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Wien ist jetzt anders

von am 13.02.2007 18:52, Rubrik

Und ewig ist die arme Kunst gezwungen
Zu betteln von des Lebens Überfluss

(Grillparzer; Sappho, Vers 276-278)


Wenn man sich erst einmal damit abgefunden hat, dass das Leben Scheiße ist, geht alles sehr viel leichter. Man klagt nicht mehr darüber drei Monate nicht im eigenen Bett geschlafen zu haben, obschon man es in den Wirbeln spürt. Es macht auch nichts mehr aus drei viertel des gestrigen Tages, besonders frühlingsreif, verschlafen zu haben, weil am Vorabend zu spät in die Heia. Aber immerhin mit letzter Überzeugungskraft konnte ich noch ein paar Minuten Sonne erpressen, indem ich mich gewaltsam aus dem Haus gezerrt habe, schnell ums Eck ein paar Kippen kaufen. Die andere Hälfte des Tages habe ich dann damit zugebracht mich vor dem Lernen zu drücken und meine Bücher zu verstecken. Aber ich glaube jetzt hab ich die Grenze schon überschritten. Es wird höchste Zeit!

Alle sind weg, die meisten kommen nicht wieder und Wien wird nicht mehr dasselbe sein, Wien ist jetzt anders.

Seit zwei Wochen tippe ich unentwegt die absurdesten Zahlenkombinationen in mein Handy ein und tingle quer durch Alt und Neubauten, stets ein Lied von den Strokes auf den Lippen (ich bin vom Last Nite Gesinge in der U-Bahn zum It´s Hard to Explain Gejaule umgestiegen), man hat ja sonst nichts zu tun, ausser ein Zuhause zu suchen und seine Nase ständig in Koks und akademisch übersalzene Bücher zu stecken. Von der Metastasianischen opera seria, die mir namentlich Metastasen bereitet zu maßlos überteuerten Kautionen auf irgendwelche Wiener Bruchbuden, die keinen Walzerschritt im 3/4 Takt standhalten könnten, versuche ich die grindige Maniere meiner potentiellen Vermieter und Miertkonkurrenten gefasst zu überspielen. Aber dann war da diese Perle im vierten Wiener Bezirk, schön verrucht und abgetakelt, brökelnder Verputz, aufgeplatzer Linoleum in der Küche und ungeschliffenes Parkett, kautionsfrei und sofort beziehbar, Klasse D – der einzige Haken: Die Bewerber, acht an der Zahl, drängten sich alle gleichzeitig zur Besichtigung. Und unter ihnen diese junge Frau, macht voll einen auf ethnojapanisch, der reinste Yoko Ono Verschnitt, so stilecht mit Brille, dickrandige Fassung und ein Seidentuch um die Schultern geworfen, bringt mich völlig in Rage: “Also dann würd ich aber diese Kredenz rauswerfen, weil Sie müssen wissen, ich habe bereits eine Küche und der Duschvorhang, der geht einfach gar nicht, so betont provinziell gemustert.” sprichts und rahmt das ganze noch mit diesen abschätzig kehligen Lachkaskaden ein. Nur weiter so, mach dich ruhig unbeliebt, die Vermieterin rollt bereits mit den Augen, nicht aus Genuss, versteht sich. Freitag wird der Gewinner bekanntgegeben und ich, ich mach mir erst gar nicht die Mühe zu hoffen. Das erschöpft.

So wie mein aktueller Kontostand, den ich mich nicht traue in nächster Zeit zu warten, weil das Budget in ein paar Monaten bestimmt verwirkt. Das hat man davon, wenn man mit seinen bankomatisch unbegabten Fingern stadtweit diverse Geldautomaten melkt. Einziger Vorteil in diesem Monat, bis dato kein cent an Mietkosten draufgegangen, weil ich mich seit Dezember quer durch die Wohnungen meiner Freunde schmarotze, mich quasi auf WGtauglichkeit prüfe und tatsächlich neue, sehr sozialhygienische Seiten an mir entdeckt habe, nur auf begrenzten Zeitraum, versteht sich. Ganz im Sinne meiner bevorstehenden Prüfung, die eigentlich schon längst überfällig ist, die werte, niemand andern ausser sich selbst zitierende Frau Doktor aber immernoch kein Lebenszeichen von sich gibt. Warum auch, Madame richtet bestimmt schon ihr neues Büro in Konstanz ein, mit Ledersessel und chicker Artemidelampe…(..die Schlampe!). “Wenn Sie soweit sind, dann morsen Sie mir, ich werde die ganze Nacht wachen und gen Himmel blicken.” Dreimal kurz, dreimal lang, nur bitte schnell, sonst wird mir bang! Und sollte ich dennoch “in Ermattung sinken” (um mir schnell was bei Goethe auszuleihen, weils am eigenen Ausdruck krankt), einfach Uni brandschatzen, eine Jungfrau entführen und vor der Defloration im Arkadenhof opfern, pfui jetzt wirds etwas nekrophil. Wer Kannibal Holocaust gesehen hat, kann sich vorstellen wie. Ekelhaft, einfach grauenvoll.

Aber besser so. Gemach, gemach. Es steht noch ein riskantes Wochenende bevor und mein onehin nur rudimentär ausgeprägtes Lernethos wird sich bis auf weiteres gedulden müssen. Wird ihm bestimmt nicht schwerfallen, weil wenn bis jetzt schon so artig latent, wirds der eine oder andre Tag auch nicht mehr ausmachen.

Alle sind weg, die meisten kommen nicht wieder und Wien wird nicht mehr dasselbe sein, Wien ist jetzt anders.

Eigentlich kann ich, wenn ich mal schnell Bilanz ziehe, diesem Jahr noch nichts wirklich Gutes entnehmen. So jung und schon so verdorben, schlägt ganz nach mir. Und dabei hab ich mich so darauf gefreut, bin hopsend nach Wien zurückgekehrt ob der Gewissheit, dass das letzte Jahr versiegt. Habe sogar ohne mich zu sträuben diese grellbunten Büchlein, powerd by Reclam für (immernoch) aktuelle Vo´s und Ko´s beschafft, meinen Trennungsschmerz (Martin, ich scheiß auf Dich!) verdaut, Digestiv, Marke: Monte Negro und dachte schlimmer gehts nimmer. Aber dann: Eine Hiobsbotschaft nach der anderen (ja, Karin, dass trifft nicht zuletzt auf Dich!). Es ist wie es war, das letzte Jahr – ein Flop, aber ich bin guter Dinge, denn es ist wie es ist: Dieses Jahr wird noch viel beschissener!


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