Die Prinzipien der Gesellschaft und die natürliche Konstitution des Menschen haben uns ihre abscheulichen Gesichter zur Genüge gezeigt. Dem modernen demokratischen Rechtsstaat verdanken wir in den Teilen der Erde wo er sich ernsthaft durchgesetzt hat eine vorläufige Atempause von diesen Grundfunktionen der Vernichtung.
Wenn in den USA in Fernsehen und Radio durch Beck und Limbaugh diese zutiefst menschlichen Eigenschaften wieder heraufbeschworen werden wird es Zeit den Atem wieder anzuhalten und gespannt hinzusehen. Wenn die Macht des Hinterwaldes in der Maske der Flintenfrau auf die Bühne der Politik tritt und die legitime Regierung eines Präsidenten als Tyrannei bezeichnet sollten sich nicht nur demokratische Politiker sorgen machen. Der Mordversuch an Gabrielle Giffords zeigt die Funktion eines politischen Konzeptes, dass sich Fundamentalisten in der ganzen Welt miteinander teilen.
Herrschaft beinhaltet die Abgrenzung zwischen oben und unten und beruht auf der Organisation der einzelnen Machtgruppen gegen die jeweils unteren. Die Funktion dieser inneren Organisation liegt im Selbstschutz der so organisierten Gruppen, aber auch im Schutz der jeweils unteren, solange diese nach den jeweiligen Regeln funktionieren. Zugehörigkeiten zu politischen Parteien, Staaten, Nationen, Bildungsgrad erfordert die Anerkennung eines Gesellschaftsvertrags und die Teilnahme an einem Racket.
„Legale und illegale Titel, Zugehörigkeit zur Welt und Unterwelt sind dadurch unterschieden, dass die Welt über eine umfassende Organisation verfügt, keiner soll ihrem Schutz entgehen, wen ihre Agenturen proskribieren, der ist verloren.“ (HGS12: 289)
Im Racket erhält sich Allgemeines und Besonderes in unversöhnlichem Gegensatz der durch die ständige Bemühung der „Ideen von Einheit und Gemeinschaft“ verhüllt wird. Dabei wird die Gewalt aus der Regierungstechnik scheinbar ausgeschlossen nur um durch eine zweite Kolonne, ein niedereres Racket ausgeführt zu werden. „Die Brutalität der Unteren, vor der man das Geheimnis der Regierung bewahren muss, ist nicht primär, sondern gesellschaftlich erzeugt.“ (HGS12: 291)
Die zweite Kolonne sind Außenseiter wie Jared Loughner. Sie übernehmen die Drecksarbeit die rechte Ideologen und religiöse Fundamentalisten verbal vorbereiten. Die Position der Gruppen die diese Form von Gewalt verbal unterstützen, wird trotz der prinzipiellen gesellschaftlichen Ächtung stärker. Das Gedächtnis der Menschen ist stark geprägt vom Gedächtnis der Medien. Nach dem ersten Schock und der dazugehörigen Empörung über die Gewalt wird das Tagesgeschäft der verbalen Vorbereitung der Vernichtung wieder aufgenommen. Die Rackets arbeiten als Wohlfahrts- und Schutzorganisationen für ihre Klientel. Sie errichten eine eigene Volksgemeinschaft in der Zivilbevölkerung des jeweiligen Landes und verwenden diese wie einen Staat im Staat. Wie die Hisbollah im Libanon Häuser für die Armen errichtet um darin ihre Raketenabschussrampen zu platzieren, liebäugeln Politiker der Tea Party mit den bewaffneten Mobs und paramilitärischen Verbänden und wahnsinnigen Einzeltätern.
Das Daraus entstehende Spektakel und eben die von Thomas Paine erwähnten natürlichen Prinzipien der Gesellschaft sorgen für die gesellschaftliche Normalisierung der Wahnsinnstat und ihres Kontextes. Die Sprache deckt letztlich alles zu. Die Mörder, die Waffennarren, die Rassisten behalten Recht, weil sie die unsichtbare Schrift ihrer Ideologen lesen können: Gewalt ist die Sprache unserer Gesellschaft, Gewalt das Prinzip auf dem wir unsere Herrschaft errichten.
Der Charakter des Spektakels, in diesem Fall das mörderische politische Spektakel der Rackets, fordert die passive Hinnahme, wie Guy Debord feststellt, da es sich als „unerreichbare Positivität“ darstellt. Es erscheint unwiderlegbar und es scheint keine Verantwortlichen zu geben. Aber die Wurzel des Spektakels erweist sich als die „älteste gesellschaftliche Spezialisierung, die Spezialisierung der Gewalt“ (Debord 1996: 21). Die Gewalt bleibt als Faktum unwidersprochen stehen und exkulpiert die verantwortlichen Rackets durch den Charakter der Gesellschaft von jeder Verantwortung.
Der über die Massenmedien und das Internet beteiligte neugierige Zuschauer trägt zu diesem Zustand auch noch bei, wie Wolfgang Sofsky zuspitzt. „Faszination gilt dem Handeln nicht dem Leiden. Das blasse Mitgefühl wird überlagert von der Bewunderung für den Täter, für seine unbegreifliche, rastlose Energie, seine Unerbittlichkeit. Der Beobachter verspürt das Verlangen, an dieser Kraft teilzuhaben. Er schätzt das Leiden, weil der Täter vollstreckt, was ihm selbst versagt ist.“ (Sofsky 1996: 108)
Aber die Angst, die Gewalt könnte auf die Umstehenden übergehen bleibt bestehen und hinterlässt auch in den neugierigen Zuschauern ein Gefühl der Bedrohung. Schwierig anders zu verstehen, dass die Flintenlady für (ihre) die Opfer beten will.
Im Übrigen glaube ich, dass wir am Freitag den 14. Jänner um 18 Uhr vor der ungarischen Botschaft [Bankgasse 4-6, 1010 Wien] erscheinen sollten
Literatur
Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels, Berlin 1996.
Paine, Thomas: Rights of Man, New York 1999.
HGS: Schmid Noerr, Gunzelin [Hg.]: Max Horkheimer. Gesammelte Schriften, 18 Bände, Frankfurt 1985.
Sofsky, Wolfgang: Traktat über die Gewalt, Frankfurt 1996.