adorno, der (bezeichnenderweise) beim bekennenden Abstinenzler auf Ablehnung stößt.
Kulturindustrie sind nicht DIE Massenmedien, sie ist eine bestimmte Anwendung der Massenmedien und zwar grob gesagt (wie alles hier) eine verdinglichte.
Horkheimer und Adorno entwickeln eine Theorie der totalitären Politik und der Massenkultur, die mittels eines sozialpsychologischen und ideologiekritischen Ansatzes die motivationalen Grundlagen der Verdinglichung und deren kulturelle Reproduktion erklären soll.
Mit dem Verdinglichungsbegriff wird postuliert, dass die Warenform auch die Kultur erreicht und somit alle Funktionen des Menschen besetzt. Die sozialpsychologischen Kosten der instrumentellen Rationalisierung treten als klinifizierte Geisteskrankheiten, Neurosen, psychosomatische Störungen bis hin zur mörderischen Affektauslagerung auf. Aber auch als grundlegende Motivations- und Erziehungsprobleme.
Wie kann uns der Begriff der Kulturindustrie beim Problem der Verdinglichung weiterhelfen?
Sehr grob betrachtet geht es um die Diagnose das die wissenschaftlich-technischen Produktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen verschmelzen und ihre systemverändernde Kraft (revolutionäre Kraft) vollständig einbüssen. Die rationalisierte Welt wird zu einer falschen Totalität vereinnahmt und die lakonische Feststellung von Günther Anders es genüge nicht die Welt zu verändern, das täten wir ohnehin und weitgehend ohne unser zutun, kommentiert, die dem Ansatz schon zugrundeliegende Problematik, recht treffend.
(Nachzulesen in Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung)

Kulturindustrie ist nicht gegen die Verbreitung und allgemeine Zugänglichkeit von Kunstwerken.
In seiner Rede über Lyrik und Gesellschaft versucht Adorno aufbauend auf diesen Grundgedanken eine Definition des Kunstwerks und der gesellschaftlichen Aufgabe der Kultur anhand der Lyrik.
Wichtig dabei erscheinen mir seine Anmerkungen über die Sprache: „Die Selbstvergessenheit des Subjekts, das der Sprache als einem Objektiven sich anheimgibt, und die Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit seines Ausdrucks sind dasselbe: so vermittelt Sprache Lyrik und Gesellschaft im Innersten. Darum zeigt Lyrik dort sich am tiefsten gesellschaftlich verbürgt, wo sie nicht der Gesellschaft nach dem Munde redet, wo sie nichts mitteilt, sondern wo das Subjekt, dem der Ausdruck glückt, zum Einstand mit der Sprache selber kommt, dem, wohin diese von sich aus möchte.“ (NzL: 56)
Die Sprache der Kunst soll kein „geweihtes Abrakadabra“ (57) sein, sondern sich der Verdinglichung entziehen, indem sie trotzdem nicht als bloße kommunikative Rede fungiert. Da die traditionelle individuelle Lyrik von einem „kollektive[n] Unterstrom grundiert“ (58) ist, ist sie zwar „strengste ästhetische Negation von Bürgerlichkeit“, gleichzeitig aber an die bürgerliche Gesellschaft am stärksten gebunden.
Das Kunstwerk weist eine sprachliche Qualität aus, die aber noch mit einem historischen Bewusstsein ausgestattet werden muss, denn nur in ihrer zeitlichen Figuration hat es einen negierenden Gehalt. Ist sein geschichtliches Moment vorbei, können zwar neue Erfahrungen aus ihm herausinterpretiert werden, sie entfremden sich aber darüber von ihrer ursprünglichen Intention und werden zunehmend zu Waren verdinglicht. Kunstwerke stehen für Adorno dialektisch vermittelt als Platzhalter für seinen Wahrheitsbegriff: Kunst kann (in dieser Sicht) gesellschaftlich unvermittelt gesellschaftliche Existenzformen erkenntlich machen.
Kunst wird dadurch Mittel der gesellschaftlichen Dechiffrierung. Diese setzt Kunst als Erscheinungsform des objektiven Geistes im Sinne der Hegelinterpretation von Marx voraus: objektiver Geist realisiert sich in den Verhältnissen der Produktion und Konsumtion.
Sie ist strukturell polarisiert in den Begriffen Individuum und Allgemeinheit, Freiheit und System, Subjekt und Objekt. Verfolgt wird dabei durch jede dechiffrierte Relation die Dialektik der Aufklärung unter totaler Herrschaft.
Bei Adorno ist die Kunst der einzige Bereich des objektiven Geistes, in dem konsequent Revolutionen stattgefunden haben: der geschichtliche Gehalt wird daher in ihnen deutlicher als in anderen Formen des objektiven Geistes, die durch Traditionen vermittelt einen affirmativeren Bezug zu den Voraussetzungen ihrer Existenz haben. Tradition ist grob gesprochen eine Form von Ideologie. Künstlerische Tradition zu negieren wäre eine Aufgabe ideologiekritischer Kunst. (Nachzulesen in Theodor Adorno: Noten zur Literatur)

Ob das Kunstwerk das bewerkstelligen kann müsste am jeweiligen Stück verifiziert werden und kann nicht, wie der Polemiker unterstellt, für ganze Bereiche oder gar „die Kultur“ an sich gelingen.

Kulturindustrie ist keine Bezeichnung für diffuse böse Mächte oder irgendein kosmisches Grauen. „Die da oben“ sind eine Projektion des völkischen Kulturverständnisses. Kulturindustrie ist ein Kräfteverhältnis zwischen politisch und wirtschaftlich agierenden Interessensgruppen innerhalb des kapitalistischen Verwertungszusammenhangs. Werbung und Trends (bewusst gesetzte und komplex entstehende authentische wären eventuell zu unterscheiden) erfüllen Zwecke. Günther Anders schreibt sehr treffend: „Die Mode ist die Maßnahme, die die Industrie verwendet, um ihre eigenen Produkte ersatzbedürftig zu machen.“
Die Beständigkeit des Eigentums wird durch das Alternieren von Haben und Nichthaben und ein beständiges der Mode hinterherhecheln ersetzt.
Die Werbebranche nimmt hohe Summen in die Hand und prägt ihre Bilder den Kunstwerken auf. Kunst ist an vielen Orten abhängig entweder vom Staat (der Interessen hat) oder von der Werbeindustrie (die Interessen hat). Wissenschaft als Politikberatung, Marketinginstitute, Umfrageinstute ist nicht geeignet als kritische Instanz und wird in manchen Fällen ebenfalls von der Kulturindustrie vereinnahmt.
(Nachzulesen in Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen)

Kulturindustrie wendet sich nicht gegen Massenkompatibilität von Kunst, sie beansprucht aber ein Einspruchsrecht gegen die Funktionen, die rein den status quo perpetuieren.
Freizeit ist gut und wichtig, Kunstgenuss in der Freizeit ist nicht verboten. Dient die Freizeit aber nur dem Zweck, sich wieder fit für die Arbeit zu machen und wird die konsumierte Kunst daran ausgerichtet, dann ist sie (als verdinglichte) als schlecht oder falsch abzulehnen. Es geht auch nicht um eine prinzipielle Bremsung von Gefühlen. Es geht darum Gefühle nicht zu verdinglichen und auszubeuten. Sie nicht kurz hochzujagen und wenn der gewünschte Effekt eingetreten ist, wieder genauso gelenkt abzudrehen wie das bei medialen Massenevents gang und gäbe ist. Genauso würde man ja jemanden der sich durch Politik nur in Stimmungen versetzen lässt, auch nicht für voll nehmen, bzw. ihn als gefährlichen Verrückten einstufen.
Es muss eine beständige Rückkopplung von Gefühl und Verstand bestehen. Reines Gefühl lässt sich genauso leicht manipulieren und ausbeuten (verdinglichen) wie reiner Verstand sich für unmenschliche Zwecke eignet. Der reine Verstand wird schnell instrumentell. Die Aufspaltung von Gefühl und Verstand ist eine Grundlage demagogischer Politik und muss auch im kulturellen Bereich als Versuch der manipulativen Beeinflussung individueller zugunsten kollektiver Wahrnehmung gewertet werden. Die Vernunft als Mittel der Erfassung gesellschaftlicher Phänomene wird dadurch transformiert wie Max Horkheimer schreibt.
„Wenn die Vernunft für außerstande erklärt wird, die obersten Ziele des Lebens zu bestimmen, und sich damit begnügen muß, alles, dem sie begegnet, auf ein bloßes Werkzeug zu reduzieren, ist ihr einziges verbleibendes Ziel die bloße Perpetuierung ihrer gleichschaltenden Tätigkeit.“
Die Transformation aller Lebensbereiche in Mittel für Zwecke führt daher zur „Liquidation des Subjekts“ das diesen Bereichen zugeordnet ist, indem es sich ihrer bedient.
Lebensziele werden nur in ihrer Möglichkeit wahrgenommen, funktional zu werden. Der Mensch muss zweckmäßig leben, wenn er einigermaßen glücklich leben will. Das Individuum tritt hinter die Zwecke und Anforderungen der Industriegesellschaft zurück. Deshalb gibt es in der Industriegesellschaft keine Ziele die über diese hinaus gehen würden.
Die „Unterjochung der Natur“ hat kein sinnvolles Ziel oder Motiv und bleibt unversöhnt, sie ist wie der Mensch in ihr unterdrückt durch die Zwänge des Faktischen.

Wenn ein Faktor der Zivilisation die allmähliche Ersetzung der natürlichen Selektion durch rationales Handeln ist, hängt das Überleben in der modernen Gesellschaft von der Anpassungsfähigkeit des Individuums ab. Die Anpassungsleistung wird aber nur an die Zwänge der Gesellschaft gefordert. Der Mensch macht sich selbst zur Funktion des Bestehenden. („Apparat“).
Der Prozess der Anpassung wird dadurch vorsätzlich und totalisiert sich, weil die Selbsterhaltung des Individuums kaum andere Möglichkeiten zulässt.
Der Mensch muss keinen verbindlichen Idealen mehr folgen außer der Selbsterhaltung nach den Regeln des bestehenden Systems. Das Individuum, frei von jeder Mythologie (damit auch von objektiver Vernunft), reagiert damit automatisch nach allgemeinen Mustern der Anpassung.
Der Zuwachs an Freiheit in der modernen Gesellschaft bedingt somit einen Wechsel im Charakter der Freiheit. Die Spontaneität der Individuen (wie sie sich in tausenden Subkulturen strukturieren), wird durch ein Verständnis für den „unsichtbaren Text“ in den Werbebotschaften ersetzt. Der Unterschied zwischen der gesellschaftlichen Integration der Individuen liegt nicht in der kritischen Distanz sondern in der Antizipation des unsichtbaren Textes. Die Subkulturen formen die Individuen zu massenhaften Einzelnen, die sich dieser Anpassungsleistung aber unbewusst erinnern und diese mit den Effekten der Verdinglichung gleichsetzen, diese aber außerhalb ihrer selbst suchen. Die Schuldigen werden durch Verschwörungstheorien bestimmt und mit Projektionen, der sich im inneren ereignenden Anpassungsleistungen, gleichgesetzt.
(Nachzulesen bei: Max Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft; mit bestimmten Einschränkungen: Dieter Prokop: Das fast unmögliche Kunststück der Kritik)

Kritik der Kulturindustrie ist nicht dasselbe wie die konservative Kritik an der Kulturproduktion der USA sondern ist Kritik an jeglicher Kulturproduktion, die sich der Verdinglichung nicht entzieht.
Die USA als Topos der schlechten modernen Kultur, als absolute Verdinglichung des Kulturbetriebs, ist nicht das Argument einer kritischen Theorie der Kulturindustrie, sondern einer konservativen Theorie der Kunst.
Dieselbe konservative Position ist auch diese die, etwa mit Hermann Broch, Moral in die Debatte um Kultur hineinzaubert wo es eindeutig um politische und ökonomische Machtverhältnisse und Interessen geht. Das hineininterpretieren moralischer Problemstellungen in Kulturkritik ist selbst eine Projektion, die die Motive konservativer Kritik deutlich macht. Kultur soll von einer gesellschaftlichen auf eine metaphysische Eben gebracht werden, um ihren kritischen Gehalt zum Schweigen zu bringen oder die kulturpolitischen Verwicklungen des Gesellschaftlichen zu verschleiern. Historisch bleibt darüber hinaus Faktum, dass der Nationalsozialismus ein manifester Bestandteil der europäischen Geschichte ist und eine Auseinandersetzung mit Kunst auch eine historische Perspektive haben muss, um kritisch zu sein. Die bewusste Auseinandersetzung mit Kultur in Europa sollte daher eine bewusste Auseinandersetzung mit der Geschichte ihrer Zerstörung sein.


Kommentare

recht gelungenes interview mit karin fleischanderl zum thema im profil 24/2010.

St.Max · 20.06.2010 12:16 · #

danke st.max

muad'dib · 21.06.2010 11:30 · #

^ dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen — wobei, polemik ist das ja keine, wenn jetzt niemand dagegenhält :)

r. · 21.06.2010 14:53 · #

naja es heisst ja auch im exzerpt “diskussionsgrundlage”. aufhängen kann man sich an den einzelteilen ja sehr gerne. genug angriffsfläche gibts denke ich. polemisch ist es im griechischen sinn als scharfe aufarbeitung eines komplexen sachverhalts der diskussionswürdig ist. streng gesehen muss eine polemik ja nicht verkürzen. hier ist es kurz wegen des platzes … jo eh!

St.Max · 21.06.2010 21:28 · #

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