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voll im bilde

von am 22.04.2010 13:04, Rubrik

schlechter journalismus ist plakativ, und in einer zeitung (und online umso mehr) sagt ein bild – sprichwörtlich – mehr als tausend worte. aus aktuellem anlass zur einführung des schwangerschaftsabbruchspräparats Mifegyne (RU 486) in italien (und folglich auch südtirol) eine kleine bildwissenschaftliche analyse der stol.it berichterstattung.


es steht außer frage, dass die Tageszeitung Dolomiten kein qualitätsblatt ist, sondern ein konservatives, erklärt kirchentreues provinzorgan mit zu wenig konkurrenz, um seine redakteure und heruasgeber dazu zu bewegen mehr auf qualitätsjournalismus zu achten. was für die zeitung gilt, gilt umso verschärfter für den fast boulevardesken online ableger der Dolomiten, stol.it – wobei ja gerade die schlechte qualität dem lesegenuss keinen abbruch tut (so lange nicht allzuviele und allzugrobe grammatikfehler im text sind), ganz im gegenteil. aber diesmal geht es nicht um den text auf stol.it, sondern um die bilderauswahl.

stol.it berichtet also über die freigabe der sogenbannten abtreibungspille Mifegyne in südtirol und spendiert dem artikel auch gleich ein extrem aussagekräftiges bild:

das bild, welches den copyrighthinweis “(c) 2010 D” trägt, und wie der artikel also eine eigenproduktion der Dolomiten-redaktion ist, spricht bände. das photo ist offensichtlich nachbearbeitet, am auffälligsten ist der blauton in dem das ganze bild gehalten ist. blau ist keine freundliche farbe, blau wird von den meisten menschen als kalt und abweisend empfunden – blau wird traditionell im christentum auch mit engeln in zusammenhang gebracht, dazu aber weiter unten im text mehr. auch ist das bild auffällig körnig und unscharf, in kombination mit dem blauton lässt die körnung das bild noch rauher und “unfreundlicher” erscheinen. damit ist schon das bauchgefühl im betrachter hergestellt mit dem er oder sie das bild anschauen wird (und wahrscheinlich in folge den artikel lesen wird).
obwohl eigentlich im bildhintergrund, fällt sofort die schachtel mit der aufschrift “RU 486” ins auge, erst in einem zweiten moment macht man die kleine pille zwischen zeigefinger und daumen einer frauenhand aus. damit ist etabliert: es handelt sich also im bild um eine ganz bestimmte pille – die ähnlich einer waffe oder munition mit einem buchstaben und zahlenkürzel identifiziert wird – und es handelt sich um eine pille für frauen. und die pille muss gefährlich sein, sonst würde die anonyme frau – man sieht ja quasi nur einen teil ihrer hand bzw ein paar finger – diese pille nicht so vorsichtig halten. und obwohl man so wenig von der frau sieht, kann man sich eigentlich schon ein bild von ihr machen. besonders auffällig sind ihre aufgeklebten fingernägel. durch die verschiebung ins blaue spektrum kann man die ursprüngliche farbe nur erraten, aber die fingernägel werden wohl rot lackiert sein. durch die körnung des bildes werden auch die falten und schatten auf der haut hervorgehoben, und die frauenhand erscheint ungepflegt, rauh und etwas aufgedunsen, in kombination mit den aufgeklebten fingernägeln fast ein bisschen wie klauen. im betrachter rattern die assoziationen – an ein unschuldiges mädchen, das ungewollt schwanger wurde wird wohl niemand denken.

“Es gibt alternativen!” lautet ein werbeslogan von abtreibungsgegnern in österreich. so subtil wird aber in südtirol nicht gegen abtreibung argumentiert , sondern vielmehr wird das eintönige bild der entweder etwas dümmlichen – weil entweder zu freizügig oder bestenfalls schlecht über verhütungsmittel informierten – und mit einem kind überforderten frau oder der karrieregeilen kampfemanze die für ihren erfolg über leichen geht gepflegt und bei jeder diskussion re-iteriert. auch gilt die maxime, frauen hätten im idealfall nicht abzutreiben, denn kinder seinen prinzipiell und in jeder lebenslage ein segen. es gibt aber tatsächlich auch alternativen zum ungewünschten kindersegen, und dazu gehört neben der “pille für danach” auch die pille für den schwangerschaftsabbruch.

trotzdem ist für die hardliner jede abtreibung ein mord, und das von der Dolomiten/stol.it-redaktion für den artikel gewählte bild passt perfekt in diese logik. es zeichnet die frau als herzlose, unsympathische (weil moralisch zweifelhafte) mörderin, die pille als tatwaffe, kaliber RU 486. wahrscheinlich ist es genau der umstand, dass Mifegyne die risiken für die frau bei einem schwangerschaftsabbruch quasi gegen null bringt, und seelische und physische belastung verringert (siehe hier und hier – sogar mit bild einer Mifegyne-packung, die ganz anders ausschaut als im besprochenen bild dargestellt). vielleicht werden frauen genau deshalb drei tage lang im krankenhaus festgehalten, nachdem sie mittels pille einen schwangerschaftsabbruch »begangen« haben (diese sehr treffende formulierung stammt von brennerbasisdemokratie.eu). das bild, das stol.it zum abtreibungsartikel bringt, schlägt genau in diese kerbe: die frau als kaltblütige DIY engelmacherin, die nicht mehr abhängig ist von der gunst von ärzten (die in italien übrigens aus “gewissensgründen” eine abtreibung nicht vornehmen müssen, sondern die frau elegant mit diesem hinweis an einen kollegen oder eine kollegin verweisen dürfen), sondern mit ihren manikürten händen nach der abtreibungspille greift wie nach einer süßen praline. die drei tage zwangsaufenthalt im krankenhaus scheinen wie vorauseilender gehorsam und implizite anerkennung des hauptargument militanter abtreibungsgegner, die pille fördere bzw ermögliche ‘unüberlegte, spontane schwangerschaftsabbrüche’ – obwohl alle zahlen in ländern wo die pille bereits seit über 15 jahren zugelassen und benutzt wird, in keinster weise darauf schließen lassen.

trotzdem, in südtirol muss man als frau, die den entschluss gefasst hat abzutreiben, für eine pillengabe ein “intensives gespräch mit einem arzt” bestehen, eine verpflichtende woche bedenkzeit verstreichen lassen und drei tage krankenhausaufenthalt einplanen – für eine methode des schwangerschaftsabbruchs wohlgemerkt, dessen zielsetzung bei der entwicklung war, den patientinnen eine natürlichere methode des schwangerschaftsabbruchs zu ermöglichen, die sie unabhängiger macht von der ärzteschaft, die ihnen mehr selbstbestimmung und selbstverantwortung gibt. wählt man klassische abtreibungsmethoden, erscheinen diese in den augen – und besonders in den tendentiösen beschreibungen der abrtreibungsgegner – als adequate bestrafung für die frau, man braucht keinen zwangsaufenthalt dranhängen, die frauen könnten ja im krankenhaus die hilfe eines psychologen oder therapeuten in anspruch nehmen, um das trauma der abtreibung schneller zu verarbeiten.

nachtrag:
übrigens mischt sich sogar ein xenophobes element in die berichterstattung zur “abtreibungspille” von stol.it – in einem follow-up artikel erfährt der geneigte Dolomiten/stol.it-leser, dass die zahl der abtreibungen in südtirol rückläufig ist, aber tendentiell mehr “ausländerinnen” abtreiben als “südtirolerinnen”. wir wissen also wem die hand im bild gehört. einer ausländerin.


Kommentare

Da sieht man mal, was passiert, wenn Verhütung nur Frauensache ist…..;) [Abtreibungen über Abtreibungen über Abtreibungen.]

Ana · 22.04.2010 19:21 · #

Na, da werden sie sich aber freuen, dass Ausländerinnen tendentiell mehr abtreiben. Zumindest ist die biologische Überfremdung durch gebärfreudige Ausländerinnen damit noch nicht so schnell zu befürchten…

Stephan mit ph · 22.04.2010 21:06 · #

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