rss-feed RSS Feed
Share on Facebook Share on Facebook
weitersagen Share on Twitter
Bookmark on Delicious Bookmark
Share this post at StumbleUpon StumbleUpon
drucken Diese Seite drucken

Rubriken:

Immer wieder Österreich?

von am 06.07.2010 11:44, Rubrik

Wir sollten mehr über unsere Gedenken nachdenken.


Am 1. November 1933 verkündeten die Austrofaschisten das Standrecht, um die 1920 abgeschaffte Todesstrafe wieder einzuführen.
Das Regime bewies sofort die Treffsicherheit ihrer Maßnahme indem Johann Breitwieser, Sohn eines reichen Bauern, der seine schwangere Geliebte ermordet hatte von Justizminister Schuschnigg auf lebenslange Kerkerstrafe begnadigt wurde. Peter Strauss, ein „schwachsinniger Vagabund“, hatte nicht so viel Glück. Als er im Rausch und im Affekt eine Scheune anzündete wurde er hingerichtet. [Talos/Neugebauer [Hg.]: Austrofaschismus: 301]
Es kam zur Ausschaltung der demokratisch legitimierten Partei der Sozialdemokraten und massenhaften Verfolgung politischer GegnerInnen sowie der Zerstörung der Demokratie und der Errichtung eines „Ständestaats“.
Am 19. Juli 1934 wurde die Todesstrafe „auf den bloßen Besitz von Sprengmitteln erstreckt“ (ebda.: 307).
Die Gerichte bekämpften illegale Publizistik, die Politik ließ unter anderen Maria Lazarsfeld-Jahoda inhaftieren, und zensurierte jeglichen Kunstbetrieb. Anhaltelager wurden eingerichtet und es kam zur Mehrfachverfolgung von Straftaten.
Dabei war alles umsonst: „Standgerichtsbarkeit und Todesstrafe, Strafhaft und Anhaltelager haben den ‚Ständestaat’ nicht stabilisiert – im Gegenteil.“ (ebda.: 317).
Willkür und Terror öffneten die Tore für den folgenden Ausnahmezustand und bereiteten die Infrastrukturen für den Nationalsozialismus mit.

Am 26. Juli 2010 wird im Kanzleramt dem politischen Kopf des Austrofaschismus eine große Ehre zu teil. In der Hauskapelle wird Engelbert Dollfuß (wie jedes Jahr) im Rahmen einer Gedenkmesse für verstorbene Bundeskanzler gedacht. Denken wir darüber nach.


Kommentare

Ich wär´diesbezüglich für die Einführung einer neuen Etymologie mit dazu passendem Handlungsimperativ. Das “Geh – Denken!”

Ilic scripsit :)

Ana · 06.07.2010 14:58 · #

“Willkür und Terror öffneten die Tore für den folgenden Ausnahmezustand und bereiteten die Infrastrukturen für den Nationalsozialismus mit.”

Ich bin gerade darüber gestolpert, wie die Studentenfraktion “JES” dieses geschichtlichen Ereignisse interpretiert (Seite 12) und bin jetzt ganz verwirrt. Hat die Dollfuß bzw. Schuschnigg-Regierung dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet oder diesen bekämpft?

www.jes.or.at/jesneu/wp-content/uploads/2009/10/jessasna_1-09.pdf

PV · 06.07.2010 21:10 · #

aerosol.cc-Bericht zeigt Wirkung:
Schlagzeile im Standard (7.Juli 2010): “Kanzleramt sagt Dollfuß-Gedenkmesse ab. Nach Jahrzehnten erstmals kein Gedenken”.

aerosol · 07.07.2010 08:36 · #

PV: Du solltest deine Informationen lieber aus seriösen Quellen beziehen. Du hängst einem ausgeprägten Obskurantismus an was historische Ereignisse betrifft. Ausserdem scheint mir der Versuch beständig die faschistische Vergangenheit Österreichs zu relativieren politisch sehr bedenklich.

St.Max · 07.07.2010 08:39 · #

die zeitschrift heißt “jessesna” — der name ist programm ;)

r. · 07.07.2010 08:57 · #

Ich geh mal ganz unschuldig davon aus, dass PV einfach nur schockiert war, als er die Jes Broschüre erspäht hat und darauf aufmerksam machen wollte, wie konsequent man in Österreich noch den Topos der Geschichtsverdrängung bedient. Eigentlich ein alter Hut das ganze, schon richtig peinlich, wenn man so was sieht. Da muss man sich selbst als Aussenstehende/r dafür schämen

Ana · 07.07.2010 15:48 · #

Aha, „sehr bedenklich“ also.
Vorweg bemerkt, die JES-Kandidaten, die Bilder auf der JES-Facebookseite zeugen davon, scheinen sehr stilsicher zu sein. Weiters scheinen mir ihre Ansichten auch von wissenschaftlicher Seite, der Historiker ao.Univ.Prof.Dr. Lothar Höbelt ist zum Beispiel Ehrenmitglied der JES, eine gewisse Legitimation zu erfahren.
Aber ganz allgemein ist natürlich das metapolitische Interpretieren von historischen Ereignissen, die fehlende Objektivität, eine ungute Sache. Das trifft aber auch die linke Sicht auf die Geschichte, die den Kampf der Christsozialen gegen die Nationalsozialisten zu relativieren sucht. Es bleibt zu bedenken, dass bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Auf den Straßen bekriegten sich die politischen Lager. Die von der Regierung verbotenen Nazis verübten unter der Führung Theodor Habichts und mit logistischer Unterstützung aus dem Dritten Reich zahlreiche blutige Anschläge, um die österreichische Regierung zu schwächen und den Anschluss an Nazideutschland vorzubereiten. Dollfuß wurde in der Folge von putschenden SS Männern ermordet. Also den Christsozialen vorzuwerfen, sie hätten den Nazis mehr oder weniger den Weg geebnet, scheint mir unzulässig. Natürlich bedeutet das nicht, dass Unrecht, welches von Christsozialen in dieser Situation Unschuldigen zugefügt wurde, weniger schwer wiegt. Es bleibt aber dabei, dass die NSDAP in Österreich am 19.06.1933 durch die Christsozialen verboten und bekämpft wurden. Wo war der Widerstand der Sozialisten gegen die Nazis zu diesem Zeitpunkt? Wie die österreichische Gesamtbevölkerung schlussendlich zum Anschluss stand, kann ich nicht beurteilen. Dass sich die christsoziale Regierung aber lange und solange es möglich war gegen nationalsozialistische Umtriebe heftigst wehrte, scheint mir einfach ein Faktum zu sein.
Andererseits bin ich auch der Meinung, dass seine Hoheit Otto von Habsburg hier etwas zu pointiert formuliert hat: http://orf.at/080310-22766/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2F080310-22766%2F22767txt_story.html

PV · 07.07.2010 17:03 · #

herrn höbelt in diesem zusammenhang zu zitieren kommt einer geschichtsklitterung gleich. die aufrechnung, auch in kurzform, überträgt das angerichtete unrecht und das, von ernstzunehmenden geschichtswissenschaftlichen erkenntnissen gedeckte faktum, der zersetzung der demokratie durch die cs nicht ins recht.

St.Max · 07.07.2010 19:52 · #

aus dem heutigen Standard: gedenkmesse findet quasi trotzdem statt, allerdings am 2. november und im gedenken an “alle verstorbenen kanzler und mitarbeiter des kanzleramtes” (APA/Stamdard 08.07.2010, s.7) — das bedeutet jetzt wohl, es wird neben Dollfuß auch dem Schuschnigg und dem Seyß-Inquart mit-gedacht. tja.

r. · 08.07.2010 10:53 · #

danke her st.max für diesen kurzen beitrag.

muad'dib · 09.07.2010 10:05 · #

|