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Der Graf von Monte-Democratico

von am 18.04.2009 19:11, Rubrik philosophisches-politisches

„Das Denken ist fast nichts als ein großes Erstaunen.“ (Améry, Jean: Jenseits von Schuld und Sühne, Stuttgart 1977, 71.)


Mit Blick auf das Volk vergeht mir der Gemeinschaftssinn. Die, auf die politische Kultur bezogenen, Verhaltensstörungen von Landesfürsten und Parlamentspräsidenten zwischen Rassismus und Fetischismus gehen mir an die Österreich-Substanz. Das was mich zum Mitglied des Zwangsvereins „Geboren-in-Österreich“ macht, erzeugt momentan heftige Zentrifugalkräfte in der Patriotismusdrüse und löst damit Brechreiz aus. Die Demokratie führt sich selbst an der Nase herum und erteilt dem Ganzen noch Absolution damit. Die Teile sind verrückt geworden. Das unberechenbare Ressentiment gegen die Demokratie wendet sich in ihrem Namen gegen die Teile die sie ausmachen und schaltet sie einen nach dem anderen gleich. Der Demos versagt seinem Objekt kollektiv die Gefolgschaft und wähnt sich demokratischer denn je, indem er allem was ihm verbieten will zu sprechen seine Stimme gibt. Niemand am Monte-Democratico, überwindet sich für die Demokratie einzuspringen. Lieber lässt man sich da demokratisches Schweigegeld in Form der Usance in rauen Mengen und unter den Augen der desinteressierten Öffentlichkeit, auszahlen, wo nur radikales unkompromittiertes Einstehen für die Sache noch Rettung bringen könnte.

„Europa 2084“ inszeniert den vorläufigen Höhepunkt einer lange geplanten und stets durch die Rechte in Österreich betriebenen Entdemokratisierung des Monte-Democratico zu einer Relativierungsmaschinerie für die Leugner der Gewalt. Diese Gewalt, die unmissverständlich der millionenfache Mord an den Juden Europas ist, schreibt sich so durch die Geschichte Österreichs fort und wird von den Apologeten historischer Beliebigkeit und verlogener politischer Rhetorik als Fanal einer Demokratieshow benutzt deren Ziel nur in der Wiedereinführung des status quo ante 1945 besteht.

Wenn die demokratischen Kräfte der Republik, zumal direkt am Monte-Democratico, davon nichts wissen wollen, dann steht entweder die Qualität ihres Urteilsvermögens in Frage, oder die demokratiepolitische Konstruktion der Republik. Wenn Sozialdemokraten und Christlichsozialen darauf nichts anderes einfällt, als das demokratische Prozedere einfach weiterlaufen zu lassen, dann muss man sich über die Resistenzkräfte der Demokratie Gedanken machen.

Diese, alle Grenzen überwindenden, Demokratiezersetzung, in der Affirmation des Dritten Reichs und damit des Holocaust, steht symptomatisch für die Ich-Schwäche1 eines Volkes der Mörderkinder, das sich vom wohligen Schauer der eigenen Untaten nicht befreien will. Sich daher stringent für eine politische Mitte entscheidet, die der mörderischen Vergangenheit Tribut zollt, indem sie sie institutionalisiert. Kritik daran wird mit Hysterie gleichgesetzt und als Übertreibung abgekanzelt. Politik in Österreich geht dabei stets über partikulare Interesse des Nationalstaats Österreich hinaus und vertritt von Sozialismus bis Christus die Rechte und Interessen des europäischen Rechtsradikalismus. Der dann auch prompt am Monte-Democratico ein Forum für seine Ansichten über „Massenzuwanderung und Vermischung“ und die „Auslöschung des abendländischen Wesens“ („Ich könnte auch die Schlümpfe einladen“, Der Standard 16. April 2009) erhält.



Dieser Begriff drückt eine Störung in den Ich-Funktionen: Denken, Fühlen, Steuerung der Affekte, Wahrnehmung der inneren und äußeren Welt aus. Wer in diesem Feld der Psyche geschwächt ist, kann nur schwer innere Spannungen aushalten.


Kommentare

Was steht den postdemokratischen Verhältnissen entgegen? Allein selbstsicheres Eintreten für Solidarität, für bereitest aufgefächertes Freundschafsgefühl, mithin das Propagieren eines gewissen Maßes an Selbstlosigkeit: Der Ungeist der Postdemokratie des 21. Jahrhunderts wildert wie seine macchiavellischen Vorfahren in den Weidegründen gut gemeinter religiös-spiritueller Symbolik, bedient sich frech bei der Menschen Urängste, präsentiert sich ungeniert als Bringer von Schutz und Ordnung; ist durchschaubar in seiner Absicht, ein neues Mittelalter zu beschwören.

Christ und Kommunist, sowie jene zwischen ihnen, treffen sich – wenn ehrlich in ihrer Intention – in der Überzeugung und dem Anspruch, den Menschen an seine gern vergessene Fähigkeit zur stetigen Verbesserung zu erinnern. Gegen modernen Feudalismus braucht es gewinnende Appelle an Gemeinsamkeiten, also den Transport von positiven Gefühlen, sowie die rationale Gewissheit eines zu Mitgefühl und Aufrichtigkeit fähigen Individuums. Das sind die Schienen für einen Fahrplan wider die Geschichtswiederholung.

(…)

rama · 20.04.2009 15:11 · #

(…) as sind die Schienen für einen Fahrplan wider die Geschichtswiederholung. (…)

oder manchmal reicht auch alkohol am steuer ;)

r. · 20.04.2009 15:33 · #

Nichts kann weniger gewollt sein, als das positive zusammenwirken der Kräfte herbeizusehnen, die dieses Irrenhaus (mit-) verantworten.

St.Max · 30.04.2009 12:10 · #

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