Bastian Timm vertritt die These, dass im Geschäft der internationalen Politik ein „Celebrity-Faktor“ entstanden ist. Das bedeutet Celebritys sind in der Lage politischen Einfluss auszuüben. National wie international geben Stars ihre Meinungen ab, engagieren sich als UNO-BotschafterInnen und adoptieren Kinder in rauen Mengen und lenken die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Prominenz wird zum Nachrichtenfaktor und so wundert es nicht, dass Politiker selbst mittlerweile sehr viel mit Celebritys gemeinsam haben. Sie treten auf wie diese und agieren in ähnlicher Weise, sind zunehmend weniger an der Realität ausgebildet als an der transzendentalen Illusion (Luhmann) die die Medien erzeugen. Die empirische Wirklichkeit steigt auf die Regeln der zweiten Wirklichkeit ein, die Politik wird zum Spektakel. Wirklich unterliegt der Starbegriff seit seinem Ursprung in Hollywood einem drastischen Wandel. Er findet auf immer mehr Personen des öffentlichen Lebens Anwendung. Vom Star-Anwalt, zum Star-Chirurgen, aber eben auch zum Star-Politiker und zum politischen Star ist alles möglich. Nur mit dem Unterschied, dass die politischen Stars heutzutage sich nicht mehr damit begnügen in ihrer Kunst Politik zu thematisieren (das gelingt nur den wenigsten wirklich) sondern selbst aktiv politische Agenden verfolgen. Dies trifft etwa auf den, laut Timms Definition als inoffiziellen Celebrity-Botschafter agierenden, Bono Vox zu, der versucht die Inhalte von Politik auf der ganzen Welt zu beeinflussen. Die Spektakel-Band U2 wird zum politischen Spektakel. Die Profanität der Konservenkunst findet ihre Anwendung in einer schalen Weltpolitik die begierig auf den ehrgeizigen kleinen Mann gewartet hat wie es scheint. Tausende Fotos mit Bono und wichtigen politischen Entscheidungsträgern der ganzen Welt geben ein Zeugnis dafür ab, das er zu mindest dabei war, als all der Unsinn beschlossen wurde der sich so am Weltenrund ereignet.
Man könnte sich frage: Wer gibt ihm den Auftrag für sein internationales Unwesen?
Das Rätsel scheint gelöst weshalb etwa Bill Clinton Saxophon spielte oder Gilberto Gil Kulturminister von Brasilien wurde. Der Markt richtet es. Wozu wählen, wenn man seine Stimme auch mit dem Kauf einer CD abgeben kann? Das neoliberale Breitbandantibiotika gegen Untüchtigkeit und Korruption ist die natürlich ordnende Hand des Marktes. Dort setzt sich doch nur durch was auch irgendwie gut ist, oder? SO leicht macht es sich Bono natürlich nicht. Die meisten Celebritiys verstehen eher etwa Unterschriftensammlungen (die sie selbst starten: „Darfs noch ein Autogramm dazu sein?“) als Mandat an sie sich für bestimmte Themen einzusetzen. Moralische Autorität wird über Kunst erworben. Dazu hohe gesellschaftliche Stellung. Im Gegenzug verleihen sie den Themen denen sie sich annehmen Prominenz. Die Politik ist immer mehr von diesem Konzept abhängig weil sie immer weniger attraktiv für die Mehrheit der Menschen erscheint. Die so genannte Professionalisierung der Politik, die NLP-gecoachten, spingedocterten Lackaffen der einschlägigen Parteien beschleunigen die Wandlung von Politik zu Politainment.
Celebritys in der Politik können dazu führen, dass Probleme als Entertainment wahrgenommen werden. (Wer erinnert sich nicht mit einem Lächeln an das von Ronald Reagan initiierte Star Wars Programm?) Man könnte durch die ständige mediale Präsenz mancher Promis auch zu der Annahme verführt werden es würde ohnehin genug getan. Dies kann ein Hemmnis für zivilgesellschaftliches Engagement sein, wenn sich jeder einzeln vorm Fernseher von Angelina Jolie die Absolution holt, jetzt kein afrikanisches Kind mehr adoptieren zu müssen. Wenn also Celebritiys als Stellvertreter das für die Zuschauer schon erledigt haben. Ein Problem in Hinblick auf die Zivilgesellschaft bzw. deren Engagement entsteht somit, „wenn einige Celebrities ihre Anliegen zum einen teilweise trivialisieren und zum anderen den öffentlichen Applaus und viel Anerkennung für ihre oftmals recht oberflächliches Engagement erhalten“ (153). Darüber hinaus stellt sich die Frage nach deren Legitimität. Sie sind ja nicht für ihre politischen Fähigkeiten berühmt sondern für ihren kulturindustriellen Wert. Trotzdem haben Stars definitiv Macht in Form von politischem Einfluss wenn sie sich engagieren und sie in Anspruch nehmen.
Das Buch verfügt über eine anschauliche empirische Basis, ist leicht verständlich und gut zu lesen. Die ausführliche Darstellung der Wirkung des Celebrity Faktors anhand des Darfur Konflikts ist das mit Abstand längste Kapitel und gibt einen guten Einblick in das Geschäft mit der Prominenz. Die theoretische Basis bleibt unaufdringlich. Daher findet leider auch keine wirkliche kritische Auseinandersetzung mit der Entwicklung dieser Form der Öffentlichkeit statt. Der Text hält bei der Feststellung des status quo. Was im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit durchaus als Stärke gelten kann, halte ich persönlich für eine Schwäche. Der Text bietet für kritisches Denken aber viele Ansatzpunkte, die jetzt für andere offen da liegen um aufgenommen zu werden. Nehmen wir die Einladung an.