“Bio”, “natürlich”, “zurück zum Ursprung” oder einfach nur “direkt vom Bauern” – adjektive und Eigentschaften die vor allem bei Nahrung momentan “in” sind und vor allem den Absatz und Verkauf steigern – und nebenbei auch noch gesalzenere Preise im Detailverkauf rechtfertigen.
Dabei handelt es sich eigentlich um den selben Vogerlsalat den man auch schon vorher beim Spar oder beim Billa haben konnte, und die “feinen Erbsen vom Marchfeld” wurden vorher auch nicht irgendwo auf dem Mars gezüchtet. Aber das Marketing macht den Unterschied, die akuratere Beschreibung (von zweifellos wortgewandten Textern) macht aus solidem Gemüse “Bio-Eisbergsalat” und aus langweiligen Erdäpfeln “Ja! Natürlich! Bio-Erdäpfel vom Mühlviertel, vorwiegend festkochend”. “Vorwiegend festkochend” hieß früher ja speckig glaube ich, aber das traut sich jetzt nicht mal mehr Hofer auf seine Erdäpfel-2Kg-Netze zu schreiben – der Discounter der ja als Marketingkonzept möglichst billig wirken will, mit obskuren Großpackungen auf langen, fast endlosen von kaltem Neonlicht beleuchteten Regalen – erfand vor kurzem die Bio-Hausmarke “Zurück zum Ursprung” mit Butter von Kitzbüheler Bauern und Milch aus dem Salzkammergut – beide eher bekannt als nobel-Tourismusdestinationen, denn wegen ihrer Milchbetriebe, aber ich glaube es ging Hofer hier mehr um den klingenden Namen. Und als kleinen Nebeneffekt können sich jetzt alle Hofer-Kunden buchstäblich das einverleiben was ihnen sonst vorenthalten wird. Denn welcher AMS-Kunde war den schon jemals im Salzkammergut im Urlaub oder auf Stippvisite in Kitz? … aber ich schweife ab.
Was in Supermärkten gerade anläuft wurde schon vor geraumer Zeit von der Modebranche erfunden. Roland Barthes beschreibt was er “Fashion System” nennt als das gezielte einsetzten von Adjektiven. Ein Rock bleibt ein Rock und ein Sakko ist ein Sakko, und ein Hemd kann auch nächste Saison getragen werden – damit man aber jedes Jahr eine neues Hemd, eine neue Hose und einen eigentlich völlig überflüssigen Rock verkauft (der alte zerfällt ja nicht automatisch zu Staub sobald die neue Kollektion im nächsten Frühjahr herauskommt) erfindet der gewitzte Modeschöpfer und die Textilindustrie adjektive zu den Röcken, Hosen und Hemden. Besitzt man also ein “kariertes Flanell-Hemd” ist man demodé wenn gerade also “gestreifte Seiden-Hemden” in Mode sind, und man muss ein neues Hemd kaufen.
Ernährt man sich also immer noch von schlichtem Blattsalat, sollte man schnellstens auf “Ja! Natürlich! Bio-Ruccola” umsteigen – wobei vielleicht bald der BILLA “Hausverstand” suggerieren könnte der “Meine Zehn” Vogerlsalat ist eigentlich doch besser. Jedenfalls hat besagter BILLA Hausverstand ja schließlich öffentlich im Fersehen (zwar nur im Werbeblock, aber immerhin) dekretiert: “Echte Schnäppchen gibt es nicht!”. Die Konkurrenz belügt den (potentiellen) BILLA Kunden mit Lockangeboten. Besser einfach nicht mehr auf den Preis schauen und nur das Beste (also nicht das billige Zeugs) bei BILLA einkaufen.
Die Gastronomie hat den Trend auch erkannt und holt bereits auf. Früher gab es ja “Hausmannskost” und Kaisersemmeln am Wirtshaustisch. Feiertags vielleich auch mal ein Wiener Schnitzel mit Reis und Preiselbeermarmelade. Heute gibt es “moderne traditionelle Küche” (sic!), also prinzipiell alte Bauerngerichte mit verbessertem Wording und kuriosen Beilagen die altbekanntes eigentlich nur ein bisserl aufpeppen sollen. Wie zum Beispiel Rinderfilet und Chicorée mit Sauce Béarnaise überbacken – und auf den Semmeln im Brotkorb sind jetzt dezent Sesamkörner gestreut.
Neben Bio gibt es naturgemäß auch Fair-Trade. Was nämlich ungiftig und umweltschonend angebaut wird, sollte dann wohl auch nicht asozial und zu einem angemessenen Preis weiterverkauft werden. Ungefähr zu der Zeit als sich Menschen tatsächlich noch überzeugt zwischen Kröten und Autos stellten und man sich für den Urwald interessierte und das “Klimabündnis” blauäugig auf das Fiasko von Kioto hinarbeitete wurde in unseren Breiten der erste “Weltladen” eröffnet. Damals hieß er übrigens noch “Dritte-Welt-Laden” was sich dann irgendwann geändert wurde – vielleicht weil die Bezeichnung politisch nicht so korrekt war, oder tatsächlich unangebracht weil die meisten Waren hauptsächlich aus Schwellenländern importiert wurden. Neben dem traditionellen “Welt-Laden” gibt es nun seit knapp zwei Jahren das “Welt-Kafé” in Wien, gleich neben dem Unicampus. Das Lokal wird von zwei findigen Südtirolern geführt die geschickt eine Marktlücke für sich gefunden haben. Ein weiteres “normales” Kaffeehaus oder Studentenbeisl wäre wohl nicht weiter beachtet worden und hätte nicht gleich viel Publikum angezogen wie ein “Welt-Kafé” in dem ausschließlich Fair-Trade Produkte für den Gastronomiebetrieb benutzt werden. Bei all der Fairness bleiben oft die Studentenpreise auf der Strecke, aber wer ins Welt-Café geht, tut dies ohnehin aus Überzeugung. Wer billig essen will kann ja in die kommerzielle “Mensa – die kulinarische Fakultät” gehen. Oder zur Mensa der Katholischen Hochschülerschaft – aber ich glaube wohl dazu sollte man wenigstens katholisch sein. Das Welt-Café ist ein Betrieb und auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Es ist gleichzeitig der Treffpunkt der “alternativen”, globalisirungskritischen Szene, von Studenten gleichermaßen wie von hippen, urbanen Menschen die fair gehandelten peruanischen Kaffee besser als den im Segafredo oder Testa Rossa Kaffee finden. Das Konzept an und für sich ist ja toll, vor allem weil es gesellschaftliche Antipoden – hier die barfüßigen Rastamädchen, dort die glattgeleckten Anwaltprkatikanten frisch von der WU – zusammenbringt. Sauer schlägt allerdings auf, daß die Kellner und Angstellten im fairen Welt-Café nicht fairer (sprich besser) bezahlt werden als in anderen, “normalen” Gastbetrieben. Genauso wie BILLA, Hofer und der Plachutta am Graben bedient das Welt-Café auch nur einen Markt und präsentiert sich durch Werbung, Branding und wording attraktiv für seine Zielgruppe – ist und bleibt aber ein gewinnorientiertes Unternehmen. Und dabei bleibt die Fairness halt gezwungenermaßen auf der Strecke.