rss-feed RSS Feed
Share on Facebook Share on Facebook
weitersagen Share on Twitter
Bookmark on Delicious Bookmark
Share this post at StumbleUpon StumbleUpon
drucken Diese Seite drucken

Rubriken:

Der nette Mann von neben an.

von am 23.07.2008 17:28, Rubrik

Laengst schon obsolet….


Eine Meldung die unweigerlich seinesgleichen sucht. Ueber einen Mann der zwar ein spezieller, aber nicht der erste seiner Sorte ist. Fuer die einen ist der Mann bedeutender als die Meldung, fuer die anderen die Meldung bedeutender als der Mann. Zwei Seiten, zwei Welten. Und in der Mitte ein gewisser Professor fuer alternative Medizin und Heilkunde.

In den dreizehn Jahren seiner Taetigkeit versuchte er immer wieder die Geheimnisse gesunden Lebens, also wie man richtig lebt an den Mensch zu bringen, stand mit Rat und Tat seinen Anhaengern zur Hand und tingelte quer durch ganz Serbien, um sein prophetisches Potential auch ordentlich abzulegen. Mit schloweissem Bart, der ihm bis unter die Schultern reichte und einem zugegeben sympathisch-greisem Opa-Naturelle, hatte der eigentlich als Kriegsverbrecher gesuchte R. K. es geschafft eine ganze Nation zu taeuschen und die westlichen Spezialeinheiten vollends zu blamieren. Wer haette wohl hinter dem netten Mann von neben an, die allseits gesuchte Bestie vermeint…

Und darin schlummert genau das Problem, das nieendenwollende vom Nichtwahrhabenwollen. Serben und Oesterreicher leiden daran chronisch. Strachisten wie Ultranationalisten. Unglaublich wie non chalant ein derart verfemter Mann so ungeniert am Leben derer teilnehmen konnte, an dessen Zerstoerung er nicht nur nicht ganz unbeteiligt, sondern aktiv mitgewirkt hatte, mit all dem Drumherum. Denn in erster Linie hat Karadzic, und das jetzt eine Binsenweisheit, nicht nur muslimischen Lansmaennern geschadet, sondern eben auch den seinen, den Serben selbst. Als Wiedergutmachung koennte man, so man dem boesartigen Sarkasmus, der sich hier foermlich anbietet standhaelt, sagen er haette mit seinem chlorophyllen Schnickschnack, das sich sophisticated alternative Medizin schimpft, das ganze genozide Gehabe etwas aufwiegen wollen. So was machen wir aber nicht. Vielmehr waer es an der Zeit endlich aufzuraeumen mit dem ausgelutschten Mythos vom netten Mann von neben an.

Erstens ist Karadzic nicht nett, sondern ein charismatischer Phrasendrescher, ein Demagoge sondergleichen mit panslavistischem Groessenwahn. Geschickt hat er sich seinerzeit in die Koepfe der Menschen plaziert und von dort aus seine Ziele von Grosserbien verfolgt. Erreicht hat er selbige freilich nicht. Seine Hinterlassenschaft -eine Blutspur quer durch den Balkan und ein auf die Groesse einer Walnuss schrumpfendes Serbien. Das macht kein netter Mann von neben an. Der nette Mann von neben an schlurft sonntags mit dem Pyjama gemächlich durch den Garten oder neckt die Nachbarskinder ob ihrer Unersaettlichkeit fuer Süßstoff und dergleichen. Ein freundlicher Mensch, der sowohl Muell als auch Gut und Böse trennen kann, kurz ein braver Bürger mit Schrullen und Moral. So zumindest das Bild von ihm.

Im netten Mann von neben an steckt aber auch gleichsam die Negation dessen, was er zu sein vorgibt. In diesen Sprachbildern wird für gewöhnlich nur dann gespochen, wenn man das eigentlich schlechte, das faulige der menschlichen Natur freizulegen sucht. Eine fast schon allegorisch geeichte Antithese, der es weder an Ironie noch Wahrhaftigkeit mangelt. Trotzdem muss sich besagter Ausdruck einen Einwand gefallen lassen. Der Ironie wird bekanntlich ein Hang zur Ueberzeichnung nachgesagt. Wenn wir davon ausgehen naemlich, das der nette Mann von neben an einer wie wir ist, müssen wir, wenn wir formal logisch urteilen, auch davon ausgehen, dass derartiges Potential auch in uns steckt. Das ist nur bedingt zutreffend, eben ein wenig übertrieben. Selbstredend hält sich nicht jeder Thujonheckenliebhaber eine Zweitfamilie im Keller sowie nicht jeder Serbe die Dispositionen eines Kriegsverbrechers in sich trägt (auch wenn der Spruch “Jeder Serbe ist Radovan” von hiesigen Radikalen das Gegegenteil behauptet). Denn da gibt es so was, das nennt sich freier Wille. Die Wahl sich fürr etwas zu entscheiden. Will ich lieber Vanille oder Schokolade. Essen kann ich freilich beides, das ist für unser Problem jedoch unerheblich. Die Frage ist was mir besser schmeckt. Das muss jeder mit selbst ausmachen. Problematisch wird es nur dann, wenn das andere für uns übernehmen und wir deren Entscheidungen nicht hinterfragen. Da hat man sichs dann besonders leicht gemacht und man darf die Schuld getrost auf andere schieben. Ein Kollateralschaden, der jetzt aber etwas zu exkursiv anmutet.

Bleiben wir in Serbien. Hier sind auch immer die anderen Schuld. Vor allem der böse Westen oder was halt grad so anfällt. Hauptsache ein Feindbild. Immerhin sind es die anderen, die dem Land virtuelle Nationalismen eingeimpft haben. Es sind die ausländischen Medien, die aufbauschen. Serbien ist längst demokratisch, wurde ja gewählt im Mai. Die Altlasten ueberwunden. Warum dann die vielen Kontroversen um Radovan Karadzic? Lange Zeit ein still dahindümpelndes Problem, gewinnt es durch seine Festnahme wieder Kontur. Großdemonstationen und Straßenschlachten von ausgerechnet denen, die zu Radovans Zeiten noch in den Windeln lagen und niemand der ihnen Paroli bietet. Im Gegenteil, eine fast schon gönnerhafte Solidarisierung von Seiten derer, die sich eigentlich ein Serbien in Europa wünschen und nicht die Isolation. Sie können es ja verstehen warum und so… Das sind jene die sich nicht entscheiden koennen, die einen perfiden Opportunismus verfolgen und Helfern sowie Gegnern höflichst die Tuer aufhalten. Die zwar demokratisch gewaehlt haben, aber es zulassen, das die DSS wieder mit der sozialistischen, der ehemaligen Partei von Slobodan Milosevic (!) koaliert und gemuetlich im Parlament Platz nimmt.

Es scheint als habe sich die Mehrheit des Landes im Fall Karadzic entschieden. Der nette Mann von neben an, der alle taeuschen konnte ist ein sympathisches Genie. Wie haette er sonst so ungetarnt auf belebten Plaetzen flanieren koennen und Kongresse ueber Lebensheilkunde halten können. Keine Frage, kongenial. Bezeichnenderweise ist er unter dem Bart, den man ihm mittlerweile abgenommen hat nicht um ein Jahr gealtert, hat ihn gut gepökelt das Teil. Er ist wieder da und war nie wirklich weg.


Kommentare

Akupunktur wird mir das warten auf das second instalment moirgen erleichtern ;-)

wann bist du denn wieder in wien?

r. · 23.07.2008 19:37 · #

Am Montag hat mich Wien wieder….

Ana · 25.07.2008 19:09 · #

… oder morgen hast du Wien wider ;-)

– frei nach cäsar :-)

r. · 25.07.2008 19:36 · #

|