Michael antwortet darauf wie folgt, nachdem er eine zweisprachige schule ablehnt und diese als bedrohung sieht. Er würde eine schule mit mehr fremdsprachenunterricht begrüßen. Er argumentiert wie folgt:
Ich bin aber gegen zweisprachige Schulen, weil eine Fremdsprache eine Fremdsprache bleiben muss und jeder Versuch, dieses Verhältnis zwischen Muttersprache und Fremdsprache umzukehren, einen Einschnitt in die persönliche Identität darstellt.
Michael befürchtet er außerdem:
[Daß] bei zweisprachigem Unterricht, bei welchem gewisse Fächer in einer Sprache und andere in einer anderen Sprache abgehalten werden, nicht unbedingt mit Fremd-sprachverbesserungen zu rechnen [ist]. Vielmehr entwickelt sich eine Mischsprache, da sich Fremdwörter in die Sprache schleichen.
Ich erlaube mir festzuhalten daß fremdwörter auch ohne eine zweisprachige schule in den wortschatz einer sprache gelangen können, und de facto zwar ursprünglich aus einer anderen sprache stammen, jedoch zu 100% zum lexicon der sprache gehören in die sie aufgenommen wurden. Ich erlaube mir jetzt mal anzunehmen du meinst interferenzen aus anderen sprachen wie sie zum beispiel dieses paper von Martina Zambelli zum inhalt hat . Wie ich mit der autorin gemeinsam glaube (mit der ich in e-mail kontakt gestanden habe, übrigens) wäre gerade durch einen qualifizierten unterricht in zwei (oder mehr) sprachen der entstehung einer solchen “mischsprache” vorbeugen würde. Der unterricht in zwei sprachen würde tatächlich die sensibilität für sprache überhaupt steigern und die qualität beider gesprochenen sprachen steigern. Mit angemessener begleitung und hilfestellung durch kompetente lehrer (die idealer weise auch beider sprachen mächtig sind in denen an der schule unterrichtet wird) könnte so gewährleistet werden daß auch zweisprachig aufwachsende kinder in beiden sprachen gleichmäßig gefördert würden, die sonst eine sprache formal (in der schule) lernen würden und ihre zweite nur informell im elternhaus – was besonders für kinder aus bildungsferneren und ärmeren schichten der bevölkerung oft fatal ist, weil der elternteil der die zweite sprache spricht eher selten daheim ist und eine nicht standard-variante der sprache spricht, was wiederum ein nachteil für das kind ist welches die sprache erlernt. Beispiele hierfür finden sich ausgiebig in der literatur zu türkischstämmigen kindern die in deutschland aufwachsen, und dessen türkisch knapp für rudimentäre komunikation im herkunfstland der eltern reicht – deine nächstliegendste unibibliothek ist dein freund :-) … errata corrige: leider nicht die uni bz
Aber um zurück zu Südtirol und zu einer – nehmen wir mal an italienisch-deutschen – zweisprachigen schule. Es sei mir erlaubt deine meinung zu einer zweisprachigen schule nochmal zu zitieren und zwar folgenden satz:
Ich bin aber gegen zweisprachige Schulen, weil eine Fremdsprache eine Fremdsprache bleiben muss und jeder Versuch, dieses Verhältnis zwischen Muttersprache und Fremdsprache umzukehren, einen Einschnitt in die persönliche Identität darstellt.
Eine zweisprachige schule ist kein versuch das verhältnis zwischen muttersprache und fremdsprache umzukehren! Für den der bereits zweisprachig aufwächst ist eine zweisprachige schule nur eine logische reaktion des südtiroler bildungssystem auf seine bedürfnisse. In den städten ist die zahl der zweisprachig aufwachsenden kinder nicht mehr vernachlässigbar gering wie vielleicht in den achzigern. Beziehungsweise sind zweisprachige kinder nicht mehr stigmatisiert, und werden zu einsprachigen kindern “zurückgebildet” sobald sie in den kindergarten kommen (auch aufgrund der neuen theorien in der sprachwissenschaft, die in den 1980ern teilweise politisch motiviert zweisprachigkeit als ein nachteil statt eines bonusses ansah, und die sich nun radikal davon distanziert und davon ausgeht daß zweisprachige kinder beim erlernen von sprache und verbalen fähigkeiten generell einen vorteil haben – auch hier ist die nächste unibibliothek dein freund – mit ausnahmen, siehe kommentar oben bez uni bz).
Zweisprachigkeit ist vielleicht das asset welches südtirol gegenüber anderen regionen hat und welches die krassen standortnachteile wie die ungünstige lage eingeklemmt zwischen den bergen in der provinz europas wettmachen kann. übrigens schon immer wettmachen konnte – nur als ein aside: das mittelalter ist v.a. in bozen ein zweisprachiges, mit engen verbindungen nach norden hin aber auch zu venedig – das nur am rande. es ist auch nur eine invented tradition (siehe meinen artikel vorhin) daß südtirol ein deutsches gebiet ist. Auf was ich eigentlich abziele ist:
Eine zweisprachige schule macht keinen “einschnitt in die persönliche identität” eines menschen. Ganz im gegenteil: wie vorhin dargestellt ist sie für zweisprachige kinder eine logische antwort und anpassung (und förderung!) ihrer realität. Für kinder aus einsprachigen familien wäre sie auch nur vorteilhaft, bereitet sie doch kinder besser als deklarierter fremdsprachenunterricht auf die realität vor in der sie in südtirol leben werden – keinem land in dem italienisch keine fremdsprache ist sondern die zweite landessprache, eine gleichwertige landessprache die jeder bewohner sprechen können sollte (andersrum ist das deutsch für kinder aus italienischsprachigen familien, nur um das klarzustellen).
Eine anerkennung der zweisprachigkeit als southtyrolean way of life würde auch in meinen augen längst überholte apartheidsystheme wie der proporz und die parzellierung jedes postens und jeder gemeindemietwohnung nach sprachgruppenzugehörigkeit. Sobald es keine sprachgruppen mehr gibt werden wir auch so weit sein eine gemeinsame identität für ein neues zweisprachiges südtirol – wo es eben um das miteinander, nicht nur das geregelte und halbwegs friedliche nebeneinander geht – reif sein.
Und daß dabei jemand seine identität verliert, das ist schmarrn. Zugegeben als kleine stichelei möchte ich anmerken daß es “deutsch-südtiroler” Carabinieri gibt, aber ich habe noch keinen “italienisch-südtiroler” Schütz gesehen… Mich würde es freuen so was zu erleben ;) Die SVP hat sich ja im grunde mit Durnwalder auch der anderen hälfte dieses (sic! ich lebe momentan in Wien) landes geöffnet, die grünen sowieso…