Dieses sich blauäugig Bekennen zu Volkstum (und implizit als Partei/Parteijugend also aktive Volkstumspolitik zu betreiben) ist vielleicht sogar zwei Stufen schlimmer als das offensichtlich versehentlich in die Leitbildbroschüre gerutschte Hakenkreuz.
Ich will der SVP — oder gewissen Kreisen der SVP, vor allem im Unterland — nicht unterstellen sie hätte eine gewisse Affinität zu Neonazistischen, ewiggestrigem Gedankengut; was mich mehr ärgert und entrüstet ist die leichtfüßigkeit und unreflektierte Art und Weise wie man offensichtlich gewisse Schlagworte — und manchmal implizit gewisse Geisteshaltungen und Doktrinen — übernimmt und in den politischen Diskurs einfließen lässt. Nicht mal die offen radikal-rechte FPÖ spricht von Volkstum. H.C. Straches “Daham statt Islam”-Plakate oder Frau Rosenkranz’s Kommentare zur angeblichen Gebärfreudigkeit von Türkinnen und der Apell an “österreichische Frauen” die Karriere aufzuschieben und stattdessen möglichst viele Kinder gegen die “Überfremdung” zu produzieren sind zwar hart an der Schmerzgrenze, nur selten aber haben es die österreichischen Parteien am Rechten Rand gewagt Naziparolen und von Göbbels geprägt Begriffe in ihr Parteiprogramm aufzunehmen.
Aber bei der JG der SVP ist es nicht nur das Wording, es ist auch die Bildersprache der man sich — im Gegensatz zum Hakenkreuz im ersten Bild — bewusst bedient. Die SVP ist jetzt auf den ersten Blick nicht mehr von den sog. “patridiotischen” Parteien der deutschen Opposition zu unterscheiden. Als Kunsthistoriker kann ich mir eine kurze Bildanalyse nicht verkneifen —
Beginnen wir mit den vorherrschenden Farben in diesem Bild: rot, weiß, brauntöne und etwas schwarz. Die Farbpalette ist minimalistisch, weiß überwiegt, mit rot sind Higlights gesetzt. Überhaupt sind rot und weiß die “Nationalfarben” (sic!) Südtirols – braun transportiert “Erdigkeit”, bodenständigkeit, eine gewisse Wärme — irgendwie suggerieren die Brauntöne eine gewisse Patina die wiederum Vertrautheit im Betrachter weckt.
Behalten wir diese Farbenanalyse im Hinterkopf und begeben wir uns auf die inhaltliche Ebene, bzw schauen wir mal was die JG ins Bild setzt, und wie. Auf den Text — der ersten Ebene — bin ich schon eingegangen, ohne ihn aber mit dem Bildinhalt in Verbindung zu setzen. Das will ich jetzt nachholen. “Volkstum” in fetten, roten Lettern ist also quasi die Bildüberschrift, ein zweites hervorgehobenes Thema ist “Identität” und die Bewahrung derselben. Die vorherrschenden Farben rot und weiß machen es unmissverständlich welche Identität zu bewahren es gilt, und das Modell im Bild (es hat sogar einen Namen, ist männlich und wir kennen neben seinen Namen auch seinen Wohnort: Tramin. Now that rings a bell!) zeigt uns quasi als angewandtes Beispiel wie diese Identität auszusehen hat. Das Modell ist unser (bzw des Betrachters oder der Betrachterin) Vorbild, dieses Vorbild hat aber selber ein Vorbild: eine Wahlwerbung der SVP aus den Gründerjahren der Partei. Ein strammer (Süd)Tiroler in minimalistischer Tracht steht hinter seiner Frau/Freundin/Schwester/weiblicher (Süd)Tirolerin in ebenso traditioneller Tracht und deutet mit seinem gestählten muskulösen Arm auf das SVP-Parteisymbol neben dem in Blockbuchstaben und mit Ausrufezeichen der Befehl die Parole ausgegeben wird die SVP zu wählen. Nun hat sich seit der Gründung der SVP in Südtirol (auch dank der Arbeit und Mitarbeit der SVP) so einiges verändert. Ok, es gab einen kleinen Rückschritt in den 60’er und 70’er Jahren der hauptsächlich auf das Konto der “Südtiroler Bumser” ging, aber seit den 80’er Jahren und nach dem Abschluss des Pakets, der Autonomie und den ersten, zaghaften Schritten hin zu einem post-ethnischen Südtirol in der ersten Jahren der 2000’er wurde das Vergeigte wieder aufgeholt. Aber davon sieht man in dieser Wahlwerbung nix. Eher im Gegenteil. Vor allem wenn man die Statements zum Thema “Integration und Einwanderung” ein paar Seiten weiter im Leitbild der JG liest… aber ich schweife ab. Zurück zum Bild das besprochen wird:
Es fallen Details an den beiden gezeichneten Figuren auf, die sich in ihrer modernen Reinkarnation wieder finden: die betonte Männlichkeit, die Lederhosen, das offene Hemd und das Goldkettchen mit Kreuzanhänger. Die moderne Reinkarnation hat keine Frau an seiner Seite die er beschützen müsste, er hat keine blonden, zurückgekämmten Haare sondern stylisch zerzaustes dunkles Haar, eine Brille und deutlich weniger Muskeln als sein gemaltes Vorbild aus den 50’ern. Was dieses aber nicht hatte ist das Eichenlaub auf dem Frontteil der Lederhose — aber das ist bestimmt auch nur Zufall wie das Hakenkreuz am Umschlag.