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bei.strich.schlaf

von am 20.09.2008 12:53, Rubrik Uni


Die Seminararbeit ist fertiggestellt und der höheren Instanz übergeben, der Wortlaut unveränderbar, das Schicksal besiegelt. Die vollständige Rettung aus den Wochen der Klausur und die Beseitigung der letzten Reste der Elfenbeintrümmer bringt allerdings erst die Zigarette danach zum sado-masochistischen Akt des literarischen Mindfucks: das Zurückgeben der verwendeten Bücher (vulgo: das Retournieren der schier endlos scheinenden Anzahl an in der Bibliographie angeführten Primär- und Sekundärwerke) in die jeweilige Bibliothek. Allerdings treten bisweilen auch beim Zusammensuchen der einzelnen Werke in der Wohnung, die sich zwischenzeitlich in ein einheitliches Konglomerat aus Büchern, hastig beschriebenen und gleich darauf verworfenen Konzeptpapieren, mit nervöser Hand angefertigter Kritzeleien, Schokoladenkuchen, Geschirr und Gewand verwandelt hat, euphorische Zustände auf. Wenn man auch am besagten „Morgen danach“ mit Kopfschmerzen erwacht, gleicht das verklärt – sphinxhafte Lächeln beim Heraustreten aus dem Haustor dem einer (zumindest kurzzeitig) geliebten Person. Aber schon der Akt der Büchersuche an sich gestaltet sich als identitätsstiftendes Verwirrspiel der Gefühle.

Zunächst wäre da das Verlusttrauma, das einen früher oder später, aber mit großer Sicherheit im Laufe der Unternehmung befällt, wenn ein Buch, das schon längst überfällig ist, immer noch wie vom Zimmerboden verschluckt ist. Des Weiteren stößt man im Laufe der Suche nach der Nadel im Heymhaufen gewiss auf verlorengeglaubte, wertgeschätzte Objekte wie etwa Lieblingskugelschreiber oder überdimensionale Kuscheltiere, die sich unter einem Post – It versteckt hatten, was unter Umständen emotionelle Instabilität zur Folge haben kann. Auch kantige Ideen können mitunter zu einem Zusammenbruch der reinen, wie auch der von Mordgelüsten verunreinigten Vernunft führen (ob der Unmöglichkeit, zu einer objektiven Wahrheit auf dem vorgeschriebenen Interessensgebiet zu gelangen).

Dann wäre da noch die Wahl des richtigen Transportmittels (vulgo: Sackerls) für die hochgeschätzten Werke. Dieses muss selbstverständlich auf Größe, Gewicht und Art der Literatur abgestimmt werden. So wäre es beispielsweise vollkommen unangemessen, Sekundärliteratur zweier einander widersprechender Autoren nebeneinander in ein und derselben Tasche zu tragen. Ebenso unzumutbar wäre es, den Transport in einer für die Art der Literatur unpassenden Tasche zu transportieren (so wird man etwa für höhere Literatur gewiss kein einfaches „Einkaufssackerl“ aus Kunststoff verwenden, ebenso wenig wie für Trivialliteratur eine Stofftragetasche.) Demnach begibt sich der zeitweise nach Worten ringende nun auch auf die Suche nach einem relativ trivialen, in seiner Bedeutung jedoch nicht zu unterschätzenden, Transportutensil, bei der weitere Gegenstände, Geständnisse und Tatbestände ans Tageslicht kommen.

Als alles sicher verpackt und zum Transport bereit ist, durchfährt den Alpenkönig und Bücherfreund ein wohliger Schauer, ganz wie nach stundenlangem Lesen und Herumstreichen am Körper des Geliebten. Ein kurzer Blick über die Schulter – der Computer lümmelt, einem byronischen Helden gleich, immer noch in der verwüsteten Brutstätte genialer Ideen herum und versinkt langsam im Ruhezustand. Ein letzter versonnener Blick in den Spiegel – nach dieser Nacht wird alles anders sein.


Kommentare

He, he köstlich. Der Philologen harte Arbeit. Bis auf die Taschenwahl hab ich manchmal ähnliche Probleme. Nur eins täte mich interessieren, wenn auch etwas unzüchtig: Hatte die “Nacht” denn einen Höhepunkt? Oder schaltet der sich erst bei der Benotung, so als retardierendes Moment frei. (Der retardierende Orgasmus, ein viel zu schönes Wort für viel zu kalte Zahlen ;)

Ana · 20.09.2008 16:58 · #

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