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Stadtstich

von am 19.09.2008 17:08, Rubrik Leben

in Bronze


Eigentlich ist hier alles ganz normal, die Luft ist zwar etwas versmogter und an manchen Stellen fehlt plötzlich ein Stückchen Stadt, aber ansonsten ist hier alles ganz normal. Auf den Bänken siechen ein paar Schnapsleichen, die Kanalisation mieft nach rektalem Auswurf oder beißend nach Natronlauge, die Ladenbesitzer eimerweise unter die Stadt spülen, eben genau wie anderswo auch. Im Park liegt ein Pärchen auf der Wiese und etwas Kot, diesmal vielleicht Hundekot, daneben eine Prominenz aus Gußeisen, ätere Frauen im Selbstgespräch und über den Mülleimern naturgemäß Essigmückenwolken. Ein ganz gewöhnlicher Park eben, ein Gemeinplatz.

Darauf tummelt sich ganz schön viel. Das Pärchen hält sich in den Armen und zwischen den Beinen. Die jungen Triebe, um die sie die älteren beneiden. Nicht weil die Alten keine mehr haben. Bei den Alten ist es dasselbe – nur anders. Die einen kriegen keinen mehr ab, die anderen keinen mehr hoch. Aber dafür bleibt eine
gewisse Treibkraft. Das Leben der Alten spielt sich ganz oder nur mehr auf Rädern ab. Rollstühle und Gehilfen auf Stützrädern und Essen auf Rädern. Mit einem Mal ist alles selbstfahrend und das Leben ist von vorn gesehen nur noch Erinnerung. Und diese nicht gerade lückenlos. Wie ein verschleißtes Gebiss, das man in Kukident einlegt und das reden kann. Die abendliche Munddusche ist ein Ritual. Von dem was bleibt, ist nichts dem Zufall überlassen und nichts dem Verfall. Da wird konserviert. Formalin den Toten, Gusseisen, den Unsterblichen. Probeweise mit Pferd. Wenn das Pferd beide Beine hebt, ist der Kreiger in der Schlacht gefallen. Hebt es nur ein Bein, ist er seinen Wunden erlegen und stehen beide Füße auf der Erde, dann hat ihn der natürliche Tot gnädigst dahingerafft.

Und wenn der Hund im Park ein Bein hebt, wird gepinkelt und wenn das ein Herrchen tut, mit beiden Beinen auf der Erde. Einige machens im Sitzen und das ist dann manchmal ganz schön beschissen. Und und und. Hauptsache die Leute kennen sich aus. Sie wissen ja wo sie sind. Zum Problem wird das nur, wenn sie wegwollen. Aber wer will denn schon weg von hier. Raus aus den guten alten Zeiten? Am liebsten immer jung. Der wird ewig alt sein der Spruch. So ist das unter Menschen. So kann man sich das vorstellen (muss man aber nicht).

Das Alter hat zum größten Feind sich selbst. Es kämpft immer gegen sich an für seinen Bestand. Ein bisschen selbstzerstörerisch ist das schon. Das wird dann abgesegnet mit einem weihrauchbesprengten Fichtzweig, als Opferbereitschaft der guten Gewalten. Die Gewalt selbst ist nicht gut, die Gewalt ist immer eine Bewegung. Und diese im Menschen eine Nachahmung der Natur, die es zu kultivieren gilt und die sich dann manchmal wenn nicht Herrschaft, Verwaltung nennt. Die reißt Gräben in die Stadt und baut Straßen, die jeder begehen darf, wohnen tut man aber nur in einer. Jedenfalls die meisten von uns. Und wenn die meisten von uns nicht in den Park gehen, dann sitzt ein Teil davon auf den ausgebreiteten Caféterrassen direkt im Asphalt. Bier ist gut, aber Schnäpse tuns auch wie man sieht. In der Gesellschaft ruht die Bereitschaft und im Alkohol bewegt sie sich. Daneben stehen verspiegelte Wahrheiten im Schaufenster, zurechtgehobelte Realitäten, die den kollektiven Willen speisen. Und überall Damen in anorektischer Grazie neben all den höfischen (Comic! – Komik?) Helden immer in Rüstung und später wenn tot in Gusseisen. Dagegen kommt keiner an. Das Rad der Stadt, die ewig-alte Schöpfmühle (Schöpfermühle!), ein Fingerspiel von Alt für Jung.

Dann werden die Ringe getauscht und man besiegelt ein neues Zeitalter, ein Reifenwechsel mit letzter Ölung, damit die Knochen darunter auch ja dieselben bleiben, beiderseits. Hauptsache der Aufputz sitzt und wenn der mal verrutscht, darf man das ohnehin verzeihen, dass darunter ein Mensch steckt oder zumindest das, was wir an uns wi(e)der zu erkennen glauben. Es ist ja drübergelegt alles nur Mode als Kleidungsersatz und Schichtenzwang. Auch Ketten sind irgenwann Schmuck geworden, das Lieblingsaccessoir vollmundiger Siegerweibchen und Trittbrettfahrer, die auf und abspringen wies ihnen grade passt. Die Welt ist rund mit vielen Scheiben, buchgesichtig und stets bereit zum digitalen Lebensersatz. Mit der ganzen Kraft in den Kuppen. Das hat schon was für sich. Nur mit den Fingern.


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