Lüders hat wahrscheinlich Recht, dass die Rolle des Terrornetzwerks Al Kaida nicht mehr so groß ist wie zum Höhepunkt der Terroranschläge in Afrika, Europa und Amerika. Ob gewaltige Neuerungen bevorstehen bleibt abzuwarten. Bisher sehen wir auch in Ägypten zunächst nur den Austausch von Machtcliquen, die bisher vor allem für den Schutz ihrer Minderheiten nicht wirklich etwas unternehmen.
So wird also in der Meinung dieses Experten dem Mann der die Leute nicht mehr interessiert, doch zu wenig nachgetrauert. Die Trauerarbeit wird von Lüders geleistet indem er nach guter postnazistischer Expertenmanier alles in eins setzt und über die rhetorische Formel des Mannes der Vergangenheit (linguistic turn) ihn gleich von jeglicher (selbst der rechtsstaatlichen) Verfolgung exkulpiert. Der Gedanke dass ein Terroristenführer der selbst dem ganzen Westen den Krieg erklärt hat in eben diesem ermordet wurde ist ihm so unerträglich, dass er mit ihm auch gleich die ganze Welt zum Teufel schicken will.
Wie sonst lässt es sich erklären, dass sein Beispiel mit dem er meint klug die selbstgerechte Moral des Westens, in diesem Fall Amerikas, enttarnen zu können so dermaßen gegen jede demokratiepolitische Vernunft verstößt.
Zunächst ist der Gedanke ein chinesischer Dissident sei mit einem Verbrecher von Bin Ladens Kragenweite überhaupt vergleichbar infam. Darüber hinaus zeigt er damit wessen Geistes Kind seine Revanchephantasien sind. Hier wird die Kritik eines repressiven Systems mit der Ermordung Unschuldiger gleichgesetzt und die Einmahnung der Grenzen der Rechtsstaatlichkeit in Form der Reziprozität vorgenommen die wissentlich den Unterschied zwischen einem demokratischen und einem autoritären politischen System zum verschwinden bringen will. Ergebnis dieser Relativierung der politischen Bilder (iconic turn) ist das zur Disposition gestellte demokratische politische System, das sich ja scheinbar nicht mehr genau von einem repressiven unterscheiden lässt. Es muss sich aber auch nicht unterscheiden, denn wenn chinesische Dissidenten nur dann Anspruch auf Schutz ihres Lebens haben, wenn die USA Massenmördern mit rein rechtstaatlichen Mitteln gegenübertreten dann gilt das Individuum ohnehin nicht mehr viel.
Vielleicht wird hier sichtbar was Gerhard Scheit über den neuen Behemoth schreibt:
„Der deutsche Bürger, der als legitimer Erbe der nationalsozialistischen Vernichtung auftritt und sich zum bekennenden Europäer verallgemeinert hat, verharrt unwillkürlich in einem Verhältnis zum Staat, das sich selbst widerruft; er möchte die Rechtsform, die ihn auf den Souverän einschwört, immer wieder abstreifen, um mit ihm unterschiedslos zusammenzufallen: er möchte Volksgemeinschaft.“ (Jargon der Demokratie: 29)