Die Anmerkungen zur Muffigkeit des Themas hat etwas von der Schlussstrichdebatte in der Geschichtswissenschaft. Ist es überhaupt noch zeitgemäß, mit Kritik des vorigen Jahrhunderts an so moderne Denker wie Martin Heidegger heranzutreten? Ich denke, die Frage beantwortet sich von selbst. Die Denkfiguren, die Individuen aus ihren Überlegungen ausklammern, häufen sich nicht zufällig um die Meisterschüler Heideggers und ihre Nachahmer. Was weiters so bedenklich ist an der Heideggerschen Philosophie ist die Grundfigur des Denkens, in dem die fetischistische Aufhebung der bekämpften Sache durch die bekämpfte Sache nur scheinbar erreicht wird. Ein Bewusstsein für diese Schwäche aufrechtzuerhalten scheint die einzige Möglichkeit, auch den von ihrem eigenen Anspruch her kritischen Denkern ein kritisches Bewusstsein zu ermöglichen.
Um aus dem Korsett der sogenannten „üblichen“ Verdächtigungen und Anschuldigungen auszubrechen, hier einmal das Programm in Kurzform von einem „Unverdächtigen“.
Um mit Nietzsche zu sprechen lautet der Vorwurf, das Sprachvermögen der Sprache ins Unermessliche vermehrt zu haben, dieses aber auf eine Weise, die sie als aufgelöste und gleichsam elementarisch Gemachte kennzeichnet. (Nietzsche 501) Verstehbar wird sie so am besten für den „deutschen Jüngling“ und sichtbar in den Grenzen zweier Wörter, die Mystik und Logik ins Endlose aufeinander zu dehnen. „Unendlichkeit“ und „Bedeutung“. Dort fühlen sich diejenigen wohl, die sich auszeichnen durch „Gehorsam und lange Beine“ (Nietzsche 504). Dort hören sie „mit Zittern, wie in seiner Kunst die großen Symbole aus vernebelter Ferne mit sanftem Donner laut werden“ (Nietzsche 503). Aber „Wotan ist der Gott des schlechten Wetters“ (Nietzsche 504). Heidegger ist der Gott der schlechten Abstraktion.
Die illusorische Anwendung von Abstraktionen ist ein Problem, das sowohl den Blick von Außen auf die Philosophie verunsichert, als auch den Blick der Philosophie nach Außen beeinträchtigt.
Zunächst eine einführende Bemerkung zur Grundlage dieses Problems, mit dem ich das bei Nietzsche zum Ausdruck kommende Unbehagen gegenüber der Mythologisierung von Abstraktheit erkenntnistheoretisch verbreitern will. Kant schreibt in der Kritik der reinen Vernunft im Kapitel über die Amphibolie der Reflexionsbegriffe: Dinge sind in der Reflexion entweder der Sinnlichkeit oder dem Verstand (Kant 380) zugeordnet. Entgeht dem Denken das zweifache Verhältnis oder soll es absichtlich ausgeschaltet werden, unterliegt die sich anschließende Überlegung einer Täuschung. Die Reflexion definiert Kant folgendermaßen: „Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können. Sie ist das Bewusstsein des Verhältnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhältnis unter einander richtig bestimmt werden kann.“ (Kant 378)
Eine Überbrückung diese Problems, der Versuch auf ein wahres Ding rein zu schließen, setzt sich dem Risiko dieser Amphibolie aus.
„Die Begriffe können logisch verglichen werden, ohne sich darum zu bekümmern, wohin ihre Objekte gehören, ob als Noumena vor den Verstand, oder als Phänomena vor die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit diesen Begriffen zu den Gegenständen gehen wollen, so ist zuvörderst transzendentale Überlegung nötig, für welche Erkenntniskraft sie Gegenstände sein sollen, ob für den reinen Verstand, oder die Sinnlichkeit. Ohne diese Überlegung mache ich einen sehr unsicheren Gebrauch von diesen Begriffen, und es entspringen vermeinte synthetische Grundsätze, welche die kritische Vernunft nicht anerkennen kann, und die sich lediglich auf einer transzendentalen Amphibolie, d.i. einer Verwechslung des reinen Verstandesobjekts mit der Erscheinung gründen.“ (Kant 386)
Letztlich ist man aber bei den transzendentalen Grundfragen wie der nach dem Sein immer mit dem Problem der Syntheseleistung des Verstandes konfrontiert.
„Das Einfache ist also die Grundlage des Inneren der Dinge an sich selbst. Das Innere aber ihres Zustandes kann auch nicht in Ort, Gestalt, Berührung oder Bewegung […] bestehen, und wir können daher den Substanzen keinen anderen inneren Zustand, als denjenigen, wodurch wir unseren Sinn als selbst innerlich bestimmen, nämlich den Zustand der Vorstellung, beilegen.“ (Kant 389/390)
Das bedeutet weiter, dass wir die transzendentalen Fragen, die „über die Natur hinausgehen“ (Kant 393) auch dann nicht beantworten können, wenn die ganze Natur aufgedeckt vor uns liegen würde. Also auch in Kenntnis aller Phänomenhaushalte bliebe die Antwort auf die Frage nach dem Sein in Abhebung vom Seienden eine der Phantasie. Die Anwendung der logischen Begriffe auf einen Gegenstand, der die Zuordnung von sinnlicher oder intellektueller Anschauung nicht zulässt, weil er etwa vorgängig sein soll, bleibt „in sich selbst widerstreitend“ (Kant 394). Daher muss man zwangsweise von ihm abstrahieren oder subjektivieren.
Der Seinsbegriff soll aber weder Abstraktion, noch aus subjektiver Anschauung erkenntlich sein, sondern ein allgemein gültiges, alles begründendes Konkretes, das sich der Wirklichkeit gegenüber wie ein Abstraktes verhält. Sein ist ein Reflexionsbegriff. Kants Einwand ist eine eindeutige Kritik der Hypostase von solchen Reflexionsbegriffen.
Die erklärte Aufgabe der Ontologie ist die Klärung der Bedeutung dessen was Sein heißt.
Sein aber nicht als allgemeinster Begriff des darunter gefassten, sondern etwas dem Seienden gegenüber qualitativ verschiedenes. Dabei erweckt Heidegger den Eindruck, Sein könnte sich als Abstraktum unter Absehung vom Seienden einstellen. Das ist eine falsche Abstraktion, weil es nicht unter Absehung von den besonderen Individuationen entstehen soll, sondern als ein Konstitutives postuliert wird, dessen Sekundäres das Seiende dann erst ist.
Die doppelte Frontstellung Heideggers geht gegen den Begriff sowie gegen die empirische Realität. Das Sein steht zwischen dem, was gesagt wird und dem, was gemeint wird. Aber hier kündigt sich die Amphibolie bereits an. Denn Begriffen wächst ja nie rein die sprachliche Aussage dessen zu, was sie meinen. Sie sind immer schon mehr als sie aussagen. Vor allem aber sind sie geschichtlich und in sich widersprüchlich, bezieht man sie auf die empirische Wirklichkeit. Da der Seinsmetaphysik dieser Bezug abgewöhnt wird, bleibt sie bei den Widersprüchen in den Begriffen stehen und versucht sie semantisch zu verdecken. Anstatt sie der Betrachtung zuzuführen, werden sie sprachlich verkleidet und suggestiv zur Anwendung gebracht ,um dann eben eine Interpretation zuzulassen, die sie nicht intendieren können. Der Begriff als Resultat von Abstraktion wird diesem Denken nur in der Form zugänglich, wie sie diese Form der Abstraktion einzig zulässt: als Zudeckung auf den Ursprung hin. Wenn man der Sprache also zusprechen muss, sie sei schon Erscheinung des in ihr gemeinten, dann erzeugt man damit eine mythologische Struktur im Denken. Durch die Abtrennung des Seienden vom Sein eben durch die negative Angst vor der Amphibolie macht sich Heideggers Ontologie der Theologie ähnlich. Sichtbar wird dies wiederum in der doppelten Akklamation eines Widerspruchs. Das Sein ist nicht Subjekt (denn das liegt ja zwischen Seiendem und Sein) und gleichzeitig tut es etwas. Es „lichtet“ sich, es „entbirgt“ sich, man meint fasst zu hören das es sich „offenbart“.
Dieses Sein, nicht Subjekt und doch tätig, soll abstrakt genommen und dann doch wieder das sein, was „eigentlich“ ist. Das was näher am Ausgangspunkt dessen ist, was sich im Seienden nur ereignet. Das Ontische (vom Bewusstsein unabhängige) wird ontologisiert. Hier wird eine Faktizität geschaffen, die das Faktische in Allgemeinheit auflöst. Ein Begriff des Nichtbegrifflichen wird ausgebildet, der das, was unter dem Begriff ja per definitionem gefasst ist, Nichtbegriffliches, subsumiert. Im Begriff des Seins geht die Welt als Phänomen ohne Rückstand auf, ohne das vom Seienden noch zu sprechen wäre. Daher scheint im Begriff der Geschichtlichkeit die konkrete Geschichte nicht mehr notwendigerweise auf. Das Dasein in der Geschichte, das den Menschen auszeichnet, steht also im Bezug auf das Absolute des Seins, das ihn letztlich ausmacht. (Nicht ihn determiniert! So leicht macht er es sich natürlich nicht.) Aber dadurch wird die Frage nach dem Subjekt zweitrangig hinter der nach dem Sein. Das Subjekt taucht nur mehr als Austragungsort des Seins auf. Die Geschichte tritt dem Menschen substanzlos und als Naturgesetz zugleich gegenüber. Das Individuum wird unter das Sein gestellt. Im Dasein verliert es sich an die durch das Schicksal entstehenden Kollektive.
Den Individualismus müsste man also erst hineinzwingen in „Sein und Zeit“. Grundsätzlich gilt, dass die „Fundamentalontologie“ alle einzelnen Sichtweisen wie Geschichte, Naturwissenschaft usw. ersetzen soll. Daher muss es einen allgemeinen Begriff vom Sein geben. Daher führt H eine Differenz ein zwischen den äußerlichen Einzeldingen und dem Sein selbst. (Ontisch/Ontologisch)
Der Mensch ist das privilegierte Seiende, das Fragen an das Sein stellen kann. (Das scheint mir übrigens von Schelling entliehen.) Dadurch werden Sprache und Dasein in eine enge Beziehung gesetzt. Heidegger meint die platonische Position darin auszuhebeln, dass er an die Stelle eines Wahrnehmers, der von der alltäglichen Erfahrung abgelöst existieren könnte, eben den Menschen als zutiefst verstricktes Wesen stellt. Die der Erkenntnislehre aufgegebene Subjekt-Objekt Beziehung soll fallen. Daher wird zunächst der unmittelbare Mensch seines abstrakten Begriffs entkleidet. Der Mensch ist der Gegenwärtigkeit überantwortet. Da wir aber in diese Situation „geworfen“ sind, sind wir dabei nicht wir selbst. Keine Existentialie des Seins. Unser Sein wird in der Interaktion mit anderen („Mit-Sein“) künstlich. Das Ich wird zum „Man“.
„Weil das Man alles Urteilen und Entscheiden vorgibt, nimmt es dem jeweiligen Dasein die Verantwortlichkeit ab. […] Das Man ‚war’ es immer und doch kann gesagt werden, ‚keiner’ ist es gewesen.“ (Heidegger)
Dieses Ich wird eben dadurch neutralisiert. Der Mensch ist entweder fundamental da oder er ist außerhalb der Rechnung. Abgesehen von den Implikationen dieser Trennung, die durchaus im Nietzscheschen, Spenglerschen oder Sombartschen Duktus der Trennung von Geist und Technik, raffendem und schaffendem Kapital, konkret und abstrakt liegt, hat man es hier mit einer umfassenden Einbindung und Ausschließung des Individuums zu tun. Die aus dem Erkenntniswechsel gewonnene moralische Autonomie vernichtet die ethische Verantwortlichkeit. Sobald ein „Man“ im Spiel ist, ist das Individuum entweder völlig schuldlos am Geschehen oder es affirmiert es, indem es zur Eigentlichkeit wird.
Die Regung der Angst authentifiziert das Man in Richtung Eigentlichkeit, gleichzeitig ist Uneigentlichkeit keine Folge einer falschen Entscheidung, sondern notwendiger Teil der Existenz, nur dass hier eben kein Subjekt als Ansprechpartner mehr vorhanden ist. Daher braucht diesem notwendig falschen Bewusstsein auch nicht, wie bei Marx noch, opponiert zu werden. Wir sind dem schlechten Zustand, in dem die Welt historisch jeweils ist (oder eher „zeitlicht“) verfallen.
Da das Grundphänomen des Seins also Geschichte ist („Zeitlichkeit“), kommt es zur Emulsion der Begriffe Erbe, Schicksal und Geschick. Geschick ist das dem Dasein des Ganzen Angemessene. Schicksal ist die Schickung des Einzelnen in das Dasein. Erbe ist die Vergangenheit, die in der Zukunft aufbewahrt wird. Zukunft erlangt nur Bedeutung als Erbe, Dasein muss Erbendes sein. Dieses Konstrukt muss immer wieder neu erfragt werden. Springender Punkt ist, jedenfalls für Heidegger, das Schicksal des Mit-Seins als Geschick des Ganzen. Der Tod als Ursprung der Reflexion des Seins meint hier nicht ein Zeitliches der Zeit, sondern die Zeit als ontologische Struktur, als Prinzip des Zeitigens. Also gerade auf das, was die Temporalität der Abfolgen im Sinne eines grundlegenden Prinzips in Frage stellen würde. Die horizontalen Koordinaten, die im geschichtlichen Charakter der Begriffe der Philosophie als Mittel der Selbstreflexion zuwachsen, werden hier auf einen Punkt hin konzentriert. Da sich Heidegger aber eindeutig gegen die subjektzentrierte Vernunft wendet, braucht er eine andere Lösung dieser Aporie. Es gibt bei ihm keinen Unterschied zwischen dem, was empirisch vernünftig wäre und dem was der Mensch zu einer bestimmten Zeit zu denken vermag. „Die Relation ist vor den Relata.“ Schreibt der geschätzte Kollege Hofer. Sein ist immer schon als etwas erkannt. Die „als“-Struktur ist eine apriorische Bezugsstruktur, die immer schon in einem Bezugsganzen oder Kontextrahmen eingebettet ist. Man ist immer schon in Bedeutung. Dabei erfüllt die grammatische Verformung dieses „Immer-schon“ des „als“ den Platzanweiser für ein Denken, das hierarchisch stratifiziert, ohne davon sprechen zu wollen. Es geht letztlich um den Ursprung. Wer näher am Ursprung denkt, behält Recht. So kann Heidegger ein Spezialwissen für sich reklamieren, mittels dem er das Sein einzukreisen versucht. Dabei bleibt es aber stets so weit von ihm entfernt, dass seine Philosophie davon nichts wissen muss. Im Gegenteil schafft er einen privilegierten Bezug zum Objektiven, der, da er ja eines Subjekts nicht mehr bedarf, nur mehr in einer Sprache seinen Ausdruck findet. Der Sprache Heideggers. Er beteiligt sich nicht an dem Denken der Philosophie, er baut sich sein Eigenes, in dem dann alles so gedacht werden kann „wiedewiedewie es ihm gefällt“. Seiner Sprache kann aufgrund der Ausklammerung des Empirischen dann natürlich auch keine Schwäche nachgewiesen werden. Nur sie beschreibt ja, was mit ihr gedacht werden kann, nur mit ihr kann man überhaupt denken, eine kritische Überprüfung des Gedachten ist immer wieder nur an ihrem eigenen Gehalt möglich, nicht aber an der Erfahrung.
All das wird sprachlich so arrangiert, dass es (wie ich durch manche Leser missverstanden dialektisch im letzten Aufsatz formuliert habe) ein Versprechen gibt, mehr zu sein als es ist, aber dabei gleichzeitig in seinen Aussagen (übersetzt man sie aus dem Jargon) nicht über die Erkenntnisse anderer Philosophien oder von Binsenweisheiten hinausgeht. Die anschaulichen Repliken des lieben Kollegen Hofers zu den Problemen des Man und des Todes zeigen das deutlich. Die Behauptung etwa der Zielrichtung auf Individuation ist eine lebensphilosophische Umdeutung der Möglichkeiten dieser aporetischen Theorie. Sie ist eine rein semantische Konstruktion, die zwar eine Möglichkeit aufweist, diese Struktur anders zu deuten als ich es getan habe, meinen Einwand aber nicht entkräftet. Denn wenn man das aus dem Jargon heraus übersetzt bleibt ja nur die triviale Feststellung über, dass der Tod willkürlich sein kann, dass ich selbst in der Hand habe, gewisse Entscheidungen zu treffen und in der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, die mir die Welt gibt, mein Leben bestreite. Das wird allerdings dann durch die Schicksals-Geschichtsphilosophie wieder außer Kraft gesetzt. Hier wäre schön gewesen, diesen Zusammenhang eventuell zu widerlegen, anstatt ihn durch eine eigene Interpretation umzudeuten.
Darüber hinaus wird das Subjekt gegenüber dem Sein aber nicht nur zweitrangig, sondern es wird in seiner Bedeutungslosigkeit gegenüber dem Sein noch bestärkt. Auch wenn die gestreute Binsenweisheit, jeder sei seines Glückes Schmied und es käme auf die Möglichkeiten des Lebens an usw. suggeriert, es wäre (simplizissimus) anders. Denn das Subjekt leidet, wenn es gewappnet ist, nicht an seiner Nachrangigkeit, sondern es fügt sich darin. Nimmt nur die Möglichkeiten wahr, die es aus der schlechten Situation unmittelbar ablesen kann. Man könnte sagen, wenn man das Brimborium der Worte weglässt: Die Antwort ist, das man keine Antwort geben kann. Immer wieder verweisen die Worte dieses Jargons auf Unmittelbarkeit und Konkretheit. Kaum wird aber ein Problem konkretisiert, wird es völkisch. Wie auch der geschätzte Kollege Hofer ja in Bezug auf „Sein und Zeit“ aufweist. Wenn er auch andere Schlüsse daraus zieht.
Der Faustsche Ausspruch leitet die Intuition an: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen/Wenn es nicht aus der Seele dringt/Und mit urkräftigem Behagen/Die Herzen aller Hörer zwingt.“ (Goethe 550)
In den Begriffen sedimentiert sich der Verwendungszweck der Philosophie, die um sie kreist.
Heimat, Heimatlosigkeit, Entwurf, Schicksal, Schicken. Die Struktur des reinen Seins wird in der Sprache Heideggers archaisch, die Setzung der Verbindungen von Wort und Bedeutung sind willkürlich, die Willkür wird gerechtfertigt als dem Sein selbst immanent, also unvermeidlich, die Philosophie wird auf Kosten des Individuums mythologisiert. Die Philosophie wandelt sich unter dem Diktat der Unterdrückung der Widersprüche in den Begriffen zu einer Ästhetik, die in einer rituellen Form durch Nennung pseudoarchaischer Zauberformeln und Neologismen die Gewalt, die im Begriff durch die Trennung vom Nichtbegrifflichen sublimiert wird, im Namen wieder hereinholen will. Die Kritik geht so als Selbstkritik der Subjekte dem Sein gegenüber, als Zwang zur Selbstrechtfertigung der Individuen vor dem Ganzen auf. Daher die Subsumtion unter das Kollektiv, die beim Heideggerschen Denken unvermeidlich ist und nur in der Dissemination an das Jenseits unterbrochen wird.
„Das historische Dasein kann seine eigene individuelle Eigentlichkeit nicht getrennt von der Gemeinschaft verwirklichen. Das Erbe, welches das Dasein in Eigentlichkeit annimmt, ist dann nicht einfach seine individuelle Geschichte, sondern irgendwie das Erbe des gesamten Volkes, mit dem es ist.“ (Heidegger)
Heidegger spricht in der Sprache der Metaphysik das aus, was die Nazis denken. Seine Entschuldigung ist, dass ja nicht der Mensch spricht, sondern dass die Sprache in ihm spricht. H ist entweder unpolitisch oder Nazi.
Ich bleibe dabei: Das, was am Sterben besprechenswert wäre, seine politische Herstellbarkeit, wird nicht thematisiert. Das wird übrigens auch von Hofer unter den Tisch fallen gelassen. Man könnte sagen, die Replik ist zwar eine schöne Darstellung, aber keine Antwort, sondern, in der Tradition des Meisters, eine Abschweifung, die etwas verdeckt.
Dabei ist damit ja nur das Geringste bewiesen. Dass nämlich im Modus der Philosophie natürlich vieles verhandelt werden kann. Die Antwort versucht das Gespräch auf das Territorium zurückzulenken, das dem Jargon eigen ist. Der historische und empirische Gehalt wird als Nebenschauplatz verkleinert. Als wäre der NS ein Anhängsel Heideggers Philosophie und nicht umgekehrt. Dabei lässt sich die Rechnung ganz leicht aufmachen, indem nämlich glaubwürdig nachvollziehbar gemacht würde, dass der Preis, den man im materiellen Sinn für diesen Jargon zahlt, es wert ist. Sind wir schon außerhalb der Subjektphilosophie, nur weil Heidegger das sagt?
Wenn nämlich nicht, dann wird der stumpfsinnige Zynismus dieser Sprache zum blanken Hohn gegenüber den Opfern dieser Ideologie, der sich mit Kirkegaard und Jünger der Sache der Eigentlichkeit annimmt. Wenn es, und die Vermutung liegt nahe, sich einfach um eine Subjektphilosophie ohne Subjekt handelt, dann kennt dieses Denken das Individuum nicht. Dann gibt es bei der Gewalt nur Opfer, aber nichts, was gequält wird. Dann gibt es keinen Leib, die Gewalt ist dann anthropologische Begleitmusik der Weltgeschichte und nicht zu verhinderndes Übel.
Literatur:
Goethe, Johann Wolfgang: Faust I, in: Lange, Victor [Hg.]: Johann Wolfgang Goethe. Sämtliche Werke 6.1. Weimarer Klassik 1798-1806, München 2006, 535-67.
Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Hamburg 1998.
Nietzsche, Friedrich: Der Fall Wagner in: Stenzel, Gerhard [Hg.]: Nietzsche. Werke in vier Bänden, Band IV, Salzburg 1983, 495-506.