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Sommer, Sonne, Strand

von am 11.05.2009 17:32, Rubrik philosophisches-politisches

Der Sommer zeigt sich gerade von seiner besten Seite. Österreich nicht. Schwarz maskiert erschien die österreichische Realität bei der Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee in Oberösterreich. Vermummte Neonazis störten die Feierlichkeiten.


Bedenklich stimmt, das immer selbstbewusstere Auftreten Rechtsradikaler, bisher die wenigsten politisch Verantwortlichen. Schmerzgrenze kennt das gesunde Volksempfinden in dieser Angelegenheit nicht, die wahren Feinde kommen ohnehin von Außerhalb. Dass Geschichte sich nicht wiederholt, wissen auch die fantasiebegabtesten Neonazis. Umso wichtiger wird den Mörderkindern die Abschaffung historischer Tatsachen. Henryk Broder nannte dies bereits in den 80er Jahren sehr genau beim Namen: „Die Entsorgung der Vergangenheit – oder Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich natürlich ist.“ (Broder 1986: 23) Hier charakterisiert sich sowohl Mittel als auch Zweck der Normalisierungsversuche von Rechts. Akzeptanz für scheinbar kritische Einstellungen, das scheinbar uneigennützige Hinterfragen von Missständen, wird ideologisch (und mörderisch), wo seine Wahrheit allein im Willen zur Wiederholung der Geschichte liegt. Detlev Claussen schreibt: „Der Wert des Antisemitismus für die Ideologiebildung besteht in seiner Fähigkeit, die disparaten Wahrnehmungen zu einem System zu gestalten[;]“. (Claussen 2005: 175) Alles was sich ohne diesen Achsenpunkt nicht in ein Weltbild integrieren ließe kann mit ihm von einem einzelnen Punkt aus begriffen werden. Dabei richten sich unter der milden Sommersonne die unterschiedlichsten politischen Strömungen innerhalb der ähnlichsten Ressentiments ein und finden sich, entgegen ihrer imaginierten politischen Unterschiede, auf derselben Seite wieder.
Dieses Residuum österreichischer Geschichte offenbart sich am Strand. Mitten in Wien eröffnet ein Strand und es wird politisch. Genaues lässt sich vorerst nicht sagen, denn diejenigen die im Namen des Antiimperialismus auf die Strasse gehen, unterscheiden sich von den Vermummten nur unscharf. Die Aktion „Tel Aviv sonnt sich am Beach – Gaza beweint seine Toten!“ [hier nachzulesen (Stand: 11.5.09)], versucht auf das Leiden der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten aufmerksam zu machen und spricht damit, völlig zu Recht, ein Thema an, das kritisch behandelt werden müsste. Leider verkommt im Rahmen eines absurden Protestes gegen eine Gastronomie-Veranstaltung dieses Thema zum Schautanz völlig unkritischer Agitation. Die Unterschiede zwischen den beiden Ereignissen sind groß und doch sind die Gemeinsamkeiten unübersehbar. Wo die einen stören um den Juden generell das Existenzrecht abzusprechen, stören die anderen um es Israel zu nehmen. Broder ist auf der richtigen Fährte wenn er schreibt: „Israels Existenzrecht ist nicht so selbstverständlich wie das von Dänemark, Italien oder Gambia, es nicht mal wie bei Südafrika, an die Herstellung bestimmter Konditionen gebunden, es ist schlicht ein Recht auf Widerruf.“ (Broder 1986: 284)
Solidarität mit leidenden Menschen darf sich nicht, im antiimperialistischen Furor, zum Instrument der rechtsradikalen Ideologen in Österreich machen lassen. Die Kritik des Leidens darf nicht zur Affirmation von faschistischen Organisationen werden, die es auch außerhalb Österreichs zur Genüge gibt. Der Sommer wird auch so schon heiß genug.

Broder, Henryk M.: Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, Frankfurt 1986.
Claussen, Detlev: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, Frankfurt 2005.


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