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„The School must go on!!!“: Musiktheater als lehrreiche Unterhaltung

von am 29.09.2011 09:21, Rubrik Rezensionen-Kritik

Wir waren im Theater und wollen es gerne weiterempfehlen.
Möglichkeiten das Stück noch zu sehen:
30.9. Theater im Kino Arnfels
21.10. Stadttheater Bruck an der Leitha
11.9. Showact am Künstlermarkt Arnfels


Wenn man mit Karl Kraus postuliert die Kunst diene dazu, uns die Augen auszuwischen, dann trifft man bei diesem Stück sicherlich einen Punkt. Augenauswischen ist eine zweischneidige Sache. Eine Augenauswischerei ist nämlich Selbstbetrug. Aber bei Kunstwerken hat man es gewissermaßen immer mit Selbstbetrug zu tun, denn sie sind nicht das was sie darstellen, sie sind nur Schein. Unter dem Arbeitstitel „Unterhaltung mit der Option zum Nachdenken“ präsentiert sich hier eine Form der Kleinkunst, die mehr bieten will als Kurzweil und jedenfalls Augen auswischen will anstatt nur Augenauswischerei zu sein.
Die junge „Catch the Eye“ Produktion liefert mit dem Stück „The School must go on!!!“ Musiktheater in einer durchaus eigenwilligen Variante. Es soll vorexerziert werden was Kultur und Bildung gemeinsam haben und welche Möglichkeiten es gibt diese Gemeinsamkeiten wirksam auf die Bühne zu bringen. Eine neue Form des Lehrstücks?

Wo Brecht seine Werke zwischen Expressionismus und Faschismus entfalten muss fällt der Druck im Herzen Österreichs im Jahr 2011 etwas leichter aus. Die Extreme bewegen sich im Konsensraum zwischen Wiener Stadtzeitung Falter („Alle sind Nazis.“) und der Kronenzeitung („Niemand ist ein Nazi.“) während die Übergänge zwischen beiden Positionen in der gesellschaftlichen Empirie fließend sind.

Probleme gibt es aber in der Tat ausreichend um sie in verschiedenen Formen künstlerisch zur Sprache zu bringen. Kunstwerke sind nie ganz rational und auch im stärksten Bezug auf die Welt keine Angelegenheit analytischen Vernunftgebrauchs. Schönheit entfaltet sich ohne Begriff, Lehrstücke leiden unter dieser Einschränkung. Allzu leicht kippt die Veranstaltung ins rein Didaktische. Leicht wirkt etwas hölzern oder konstruiert, was mit dem besten Vorsatz vorgetragen wird. Wenn sich der Bühnenvortrag in die „Licht ins Dunkel Gala“ verwandelt gibt es wenig zu lachen. Aber vielleicht liegt ja in dieser Bindung von engagierter Kulturproduktion an eine gewisse Lächerlichkeit das Prinzip ihrer Beziehung zur Realität. Kunst muss sich verkaufen. Was nichts kostet ist nichts wert hört man allerorts und doch steht der Anspruch vieler Künstler höher. Sie wollen durch ihre Kunstwerke etwas Aussagen, sie wollen Gefühle zum Ausdruck bringen, ihre Erfahrungen und ihre Sichtweisen mitteilen aber sie müssen mit dem Publikum kommunizieren. Letztlich entscheidet sich die Marktgängigkeit eines Kunstwerks am gelingen dessen allgemeiner Kommunizierbarkeit. Die Botschaften dürfen nicht zu weit von dem entfernt sein, was die Menschen kennen oder erkennen können, sonst bleibt das genialste Stück unverstanden und damit einem kleinen Kreis vorbehalten.

Dem „Schauspiel mit Musik und Tanz“ von Dagmar Suppan und Alexander Reich, sieht man diese Schwierigkeit an. In diesem Stück geht es um die Darstellung von „Archetypen unserer Gesellschaft“, „in ihrem Ringen mit einander“ und mit sich selbst. Der Ort der Handlung ist eine Schule. Die Protagonisten sind Schülerinnen (offenbar handelt es sich um eine reine Mädchenanstalt) und ihr Lehrer, sowie der Schulwart. Es geht um mangelndes Selbstbewusstsein, die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die Probleme eines Lehrers mit seiner unaufmerksamen Klasse, Magersucht und Mobbing. Dies geschieht, bis auf die etwas zu ausführlichen Darstellungen der gegenseitigen Anfeindungen unter den Mädchen, sehr kurzweilig. Und zwar so kurzweilig, das nebenher noch die Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens schlechthin verhandelt werden kann. Didaktisch tut das Stück sicher seine Wirkung. Wenn auch manche der Botschaften eher für das Schülertheater geeignet scheinen.

Die Dialoge sind gut geschrieben und der Wortwitz greift in vielen Situationen, auch wenn er manchmal ein wenig zu didaktisch präsentiert ist. Die Schauspieler sind begierig in jeder Szene alles zu geben und die Charaktere entwickeln sich so, trotz gewisser Schwächen in der Präsentation (sehr dramatische Lebensgeschichten werden innerhalb einiger Zeilen abgehandelt und sind dann kein Thema mehr), glaubwürdig. Die vertretenen Rollen sind etwas Klischeehaft aber nicht aufdringlich und letztlich ist jede Figur mit einer gewissen Ambivalenz ausgestattet, so dass sich im Zwiegespräch mit dem Lehrer selbst der mundelige Schulwart auf seine Art als denkendes Wesen entpuppt.
Eine kleine Schwäche liegt in der Erzählstruktur. Der Faden geht an manchen Stellen etwas willkürlich verloren (die List des Lehrers) und wird an anderer Stelle eher hastig wieder aufgenommen. Man merkt, dass hier ein größeres Werk auf ein kleineres Format zurechtgestutzt wurde.
Der zweite Teil bringt eine nette Abwechslung in dem sich das Stück und seine Schauspieler selbst auf die Schaufel nehmen. Im Theaterstück wird ein Konzert mit Tanzeinlagen gegeben, das Publikum spielt dabei das Publikum, die Schauspieler mimen Sänger und Tänzer. Die Vorbereitung in der Garderobe wird als Schattenspiel mit gelegentlichem Blick durch den geschlossenen Vorhang inszeniert und sorgt so für eine intelligente Unterhaltung und einen Bruch mit dem konventionellen ersten Teil. An manchen Stellen schaltet sich allerdings eine gewisse Beliebigkeit ein. Als Nachteil kann man (muss man aber nicht) empfinden, dass die, im Finale vorgetragenen Singstücke in englischer Sprache verfasst sind. Damit hebt sich die Show zwar von dem sonstigen Plot ab (der ganz in deutscher Sprache gehalten ist), aber der Sinn diese Wechsels wird (auch im Hinblick auf den Inhalt der gesungenen Texte der sich bestenfalls lose auf die bisherige Handlung bezieht) nicht ganz klar.

Alles in allem ein gelungener Abend mit Überraschungen. Die Crew ist motiviert und unverbraucht, an manchen Stellen etwas naiv im Spiel. Die Inszenierung und Ausstattung sind sehr professionell und es wird ein großer Aufwand getrieben um gut zu unterhalten. Der Gesang ist bis auf eine Ausnahme hörenswert und die Tanzeinlagen sind gut koreographiert. Der Schulwart überrascht durch eine klassisch ausgebildete Singstimme. Die drei Hauptrollen der gegensätzlichen Schülerinnen sind alle begabt und gut für die Rollen ausgewählt. Die Instrumentalisierung ist an manchen Stellen sehr aufwendig und vor allem sehr hörenswert. Auch Jazzfans kommen auf ihre Kosten!


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