Wenn ich wo sein wollte, wärs Kaltern. Am See. Mit Nati, Eve und Michi. Unser Bierglas stemmt feuchte Ringe auf das kobaltfarbene Spitzenmillet und wir blicken seitwärts zu den dümpelnden Tretbooten. In ihrem ausgewaschenen Rot schlingern sie dahin über den leicht begrünten Wasserteint. Strand und Cafeterrasse sind voller Menschen in hellen, kurzen Blousons. Und natürlich zu Tisch: Die Neckermannbusreisengesellschaft. Sitzt weiß besockt im Seniorenreigen um einen Eisbecher, üppiges Sahnehäubchen obendrauf, flockig garniet zu pinker Cocktailkirsche. Fernweh eingepökelt in beigen Gesundheitslatschen. Immer schön mit Reiseleiter und Kukident.
Unser Lächeln ist schon ganz verschwitzt wie wir den Rauch aus den Zigaretten saugen, stegseitig räkelt sich Bauchfreies im Bermudas und auf der Wiese grast der pomadige Latin Lover Verschnitt mit schwarz gefasster Ray Ban. Sitzt da mit rasierter Brust, macht voll auf Surfer, ein in der Wolle gefärbter Muckimann. Geniesst das leicht beschürzte Panorama im Bikini. Lecker Aussichten: In Kabine und Kulinarium. Bruschettaschwaden dampfen aus dem Seerestau, verlassen die Küche auf einem Tablett, geschultert von allerhand Kellnern. Eine junge Dame gähnt uferseitig in die Sonne, ihr Freund in ein fremdes Dekollettee. Maritime Gelassenheit in schulterfreiem Outfit.
Das Leben ist leicht wie ein Eistee. Abgekühlt. Süß und klebrig.
Die Erinnerung verdunstet auf kahlen Backsteinfassaden, die jede grüne Wiese rasieren. Ich sitze im vorstädtischen Tetrapack einer Wohnsiedlung, fröhlich aluminiert im desolaten Ruhrgebiet. Cafeterrassen gibts hier auch, aber in Einkaufszentren, nicht als open air, versteht sich. Und wenn, dann eingehüllt im Smogaroma der Fabriken, die ständig aufstocken. Überall Arbeiter. Kaputtgewerkte Menschen, ein getrimmtes Völkechen hier. Fallobst, Gesellschaft ohne Neckermannbus. Ich will mein Ticket für Heimweh einlösen, aber meine Finger sind ganz taub, blutleer in peripherer Leichenstarre und die Schalter alle geschlossen.
Das Leben ist schwer wie Beton. Bitter und ausgebrannt.
Zum Glück sind die Notausgänge abgesperrt, ein Zitat aus meinem Traum.