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Die Pietà und der Tod

von am 19.11.2007 18:45, Rubrik Welt

Ich beginne meine Mitarbeit hier mit einer kleinen Interpretation der Pietà von Michelangero Buonarroti. Es geht mir darin um die Auseinandersetzung mit dem Tod.


Ich beginne meine Mitarbeit hier mit einer kleinen Interpretation der Pietà von Michelangero Buonarroti. Es geht mir darin um die Auseinandersetzung mit dem Tod.
Ich mag die Skulptur, weil sie eine Art sonderbarer, resignerter Ruhe ausstrahlt. Gewöhnlich sind Darstellungen dieser Szene immer gezeichnet von Leid, Tod und Trauer. Der Gesichtsausdruck von Jesus und/oder Maria ist meist in qualvollem körperlichen und seelischem Schmerz verzerrt. Darin spiegelt sich das gesamte erfahrene Leid wieder und so war es auch stets beabsichtigt. Es ist der ultimative Ausdruck des erfahrenen Leids Jesu, stellvertretend für alles Leid und alle Sünden der Welt, für die er gesühnt hat. Nun nehme man die Pietà von Michelangelo etwas genauer in Augenschein. Hier gibt es keine Qual, keinen Schmerz, kein Leid; nur Ruhe. Man kann es geradezu vor sich sehen: Maria hält den toten Leichnam ihres Sohnes und rundherum um sie ist alles still. Kein Vogelzwitschern, kein Windrauschen, gar nichts. Ein kurzer Moment, an dem alles still steht und die ganze Welt inne hält. Es ist ein Moment tiefster Seelenruhe. Diese Ruhe entspringt einer grausamen Resignation. Jesus ist tot. Er hat sein Schicksal erfüllt und wird auferstehen und sie weiß das (ich schreibe das jetzt vom Standpunkt des religiös-ideologischen Umfelds, in dem die Plastik entstanden ist, nicht von meiner persönlichen Überzeugung aus) aber trotzdem ist ihr Sohn tot.
Es ist keine friedliche Ruhe. Der Gedanke, den ihr Gesichtsausdruck wiederspiegelt ist nicht “jetzt ist es überstanden”, kein Triumph über den Tod, sondern im Gegenteil ein fatalistischer Seufzer der Resignation: “Jetzt hat der Tod letztlich doch gesiegt”. Es ist eine sehr grausame Erkenntnis. Vielleicht hat Maria den Zeitpunkt, an dem alle Qualen über sie hereinbrechen schon hinter sich und die Trauer hat sie erschöpft, so dass sie nicht mehr zur Wehklage fähig ist vor Erschöpfung. Vielleicht ist der Schock des Verlustes noch zu groß und ihre Trauer wird erst noch in ihrer Gänze über sie hinwegschwemmen. Man weiß es nicht und es scheint auch nicht wirklich wichtig, ob ihr die Seelenqual noch bevorsteht oder schon hinter ihr liegt. Die Vergangenheit ist nicht mehr existent und die Zukunft ist es noch nicht. Was existent ist, ist das Gegenwärtige: Der Tod. Die letzte und unleugbare Wahrheit und letztlich die ultimative Niederlage. Indem sie all dies hinnimmt und sich dem Schicksal (nicht im Sinn eines vorbestimmten Schicksal, sondern im Sinne von Dingen, auf die der Mensch keinen Einfluss hat) ergibt, gelangt sie zu einer inneren Ruhe. Es ist natürlich ein Fatalismus, aber einer, der der Seele eine gewisse Ruhe zu schenken vermag. Die bittere Einsicht, dass alle Hoffnung vergebens war, lässt sie – zumindest für einen kurzen Moment – unerschütterlich und ruhig werden. Man merkt, ich hab’s grad ein wenig mit dem Stoizismus.
Man beachte auch die Haltung der (vom Betrachter aus) rechten Hand. Eine etwas verwunderliche Geste, oder doch nicht? Es sieht fast so aus, als würde sie die Hand resignierend heben, so als wolle sie ausdrücken: “Tja, was soll ich machen, er ist tot”. Auch der andere Arm ist etwas ungewöhnlich. Sie klammert sich nicht in Trauer und Verlust an den Leichnam ihres Sohnes, sondern hält ihn beinahe friedlich im Arm, so als würde er schlafen. So wirkt auch der Gesichtsausdruck von Jesus; nicht gequält oder schmerzerfüllt, sondern im Gegenteil: Friedlich und sanft scheint er zu schlafen.

So, jetzt fühle ich mich ein klein wenig emo…


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