Vor drei Jahren habe ich ihn zuletzt gesehen in der Bar Nazionale in Bozen gleich gegenüber der Talferbrücke. Wir sind früher, das heißt als ich noch zur Schule ging, regelmäßig dort gesessen in Bozen, dort und vor allem in unserer Stammkneipe V. B., um einiges zentraler als das Nazionale, um nicht zu sagen direkt hinterm Dom.
Und so teilt sich in banaler Schlichtheit die Stadt in ihre, wie der Mensch in seine zwei Hälften, von denen eine sinngemäß die dunkle ist. Vor dem Dom, der Waltherplatz, mit seinem hübsch aufgerüschtem Trallala, einfallslos eingerahmt vom Immerselben, den vielen Cafés, die uns emphatisch Harmlosigkeit zu flüstern und in der Mitte dem Walther von der Vogelweide- Denkmal, dem Minnesangfrühling in Marmor. Die Bozner Innenstadt ist Kopfsteinpflaster mit Laubenromantik. Es ist der gliederlähmende Wohlstand, der an der Perversion förmlich schrammt. Und hinter dem zurechtgemachten Standbild, sieht es- man kann es ich bereits denken – ein bisschen anders, schon richtig trostlos aus. Da tun sich direkt Abgründe auf. Da gärt sich ein Miniatursündenpfuhl zusammen, der sein schwindsüchtiges Publikum mit einer Quecksilbermast zu Tode giftet.
In der V.B. haben wir häufig unsere Sauftouren begonnen und diese meistens auch dort geendigt. Sind alle naturgemäß manchmal abgestürzt, aber hatten uns spätestens beim nächsten Gang wieder gefangen. Wir sind auch manchmal nur dort gesessen, hinterm Dom oder sind spazieren gegangen. Die V.B. gibt es heut nicht mehr und die Bar Nazionale ebenso wenig. Und er ist jetzt auch nicht mehr da. Gestern wurde mir gesagt, dass er gestorben sei. Er sei vom Stuhl gefallen und sofort tot gewesen im selben Augenblick, überstürzt gestorben. Zwei Gramm waren sein Sterbegewicht. Ein leichter Tod – ein schwerer Verlust.