Weil ich diesen Sommer nicht urlauben kann, reise ich einfach in die Vergangenheit und labe mich ein wenig an den Orten, an denen ich mich so herumgetrieben habe. Ein ganz besonderes Plätzchen davon war Kreta.
Abseits von der touristenumschwärmten Ägais, die im Allinklusive-Sud der Reisegesellschaften versinkt, hat die Insel ein etwas anderes Fluidum. Das liegt nicht zuletzt an ihrer geographischen und historischen Größe. Die Minoer haben hier vor knapp 6000 Jahren schon Kultur (mit)definiert und ein wenig früher in der Unendlichkeit hat die Tiatnin Rhea ihren Sprößling Zeus in der Höhle von Psychro am Fuße des Idagebirges abgelegt, um ihn vor seinem kannibalistischen Vater Kronos zu bewahren. Dieser war ein klassich paranoider Herrscher, der nichts mehr fürchtete als seinen Machtverlust. Immerhin hatte er seinen Erzeuger Uranos – die erste Mannsgestalt im Ordo – brutal entmachtet (Kastration und dergleichen, man lese bei Kohlmeier nach) und fürchtete von nun an seine Kinder würden es ihm gleichtun. Warum er dann so viele von ihnen produzierte, sei dahin gestellt. Vielleicht haben sie ihm gut geschmeckt – die göttlichen Nachkommen. Sowie glibberige Götterspeise. Einzig und allein Zeus blieb sein gieriger Schlund erspart. Und weil der sich von seiner eltrelichen Vormacht nicht unterbuttern ließ, hat er prompt nach alter Familientradition den Vater ums Eck gebracht. Vorher ließ er ihn natürlich all seine Geschwister auskotzen, um sich dann mit seiner Schwester Hera dem divinen Inzest auf dem Olymp hinzugeben. Die Goetter in ihrem ewigen Bestand.
Über Knossos, der riesigen Palastanlage unweit von Heraklion, hat dann Konig Minos, Sohn der Europa und des Zeus geherrscht. So formuliert es zumindest Homer. Und der hat aus hellenischer Sicht bestimmt auch Recht. Dass die Minoer und die Griechen eine kulturelle Schnittmenge hatten, ist durch archäologische Funde in der Nachpalastperiode von Knossos erwiesen. Die Tragweite ihrer Herrscherkorrespondenz bleibt jedoch weiterhin im Dunkeln. Wahrscheinlich gab es da so zwei Fronten. Ich glaube ja auch ganz fest und unarchäologisch daran, dass die bösen Griechen die mionische Kultur vollständig ausgerottet haben und dann einschlägige Zeugnisse ihrer Hinterlassenschaft zu nichte gemacht haben. Aus purem Neid versteht sich. Das ist natürlich Humbug, aber der perfekte Stoff für eines dieser Theaterstücke, die neue Gesetze und Weltordungen postulieren (Stichwort Aischylos). Doch das lassen wir mal außen vor. Jedenfalls wird Knossos eine Verbindung mit dem beruechtigten Minotaurus, einem Mischwesen aus Mensch und Stier nachgesagt. Er sei der Mythologie nach das Produkt der zoophilen Paersiphanae, Gemahlin des Minos, die sich mit einem Stier vereinigte, den der Koenig nicht Poseidon opfern wollte. Das war natuerlich alles ein Racheakt des Meeresgottes wegen des fehlendem Opfers. Und weil Minos auf Bitten seiner Tochter Ariadne, das grausige Unwesen vorm Tode verschonte, baute ihm Daedalus ein Labyrinth in den Palast, um das Tier zu kerkern.
An dieser Stelle muss ich, ich kanns schwer unterdruecken an unseren Zimmerkumpanen auf Kreta denken, eine Kakerlake. Die blatta orientlais in all ihrer Graesslichkeit. Selten ein derart scheussliches Lebewesen gesichtet. Der Koerper war in zwei sonderbare Haelften geteilt, die obere bedeutend groesser und hart verpanzert. Dazu war der Panzer mit zwei Fluegeln beschichtet mit denen sie nicht Fliegen konnte, sie konnte sie noch nicht mal bewegen. Die untere Haelfte hatte Aehnlichkeit mit einem offenen Bruskorb aus dem die Arme herauswachsen. So kahl, als haette ihm jemand das Fleisch abgenagt, wie verwest sah es aus, vom Rumpf abwaerts. Nur noch einzelne ueberkreuzte Rippen (mit denen sie sich bewgte). Und das alles war mit einer Farbe ueberzogen, die so ein bisschen an Scheisse erinnerte. Egal was wir auch unternahmen, wir konnten sie weder fangen noch toeten, geschweige denn mit freiem Blick ansehen.
Ein Tier, das mit der Schoenheit Kretas so gar nicht mithalten kann. Wohl aber mit dem gesondert goettlichen der Insel. Kakerlaken sind die wohl einzigsten Tiere, die in der Lage sind, unversehrt einer atomaren Explosion beizuwohnen. So was besagen zumindest die zufaellig im Bikini/Atoll mitgetesteten Schabentiere. Da kann sie durchaus mithalten, wenns um Unverwundbarkeit geht. Nicht totzukriegen, ein flinker Evolutionaer. Und die Goetter, die koennen zwar fliegen, sind aber bei naturwissenschaftlichen Tests, die immer ein wenig was mit Rationalitaet zu tun haben, stets der Reihe nach durchgefallen.