der schleichende tod der studienbeihilfen geht auf ein landesgesetz von 2004 zurück, in dem die südtiroler landesregierung das recht auf hochschulbildung verbrieft. Unter Art. 14 § 1 wird festgehalten:
Studierenden, die den für die Gewährung von Studienbeihilfen [im gesetz vorgeschriebenen] erforderlichen Studienerfolg erzielt haben und die Einkommensgrenze, die jährlich festgelegt wird, nicht überschreiten, können von den mit dem Land konventionierten Bankinstituten Darlehen gewährt werden.
der damalige landesrat für bildungsförderung, universität und forschung Otto Saurer , der die darlehen in den gesetzesentwurf hatte schreiben lassen, hat das gesetz allerdings während seiner amtszeit nicht exekutiert. darlehen — zwar formell vorgesehen — waren bis zu den neuwahlen 2009 kein thema. bis studiendarlehen — quasi out of the blue — bei einem wahlkampfstunt treffen zwischen der Junge Generation in der SVP (JG) und einer vertretung der Südtiroler HochschülerInnenschaft (sh.asus) am vorabend der landtagswahlen wieder thema waren.
laut einer pressemitteilung der sh.asus ging es bei der aussprache unter anderem schwerpunktmäßig um die Vergabe von studienbeihilfen, die leistungsstipendien, die studientitelanerkennung sowie die rahmenbedingungen für studierende. und von Achammer wurden die studiendarlehen aufs tapet gebracht:
Auch die Ergänzung des bestehenden Studienbeihilfensystems durch die Einrichtung von Studiendarlehen wurde andiskutiert. „Diese Darlehen können als zusätzliche Fördermaßnahme sicherlich positiv wirken, dürfen aber nicht anstelle bzw. zu Lasten des ordentlichen Stipendiums eingeführt werden.“ (o-ton damaliger SVP-jugendreferent Philipp Achammer)
nach den wahlen ende 2008 kam es in der landesregierung und in den reihen der regierenden SVP zu personalrochaden — Otto Sauerer wurde von Sabina Kasslatter Mur abgelöst, Philipp Achammer wurde zum landessekretär der SVP bestellt — und die Arbeitsgruppe zur Einführung von Darlehen bei der Hochschulförderung tagte erstmals. offenbar als altlast der vorangegangenen legislaturperiode die entgegen dem politischen willen der regierenden landesrätin agiert wie aus einer randbemerkung im protokoll der zweiten sitzung der arbeitsgruppe mitte juli 2009 hervorgeht:
für eine arbeitsgruppe ohne explizites politisches mandat arbeitet das gremium um Dr. Andergassen extrem motiviert und diskutiert allerhand vorschläge zur aushöhlung und abschaffung von ordentlichen und außerordentlichen stipendien durch darlehen, wie zum beispiel folgender (zur steigerung der attraktivität von darlehen gegenüber stipendien)
verschuldung ist laut Rag. Palla — als direktor des raiffeisenverbandes in den MILKON skandal verstrickt — “pädagogisch wertvoll”, studenten die sich für ihr studium verschulden würden nicht belastet, sondern mit mehr “verantwortung” betraut (was Palla offenbar als startvorteil ihren kommilitonen gegenüber, die schuldenfrei und unbelastet in die arbeitswelt eintreten, versteht)
ganz im gegenteil: auf darlehen angewiesen zu sein soll bei studierenden die wahl des “richtigen” studiums begünstigen und die studienabbrecherquote senken.
ein wirtschaftsexperte der in die arbeitsgruppe berufen wurde, argumentiert recht kurios für die einführung von studienkrediten und darlehen als art der finanzierung eines studiums. autos zum beispiel würden von jugendlichen ja auch “auf pump” gekauft — sprich mit einem darlehen finanziert. warum sollte das also bei einem studium anders sein?
Dr. Andergassen ortet bei den studenten geringes interesse an darlehen, solange es noch stipendien gibt. deshalb muss laut Andergassen künstlich nachfrage geschaffen werden.
die finanzierung von darlehen soll durch entnahme von geld aus mitteln für die STI_A (also der allgemeinen stipendien) und STI_L (leistungsstipendien) bewerkstelligt werden.
in anderen worten soll ein teil des geldes, das ursprünglich für stipendien vorgesehen war, für darlehen verwendet werden. das ist möglich, weil ein großteil der niedrigen (und somit einstiegsstipendien) gestrichen wird. als positiven nebeneffekt (aus sicht der arbeitsgruppe) schafft das auch nachfrage nach darlehen, weil viele ja kein stipendium mehr bekommen würden.
die vorschläge der der arbeitsgruppe Einführung von Darlehen bei der Hochschulfürsorge stehen quasi kompletten im widerspruch zu fast allen aussagen zu bildungspolitik und hochschulfürsorge in der regierungserklärung des Landeshauptmannes Durnwalder:
Bildung, meine Damen und Herren, Bildung ist keine Ware, die frei gehandelt werden darf. Bildung darf nicht vom Inhalt der Geldbörse abhängen. Bildung und der freie, faire, gleiche Zugang dazu ist eine öffentliche Aufgabe, der wir uns weiter mit unserer ganzen Kraft widmen werden. Das heißt konkret, dass wir finanziell schwächeren Familien mit Stipendien oder Heimplätzen unter die Arme greifen, es heißt aber auch, dass wir schwächeren Schülern oder solchen mit Behinderung individuell abgestimmte Hilfe bereitstellen.
ob mitglieder der arbeitsgruppe Einführung von Darlehen bei der Hochschulfürsorge bei der verlesung der regierungserklärung anwesend waren, konnte leider nicht eruiert werden. den wortmeldungen aus dem protokoll nach zu urteilen, wahrscheinlich aber eher nicht.
(mitarbeit, protokollausrisse: T.)