rss-feed RSS Feed
Share on Facebook Share on Facebook
weitersagen Share on Twitter
Bookmark on Delicious Bookmark
Share this post at StumbleUpon StumbleUpon
drucken Diese Seite drucken

Rubriken:

Der Hermansche Atavismus

von am 29.07.2010 23:24, Rubrik

Das Debakel um Fiktionen setzt sich fort


I
Dass sich Eva Herman nach den Maßstäben von “politisch-korrekt” häufig und gerne in der Ebene vergreift oder ganz einfach mal in Fettnäpfchen tritt, hat sie jüngst wieder der wogenden deutschen Medienlandschaft nachdrücklich unter Beweis stellen müssen. Problematisch bei Frau Herman dürften wohl ihre ohne großen Hehl, mitunter sogar stur und resolut zur Schau gestellten alttestamentarischen Überzeugungen sein, die sie immer wieder in eine seltsam trübe Melange mit den Wertvorstellungen heutiger Ethik zu bringen bzw. diese gar damit zu ersetzten versucht. Aber was heißt schon bitte reaktionär. Angesichts der Zeitlichkeit, die Frau Hermans Vorstellungen in ein phylogenetisches Erdaltertum zurückwerfen, wär selbst die Bezeichnung “Anachronistisch” noch ein purer Euphemismus, völlig lächerlich. Atavismus dagegen schon sehr viel pointierter, wenn nicht sogar zur Gänze zutreffend. Und in der Logik des atavistischen Weltbildes, das Frau Herman zu Tage legt und es auch noch laut Hals, ganz in messianischer Tradition als frohe Botschaft in die Welt hinausschreit, könnte man sie ohne Bedenken mit dem Prädikat “Meinungsmissbildnerin der Stunde” belegen (um den sowohl ätiologischen- wie spirituellen Implikationen dieses Begriffs Rechnung zu tragen). Hart verdient – aber fair will ich meinen.

Die jähen Aussagen Eva Hermans zu der erst kürzlich eskalierten Technoparty, der Loveparade, haben einige Gemüter ob der eklatanten Formulierungen der genannten Dame kräftig hoch gehen lassen. Und mit ein bisschen Fantasie weiß man nach der Lektüre von Frau Hermans Artikel “Sex und Drogenorgie Loveparade: Zahlreiche Tote bei Sodom und Gomorrha”, den die ehemalige Nachrichtenberichterstatterin der ARD für den Internetableger des Kopp Verlages verfasst hat, welche scharfe Zeitdiagnose Frau Hermann damit postuliert wissen will. Der Titel hält auf jeden Fall was er verspricht, eine moralinsaure Litanei über den sündigen Abfall aller Normen, die entsetzliche Freizügigkeit mancher Mädchen, die gar barbusig (!) auf der Parade tanzen (seien wir jetzt mal froh, dass Frau Herman das nicht selbst tut) und dass es dort, auf der Loveparade, doch gar nicht um Liebe, sondern doch nur ums Ficken geht! So hört sich Eva Hermans Grundtenor an, der zugegeben nicht ohne unfreiwillige Komik, die verkalkten Töne einer “Fünfziger Jahre” Semantik parasitiert, als der Aufstand der Kinder los ging und sich dabei, wahrscheinlich ohne selbst davon Notiz zu nehmen, wie ein altes, belehrendes Großmütterchen gebart. Wirklich fundierte Kritik, kann das nicht sein, eher das Anwerfen einer Gebetsmühle, aber um eine kritische Position geht es Frau Herman auch gar nicht. Ihre Art, ist eine belehrende.

Die Loveparade mag man finden wie man will. Wer auf warmes Bier und dessen Ausdünstungen auf fremden Leibern steht mit denen man in der Menge unweigerlich in Kollision gerät, darf sich freuen und gerne auch stolz darauf sein, keine Berührungsängste zu haben. Wer lieber auf Alkoholvergiftung und kitschiges Musikantenstadl steht, wird sich in alpinen Gefilden offensichtlich wohler fühlen. Exzesse kennen keine ideologischen Grenzen, nicht mal -oder erst Recht nicht dann, wenn sie selbst ideologisiert werden. Dass weiß die aufmerksame und aufgeklärte Leserschaft, die sich auf Frau Hermans Aussagen deshalb zunächst darüber gelangweilt geben darf, nichts neues von der Journalistin zu vernehmen. Aber das ist ja gerade das Programm von Frau Herman, die, ob des auf den zuvor schon hingewiesenen Atavismus, ganz bei sich selbst ist, wenn sie mal wieder aus dem Alten schöpft. Bestimmt glaubt sie sich noch der Häresie schuldig, wenn sie selbst die Fäden in die Hand nimmt, und das Schicksal, Gottes Plan in Frage stellt – ihr Zeitalter ist nicht das der Empirie. Eine zugegeben überspitze Formulierung, ein zynischer Seitenhieb auf die Autorin hier, der aber gar nicht mal so ungerechtfertig scheint, wenn man sich den immer groteskere Züge annehmenden Atavismus Hermanns gewahr wird, der im Text auffallend zu nimmt. Da heißt es plötzlich in einer etwas entrückt und weltfremden Manier:

“Liebe? Oder Triebe? Man muss nicht ausgesprochen prüde sein, um sich hier nach kurzer Zeit mit Grausen abzuwenden. Riesige dunkle Wolken der Enthemmung und Entfesselung treiben über dem Geschehen, die jungen Menschen wirken, als hätten sie jegliche Selbstkontrolle abgegeben, ekstatisch und wie im Sog folgen sie dem finsteren Meister der sichtbaren Verführung.”(Hermann, Eva; Kopp Online).

Finsterer Meister der sichtbaren Verführung? Da muss wohl der Satan höchstpersönlich am Werke sein, der da so vielen Menschen, die Selbstübergabe einfordert und sie auf die schiefe Bahn, direkt in den Tunnel bringt. Sicher, nur der, der den Teufel anbetet, kann sich zu derart heftigem Sex- und Drogenkonsum verleiten lassen. So könnte man, wenn man Eva Hermann Exegese betreibt, es hier zwischen den Zeilen lesen, allegorisch. Passend scheint genannte Aussage zu dem letzt veröffentlichten Beitrag von Stefan Marx zu sein, nachdem auch diese Dame mit einem obskuren Illusionismus flirten dürfte, der offenbar ein noch weit verbreiteterer Realitätsersatz zu sein scheint, als bisher vermutet. Frau Herman aber weiß diese Position geschickt zu relativieren und übersetzt den finsteren Meister der sichtbaren Verführung in sein säkulares Pendent und schiebt alle Schuld verkifft freizügiger Freizeitgestaltung auf die bösen Achtundsechziger und deren Konzept von “Befreiung” wie sie entrüstet schreibt.

“Selten wurde ein Begriff [Liebe] mehr durch den Dreck gezogen als bei der Loveparade. Man fragt sich verzweifelt, welche Definition von »Liebe« die jungen Menschen durch derartige und leider selbstverständlich gewordene Falschbezeichnungen für das eigentlich Schönste und Höchste in dieser Schöpfung erhalten müssen? Die unheilvollen Auswüchse der Jetztzeit sind, bei Licht betrachtet, vor allem das Ergebnis der Achtundsechziger, die die Gesellschaft »befreit« haben von allen Zwängen und Regeln, welche das »Individuum doch nur einengen«. Wer sich betrunken und mit Drogen vollgedröhnt die Kleider vom Leib reißt, wer die letzten Anstandsrnormen feiernd und tanzend einstürzen lässt, und wer dafür auch noch von den Trägern der Gesellschaft unterstützt wird, der ist nicht weit vom Abgrund entfernt. Die Achtundsechziger haben ganze Arbeit geleistet!” (Hermann, Eva; Kopp Online)

Befreiung – was für ein ungnädiges Wort. (Warum Herman ausgerechnet die Achtundsechziger verachtet, bleibt, ob ihrer eigenen Fehde mit der Bildzeitung jedoch ein Rätsel). Ein Hinweis auf die Römische Dekadenz hätte in diesem Kontext vielleicht auch nicht schaden können, aber die Römer hielten sich immerhin dankenswerterweise Sklaven und waren damit Vertreter der Unfreiheit. Also doch kein so gutes Beispiel für Zwanglosigkeit. Vermeint man eingangs, dass Frau Hermann sich nun ein etwas griffigeres Feindbild geschnitzt und den Sprung von einem atavistischen Weltbild zu einem reaktionären geschafft hat, will man sich zunächst über den persönlichen Fortschritt der Autorin freuen, aber da kippt sie auch schon wieder in alte Muster, wenn sie den Ausgang der Technoparty, der aufgrund einer Massenpanik 21 Todesopfer, darunter größtenteils junge Menschen, forderte, mit einer zweifelhaften Logik der Vergeltung beschreibt.

“Viele sind durch das ausgeuferte Unglück ernüchtert und wach geworden, herausgerissen aus der falschen Traumwelt. Etliche der jungen Leute werden sich das nächste Mal genau überlegen, ob sie sich noch einmal auf eine solche »Massenparty« einlassen. Den Familien und Angehörigen der Toten gebührt tiefstes Beileid, sie haben schwerste Zeiten vor sich.
Für die Zukunft wurden jedoch Weichen gestellt: Denn das amtliche Ende der »geilsten Party der Welt«, der Loveparade, dürfte mit dem gestrigen Tag besiegelt worden sein! Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen! Grauenhaft allerdings, dass es erst zu einem solchen Unglück kommen musste.” (Hermann, Eva; Kopp Online)

Die Semantik einer Traumwelt scheint hier die Autorin wieder selbst zu bedienen. In geradezu alttestamentarischer Grausamkeit, hat hier womöglich ein zürnender und eifersüchtiger Gott, den Sodom und Gomorrha- haften Exzess gestraft und an 21 Menschen ein Exempel statuiert. Eventuell natürlich, wie Frau Hermann ihre Position zum wiederholten Male aufweicht. Nichts ist offenbar wirklich sicher, erst Recht nicht in der Welt der Gläubigen. Bedenklich ist allenfalls, dass Frau Hermann nicht stärker den Duisburger Oberbürgermeister Sauerland und die wirklich Verantwortlichen in die Pflicht ruft, anstatt farbigen Rauch zu produzieren und andere Mächte am Werk bei der Katastrophe glaubt, die auch noch in ihren Augen, endlich positive Auswirkungen zeitigen wird.

II
Dass Eva Hermann in ihrem Schlusssatz bedauert, kann ihr wohl niemand wirklich abnehmen. Niemand außer Kopp-Kollege Udo Ulfkotte. Er veröffentlichte nach der schmutzigen Presse rund um den Herman Beitrag zur Loveparade, einen Artikel in Kopp Online, der Eva Hermans Position heldenhaft verteidigt und sich in einem offenen Brief an Deutschlands Journalisten, ebenfalls voller Empörung über das Verhalten der Raver auslässt, alles mit erhobenem Finger versteht sich.

“Liebe Journalisten, haben Sie die Live-Bilder gesehen, auf denen Teilnehmer der Loveparade neben den Rettungs- und Leichenwagen tanzten, in denen die Opfer des Unglücks abtransportiert wurden? Die Bilder sind inzwischen auch an zahlreichen Stellen im Web dokumentiert. Es waren nicht einzelne Jugendliche, sondern viele. Sie tanzten in Ekstase um die Rettungs- und Leichenwagen. Könnte es sein, dass nicht Frau Herman, sondern diese Teilnehmer der Loveparade pietätlos waren?
und weiter:
Liebe Journalisten, haben Sie die zahlreichen Interviews Ihrer Kollegen mit Teilnehmern der Loveparade gesehen, bei denen Jugendliche mit den schlimmen Ereignissen konfrontiert wurden und dann in die Mikrofone brüllten, das sei ihnen völlig egal, sie wollten weiterfeiern? Auch das waren keine Einzelfälle. Wer hat denn hier die Opfer der Loveparade verhöhnt? War es Frau Herman oder waren es die zugekifften Teilnehmer der Loveparade, die trotz der Toten weiterfeiern wollten?” (Ulfkotte, Udo; Kopp Online)

Bezeichnend auch hier wieder wie im vorausgehenden Artikel “Der fröhliche Fundamentalismus der Gleichgültigkeit” der mehr als bedenkliche Versuch das eigene Fehlverhalten durch den Verweis auf die blinden Flecken der anderen aufzuwiegen. Doch Herr Ulfkotte hat noch einiges mehr aufzubieten, vor allem dann, wenn es um den offen zur Schau gestellten, christlichen Fundamentalismus seiner von der Presse verfemten Kollegin geht, die es jetzt gilt, als Märtyrerin darzustellen, weil sie den heimischen sensationsgeilen Journalisten Gelegenheit gibt, das vakuumierende Sommerloch mit bösen Geschichten über Eva Hermann zu füllen, anstatt den wahren Feind dieser Gesellschaft ins Auge zu fassen. Udo Ulfkotte verweist diesbezüglich auf eine ethnisch deutlich auffälligere Gruppe, die sich im Vergleich zu der Frau Hermann, doch einiges mehr heraus nimmt, als ihr zu steht.

“Liebe Journalisten, wenn Sie einmal sehen wollen, wer die Opfer wirklich verhöhnt, dann rufen Sie einfach einmal diese Internetseite deutscher Muslime auf – da werden die Toten »Kuffar« (Ungläubigen) als Strafe Allahs für ihren Lebenswandel dargestellt. Erregt sich auch nur ein Journalist der BILD-Zeitung darüber, dass deutsche Muslime den Tod der »Raver« als »Strafe Allahs« für die »Ungläubigen« und ihren Lebenswandel bezeichnen? Unsere muslimischen Mitbürger dürfen sich ungestraft so äußern – sie sind in diesem Land ja inzwischen auch Menschen erster Klasse. Eva Herman aber ist eine ethnische Deutsche, dazu noch blond und intelligent. Sie darf ihre Auffassung nicht einmal andeuten, sonst wird sie im Sommerloch zur willkommenen Sau, die eine Journalistenmeute johlend mit Stockschlägen durchs Dorf treibt.” (Ulfkotte, Udo; Kopp Online)

Ob sich Herr Ulfkotte darüber aufregt, dass seine muslimischen Mitbürger, eine semantische wie ideelle Isomorphie mit Eva Hermans Vokabular und Weltanschauung pflegen, ist wohl eher nicht anzunehmen. Womöglich schwebt es dem Mann nicht vor, auf die Ähnlichkeiten extremistischer Positionen hinzuweisen, sondern auf das Privileg, das den Muslimen zu kommt, mittlerweile in Deutschland Menschen erster Klasse zu sein, wovon eine ethnische Blonde wie Frau Hermann ja nur mehr träumen darf! Und merkbar wird der Verlust der eigenen Macht ja selbstverständlich immer nur dann, wenn der Fundamentalismus in den Minderheiten seltsam übergewichtig wird. Da will man dann in den eigenen Reihen ordentlich aufstocken. Und natürlich immer alles ohne fiktive Grundierung.


Kommentare

Schauerlich!

Stephan mit ph · 30.07.2010 01:44 · #

Man müsste auch darüber nachdenken warum sich diese Leute einbilden es wäre jetzt ein guter Zeitpunkt solche verbalen Monstrositäten zu produzieren. Meist wird ja gespielt was gefällt.

St.Max · 02.08.2010 10:32 · #

Noch ein Schmankerl zu Frau Herman und der Jungen europäischen Studenteninitiative, die sich unter dem Kürzel “jes” firmiert: Am 20. Mai 2009 hat Eva Herman in der Schlösselgasse 11, als Gastvortragende der eben genannten Studenteninitiative fungiert. Diese Tatsache lässt es über die Maßen skeptisch erscheinen, welche politischen Ansichten jes pflegt und relativiert den Status einer vom braunen Muff gesäuberten wertekonservativen, christsozialen (Jung)Partei in Österreich, heute wie damals.

Ana · 02.08.2010 11:53 · #

Nun ja, ich glaube nicht wirklich, dass Eva Herman “Am Puls der Zeit” ist. Ist ja schon mit ihren “Eva-Prinzip”-Thesen ziemlich abgeschossen worden.

Stephan mit ph · 02.08.2010 14:59 · #

Ja schon, aber öffentliche Empörung und unbewusste Affirmation stehen sich zwangsweise im Weg in dieser Welt. Das Urteil spricht ja dann meist erst die weltgeschichtliche Katastrophe. Helmut Qualtinger sagt im Playboy-Interview darüber was ihn an Hitler interessiert (nach der ‘Mein Kampf Tournee’): “Die Faszination der Dummheit und des Unartikulierten, die über das Geprägte hinausgeht.”
Ich denke das ist eine sehr schlaue Beobachtung die mein voriges Kommentar ein wenig konkretisiert.

St.Max · 02.08.2010 16:52 · #

Unterm Kerner hätte es das nicht gegeben!

http://www.youtube.com/watch?v=ojPDXOQ2ISU

PV · 02.08.2010 18:16 · #

Muss mich Stefan anschließen. Nur weil es atavistisches Gedankengut gibt ist, was eigentlich längst demodé ist, heißt das noch lange nicht, dass ein solches keinen Zuspruch findet. Aber “am Puls der Zeit” ist es selbstverständlich in keinster Weise, da hast Du zum Glück Recht!

Und was den Rausschmiss bei der Kerner Show betrifft, so ist das nur konsequent, wenn man die Öffentlichkeit und Senta Berger nicht weiter empören will. Aber irgendwie spielt man da dem “Feind” doch das Wasser auf die Mühlen zu.

Ana · 02.08.2010 18:51 · #

Der Fall Herman ist deshalb so interessant, weil er frappierende Parallelen zur gesellschaftlichen Entwicklung in den 50er und 60er Jahren aufweist. Auch in dieser Zeit wurde man für Äußerungen, die nicht der veröffentlichten (konservativen) Meinung entsprachen, von Medien und sämtlichen Autoritäten spazierengewatscht. So wie es Herman nach der Veröffentlichung ihrer gegenmodernen Thesen ging. Die Akteure (Spontis und Co.) von damals fühlten sich nicht eingeschüchtert, sondern im Gegenteil dazu angestachelt ihren Weg fortzusetzen und schüttelten weiter und ganz unverdrossen am Watschenbaum, bis schlussendlich ein neues Gesellschaftsverständnis etabliert wurde. Auch Herman scheint sich seit der Kontroverse um ihr erstes Buch, aufgrund der teilweise unsportlichen Kritik, eher radikalisiert zu haben.

PV · 02.08.2010 21:01 · #

Die Kritik muss nicht zwingenderweise “unsportlich” sein, damit sie den/die Kritisierte in eine bequeme Position der Opferrolle laviert. Es reicht auch nur, dem menschenfeindlich unreflektierten Succus solcher Aussagen , wie sie eine Herman von sich gibt, mit einem klaren “Nein – in unserer Gesellschaft nicht mehr” zu begegnen, damit eine solche reaktionäre Gesinnung sich wieder selbst bemitleiden darf und sich als Wolf im Schafspelz als die eigentlich subversive, gegen eine pervertierte Norm sich mutig aufbäumende Wegbereiterin des Guten tarnen kann. In dieser Weise parasitiert sie jedoch einen Diskurs, der ihr nicht zu steht, ist sie von diesem doch qualitativ sehr scharfkantig zu unterscheiden. Haben die Vertreter der Beatgeneration und der Achtundsechziger Revolte ihr gegenwärtiges Weltbild, mithin den ranzigen Zeitgeist klar suspendiert und versucht, neue Bilder auf den Plan zu rufen (was zugegebener Weise -etwas auch in Radikalisierungen verunglückt ist) und das Leben neu zu beschriften, beruft sich eine Gesinnung, (Modell, Gedankengebäude) wie sie in der Person Eva Hermans hypostasiert wird, dagegen immer – das Wort reaktionär verrät es schon – auf ein Altes, verlebtes, überlebtes, worin in skurrilen Deutungen der “rechte Weg” adressiert und ein rückwärtiges Denken heraufbeschwört wird.

Man sieht: Es handelt sich bei diesen Positionen um qualitativ unterschiedliche Phänomene, die man nicht vermengen sollte. Und für diese sollte man sich Zeit nehmen und sie ausdifferenziert betrachten. Es ist eben nicht immer alles dasselbe.

Ana · 03.08.2010 01:41 · #

Ana: Der letzte Absatz ist einfach absolut richtig! Sehr schön formuliert.

St.Max · 03.08.2010 10:02 · #

1. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Mechanismen wie von seiten des (medialen) Mainstream mit gesellschaftlichen Mindermeinungen damals und heute umgegangen wurde, formell ident sind.

2. Inhaltlich habe ich mich nicht geäußert. Die “scharfkantige Unterscheidung der Qualität der Positionen” nimmst Du aus heutiger Sicht und der dazugehörenden Sozialisation (und ziemlich apodiktisch) vor. In den 50er Jahren hätte man mit diesem Satz wahrscheinlich genau die Überlegenheit des Gegenteils “belegt”.
Auch das Argument, es handelte sich bei Hermans Position um etwas “Altes” überzeugt nicht. Auch die 68er Positionen sind nicht erst heute Vormittag proklamiert worden. Damals opponierten die 68er gegen die aktuellen Autoritäten, heute opponieren die Konservativen gegen die 68er von damals. Ein Rückschluss auf die Qualität der Positionen lässt sich so kaum machen.
Ein Beispiel für “unsportliche” Kritik ist etwa der Anwurf, dass ein Vortrag von Herman relativieren würde, die JES wäre von “braunem Muff” gesäubert. Davon abgesehen, dass Vokabeln wie “gesäubert”, und weiter oben “parasitiert” an dunkle Zeiten erinnern und keine Verwendung mehr finden sollten, muss gesagt werden, dass sowohl Herman, als auch die JES traditionelle katholische Ansichtern vertreten. Was lässt bei Herman bzw. JES auf “braunen Muff” schließen?

PV · 03.08.2010 17:49 · #

Zunächst einmal ist es mir nur möglich aus der sozialen Mitgift meines Umfelds heraus Dinge zu bewerten. Das schießt mich nicht ins Abseits, nicht Stellung beziehen zu können. Die Achtungsechziger Revolution war nur ein Beispiel ohne Anspruch auf Aktualität. Wer das nicht versteht, sollte vielleicht noch einmal die Grundschule besuchen. Ein Rückschluss auf die Qualität der Positionen lässt sich denk ich sehr wohl machen, da ihnen ein völlig unterschiedliches Programm (was ich -wie du es so liebst -“formell” im obgeposteten Kommentar skizziert habe) eingeschrieben ist. Eine strukturelle Analogie zum Thema Radikalisierung besteht zweifelsohne, das kann man gern behaupten. Viel interessanter und spannender ist es aber, gerade deshalb diese Phänomene differenzierter zu betrachten und auf ihre spezifische Qualität hin zu überprüfen. Literatur ist auch nicht immer das gleiche, nur weil sie in Buchform erscheint. Nota bene!

Und wenn mein Schluss, Eva Herman sei ein von alttestamentarischen, atavistischen Ideen getriebener Mensch nicht überzeugt, würde ich gerne eine Gegendarstellung dazu vernehmen. Ich bin gerne bereit mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. So viel zum Thema apodiktisch. Aber dann geh auch bitte auf ihren Artikel ein.

Was jes und Frau Herman selbst betrifft, so möchte ich, was erstere betrifft, Dich auf Deinen eigenen Hinweis der Johannes B: Kerner Show zurückweisen und Frau Hermans Aussagen zu den ewig ausgelutschten Topos der Autobahnen im dritten Reich. Darauf wichst sich die nicht geschichtskundige Mehrheit immer einen, wenn sie endlich mal wieder Gelegenheit wittert, den Adolf zu loben. Das jes nun eine solche Person zu sich einlädt, lässt mich leider hinsichtlich ihrer politischen Einstellung sehr skeptisch werden.

Ana · 03.08.2010 18:57 · #

Ach so ja, und was mein Vokabular angeht, um das Du Dich so sorgst. Ich hab es durchaus auch ein wenig auf Provokation abgesehen, das muss ich schon zu geben. Was das Wort parasitiert angeht, so muss ich aber erstaunt fragen, in welchen problematischen Kontext es gebraucht wurde? Ich kenne dieses Wort nur aus Zoologie und Philosophie.

Ana · 03.08.2010 19:06 · #

„Zunächst einmal ist es mir nur möglich aus der sozialen Mitgift meines Umfelds heraus Dinge zu bewerten. Das schießt mich nicht ins Abseits, nicht Stellung beziehen zu können.“
Genau, genauso wie Herman, kannst auch Du und jeder sonst seinen Standpunkt dartun. Wir wollen ja in unserer pluralistischen Gesellschaft niemanden ins Abseits stellen.

„Und wenn mein Schluss, Eva Herman sei ein von alttestamentarischen, atavistischen Ideen getriebener Mensch nicht überzeugt, würde ich gerne eine Gegendarstellung dazu vernehmen.“
Ich gehe mit Deiner Entdeckung konform, dass es sich bei Frau Herman um eine strengreligiöse, katholische Frau handelt. Eine Gegendarstellung ist daher nicht nötig.

„Autobahnen“
Da hast Du Recht. Autobahn, geht halt nicht.

„parasitiert“
http://www.shoa.de/drittes-reich/propaganda/202-sprache-unterm-hakenkreuz.html

PV · 03.08.2010 20:22 · #

Ja, Parasit und Bazille das leuchtet mir ein, ist schon sehr problematisch. Zu meiner Verteidigung (!!!), ich wollte das Wort unpolitisch verstanden wissen, damit nur einen Vorgang beschreiben und keine Personen direkt damit adressieren, das wär schon grausigste Diskriminierung. Und Eva Herman hat selbstverständlich wie jeder dieselben Rechte auch wenn ihr Kopp Kollege das Gegenteil behauptet ;).

(Trotzdem sollten auch wir Stellung dazu beziehen!)

Ana · 03.08.2010 20:56 · #

|