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A.A.A. Südtiroler Identität cercasi

von am 29.06.2007 03:58, Rubrik

David diskutiert gerade eifrig mit Michael über einwanderer, integration und identität. Da muss ich mich ja einklinken!

Ein paar denkanstöße von einem außenseiter – ich stelle meinen ausführungen eine direkte frage an Michael und erlaube mich ihn in teilen zu zitieren:

Wenn man bei kebap und meraner würstel einen kompromiss machen kann, warum dann nicht zum beispiel bei der zweisprachigen schule?

Meine sicht der dinge erfährt, wer auf “Weiterlesen” klickt.


Michael fürchtet sich vor überfremdung und wüsste gerne die bräuche und die kultur (und die geschichte?) der indigenen volksgruppe geschützt. Er findet, daß die zuwanderung für die deutsche volksgruppe südlich des brenners identitätsbedrohend sei. Michael bringt in diesem kontext einen vergleich mit Berlin-Kreuzberg, den David in seinem beitrag wohl ausführlich genug entkräftet hat. deshalb möchte ich diesen kleinen blogeintrag dem thema identität (und sukzessive der angst vor identitätsverlust) widmen.

Aber bevor ich also anfange muss noch ein weiteres steinchen aus dem weg geräumt werden. Und zwar der begriff “Minderheit”. Eine minderheit stellt sich ausschließlich einer mehrheit entgegen, sonst wäre eine gruppe homogen. die minderheit stellt per definitionem also einen bruchteil der gesamtbevölkerung dar die sich in irgend einem punkt (oder mehreren) von einer bedeutend größeren gruppe unterscheidet. Reine mengenlehre. Und ein bisserl Cultural Studies, weil ich voraussetze daß sich die minderheit (respektive die mehrheit) gegeneinander als das Other definiert, und die (gefühlte) Otherness die gruppe der minderheit[en] und die gruppe der mehrheit konstituiert. Die gruppenmerkmale die eine minderheit von der “mehrheit” unterscheidet sind willkürlich. In südtirol ist es hauptsächlich die sprache, anderswo die religion oder die hautfarbe.

(anm: man verzeihe mir das etwas tolpatscherte mischmasch aus deutschen und englischen begriffen, aber ich bin gewohnt solche essays ausschließlich in englischer sprache zu schreiben, auch die fachbegriffe)

Um aber nicht abzuschweifen schauen wir uns also an was die “deutsche minderheit” von der “italienisch-romanischen nicht-minderheit” unterscheidet (eine auswahl):

1) die sprache
2) traditionen, bräuche, einen vernachlässigbare anzahl religiöser/profaner feste im laufe des jahres

zählen wir zusammen was die beiden gruppen gemeinsam haben (ebenfalls eine auswahl):

1) eine vielzahl von religiösen/profanen festen im laufe des jahres
2) die selbe religion, damit die selbe ethik und weitgehend die mit diesen punkten zusammenhängende wertesystem (also ethik und moral, für nicht religöse menschen)
3) die hautfarbe
4) ähnlich verteilte geschlechterrollen

Wir halten also fest daß die gruppen sich in recht wenigen punkten unterscheiden. Und daß die punkte in denen sie sich unterscheiden hauptsächlich performative formen von identität sind. Also eher ausdruck von identität sind, die aktiv von mitgliedern einer gruppe mit der absicht der festigung ihrer zugehörigkeit zu einer gruppe ausgeführt werden. Es sind keine nicht abänderbare oder von der natur verliehene merkmale wie z.B. hautfarbe, haarfarbe (oder überhaupt, das vorhanden sein von kopfhaaren ;-)) und … anzahl von fingern einer hand von mir aus, um nicht die form der augen oder was auch immer als diskriminierendes detail heranzuziehen.

Aber ohne daß ich jetzt zu weit ausufere halte ich fest, Identität ist eine Performance. Man kann aktiv identität schaffen und identität wechseln. Ein teil der Identität als Performance sind die sog. Erfundenen Traditionen, im Original von Zacharasiewicz mit anleihen von Barthes wenn ich mich jetzt aus dem stehgreif richtig erinnere – also ist es vulgo ein schmäh daß das Recht auf Heimat des einen dort endet, wo das Recht auf Heimat des anderen endet. Eine minderheit kann sich sehr wohl eine gemeinsame identität mit einer mehrheit teilen, und wenn eine weitere gruppe (oder weitere gruppen) dazustoßen kann man die eigenen erfundenen traditionen sowie die performance seiner identität ebenfalls so abändern daß die mitglieder der neuen gruppe integriert werden können.

Andersrum: wenn nicht andauernd auf die (unsinnige, weil ja willkürliche – und als willkürliche auch willkürlich änderbare) Identität der [deutschsprachigen] Südtiroler gepocht wird, wird auch eine integration von (volks)gruppen die ebenfalls nach südtirol einwandern und einwandern werden nie klappen. Und daß ausgerechnet die verfechter des erhalts der südtiroler identität trotz – bzw wider gesellschaftlichen veränderungen die unaufhaltsam und quasi darwinistisch natürlich passieren – dies mit einem aufruf zu mehr integrationswillen koppeln ist irgendwo tragikomisch.

Nun, wenn man bei kebap und meraner würstel einen kompromiss machen kann, warum dann nicht zum beispiel bei der zweisprachigen schule? Eine reihe von sinnvollen kompromissen würde doch gezwungener maßen zu einem friedlichen zusammenleben der verschiedenen gruppen mit ihren verschiedenen sprachen, religionen und invented traditions führen, oder?


Kommentare

Wobei Kebap und Meraner Würstel ja genau diese “wos mir gefollt nimm ich schun”-Haltung widerspiegelt:

Na die Walschen Na de Ausländer, schlimm gel, ober so a Kebap geat schun und wenn ins die Tschechn günstig die Epfl klaubn, passt wol, haupsoch sie gian wieder. Und de Italiener, zio, geile Autos schun mochn, obr de bei ins herobn seins ols Faschos.

Aus der Gründungsrede der Freiheitlichen Jugend:

Denn wer für alle offen ist, kann nicht ganz dicht sein!

Die radikalen Italianisierungsmaßnahmen wurden zwar erfolgreich abgewehrt. Aber ersetzt durch die hausgemachte, schleichende Italianisierung.

Herr Landessprecher, nehmen Sie Stellung zu der Ambiguität Ihrer Aussagen! (Und bitte ohne hausgemachte, schleichende Italianisierung auf Basis grammatikalisch nicht korrekter Fußballtraineraussagen.)

davus · 29.06.2007 05:25 · #

Nur so nebenbei: du kannst schon noch Asylwerber von Zuwanderern unterscheiden? Nicht jeder Zuwanderer ist ein Asylwerber… in Südtirol beispielsweise gibt es knapp 28.000 so genannte Ausländer, wovon rund 200-400 Asylwerber sind. Nur so nebenbei…

Michael · 29.06.2007 05:54 · #

Schön und gut, aber Du antwortest auf keine der gestellten Fragen!

(Ãœbrigens verstehe ich jetzt nicht was du uns mit dem Unterschied zwischen Asylwerbern und Einwanderern Ah, die Zahln von David beziehen sich auf Asylwerber und nicht auf “Ausländer”… Trotzdem hätte ich gerne eine Antwort auf meine Frage, auf die übrigens Eva Klotz bereits geantwortet hat :-) das nur am Rande ;)

r. · 29.06.2007 06:16 · #

“Nun, wenn man bei kebap und meraner würstel einen kompromiss machen kann, warum dann nicht zum beispiel bei der zweisprachigen schule?”

Das eine ist nicht mit dem anderen zu vergleichen. Die Frage müsste eher lauten: “Nun, wenn man bei kebap und meraner würstel einen kompromiss machen kann, warum dann nicht zum beispiel bei Spaghetti und Knödel?”
Aber sprechen wir über zweisprachige schulen, bitte: es gibt Gebiete in Südtirol, welche mehrheitlich italienischsprachig sind und in diesen Gebieten erlernen viele Kinder nicht einmal bei einsprachigem Unterricht ihre Muttersprache richtig. In diesen Gebieten wäre ein zweisprachiger Unterricht fatal! Das haben ja die italienischen Faschisten erkannt und als erste Maßnahme den Unterricht zweisprachig gestaltet.

Ich bin für angemessenen Fremdsprachenunterricht, auch für eine Aufstockung der entsprechenden Stunden (es sei daran erinnert, dass der Englisch-Unterricht ein freiheitlicher Vorschlag war). Ich bin aber gegen zweisprachige Schulen, weil eine Fremdsprache eine Fremdsprache bleiben muss und jeder Versuch, dieses Verhältnis zwischen Muttersprache und Fremdsprache umzukehren, einen Einschnitt in die persönliche Identität darstellt.

Nebenbei ist bei zweisprachigem Unterricht, bei welchem gewisse Fächer in einer Sprache und andere in einer anderen Sprache abgehalten werden, nicht unbedingt mit Fremd-sprachverbesserungen zu rechnen. Vielmehr entwickelt sich eine Mischsprache, da sich Fremdwörter in die Sprache schleichen.

“Eine reihe von sinnvollen kompromissen würde doch gezwungener maßen zu einem friedlichen zusammenleben der verschiedenen gruppen mit ihren verschiedenen sprachen, religionen und invented traditions fürhen, oder?”
Es gibt Gebiete, in denen kann man Kompromisse eingehen und in anderen Gebieten eben nicht. In viel zu vielen Fällen profitiert bei so genannten Kompromissen nur eine Seite!

Michael · 29.06.2007 07:35 · #

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