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Europäische Jagdgesellschaften

von am 04.03.2011 20:35, Rubrik philosophisches-politisches

Europa macht Jagd! Und zwar auf seine angeblich schönsten, erfolgreichsten, fähigsten und beliebtesten Politiker. Frisst die parlamentarische Demokratie ihre glamourösesten Kinder?! Oder dürfen wir hoffen, dass letztlich die Boulevard-Minister den Moloch der Klatschspalten doch nicht zu domestizieren vermögen.


Nimmt denn die Hetze kein Ende? Seit Monaten sieht sich Karl-Heinz Grasser verfolgt von einer „Jagdgesellschaft“. Völlig zu Unrecht würde er immer wieder mit üblen Beschuldigungen überhäuft.
Auch seine Frau Fiona Pacifico Griffini-Grasser vermag eine Verschwörung gegen ihren Mann zu erkennen. Jüngst sah sie ihren KHG in Gesellschaft von Silvio Berlusconi. Die Frauengeschichten des italienischen Ministerpräsidenten seien doch egal, solange die „Politik im Lande in Ordnung“ sei, erklärte sie der Tageszeitung „Österreich“. Diese Einschätzung würde wohl auch Berlusconi teilen, immerhin beklagt er sich seit Jahren wiederholt über die politische Hetzjagd auf ihn, die die angeblich durch und durch linke italienische Justiz veranstalte. Seit kurzem hat auch Deutschland endlich sein Opfer einer Jagdgesellschaft. Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der wegen Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Doktorarbeit zurücktrat, verzichtete allerdings auf eine Selbstdarstellung als Opfer. Das übernahm die Bild-Zeitung für ihn. Neid ist das Motiv, das das mächtigste deutschsprachige Boulevardblatt bei den Kritikern Guttenbergs ausmacht.

Neid sehen auch Grassers Verteidiger – laut Grasser selbst – als Motiv für die endlosen Unterstellungen an: Zu schön sei er, zitiert er aus einem Brief, zu beliebt – darum wolle man ihn ruinieren. Genau so argumentieren auch die deutschen Klatschblätter für Guttenberg (und Berlusconi für sich selbst): zu populär und daher ein Dorn im Auge des politischen Establishments. Die Privatperson sei vom politischen Amtsträger zu trennen, fordern Fiona Grasser, Angela Merkel und die Bild-Zeitung.
Was aber, wenn die angeblich rein privaten Makel Schlüsse auf die politische Amtsführung zulassen? Was, wenn das politische Amt längst zum privaten Bedienungsladen geworden ist? Und was, wenn die sogenannte politische Amtsführung letztlich einzig im Pflegen und Zurschaustellen der eigenen Person besteht?

Die Politiker, deren politischer Inhalt einzig in ihrer Person besteht, schädigen durch ihre persönlichen Verfehlungen letztlich immer auch das Amt und die politischen Institutionen. Das ist die große Gefahr der Boulevardisierung des politischen Geschehens. Dass der ganze Prozess sich ins Gegenteil verkehren und die Boulevard-Minister aller Länder umso tiefer stürzen lassen kann, ist die logische Folge. Die „ Jagdgesellschaften“ in den Medien erhalten zumindest den Hoffnungsschimmer am Leben, dass die Fähigkeit zur Selbstreinigung einer demokratischen Gesellschaft noch nicht abhanden gekommen ist.


Kommentare

In Deutschland treten die ja wenigstens noch zurück.

St.Max · 05.03.2011 11:54 · #

Der gute Guttenberg. Schon etwas amüsant, gerade jene Leute an den Werten fallen zu sehen, die sich ihre Parteien ach so groß auf ihre Banner schreiben. Aber wirklich überraschend kommen solche Nachrichten aus der Politik ja eigentlich nicht mehr…

Was den Rücktritt des mittlerweile Ex-Ministers anbelangt, ist dieser ein ziemlich berechnetes Kalkül gewesen. Solange die Frau Bundeskanzlerin noch ein bisschen vertröstet hat, war noch alles schön und gut, Politik ist ja nicht Wissenschaft, da darf man sich ruhig ein bisschen verstellen. Als die Uni in Bayreuth aber massive Täuschung unterstellte – huch, da hieß es dann, ich leg mein Amt wohl besser ab.
Von Konsequenzen ziehen oder einer Einsicht in die eigene Schuld, keine Spur. Guttenbergs Verhalten bestätigt einmal mehr, dass sich die Menschlein in der Politik immer nach dem Wind drehen, egal woher der gerade kommt und in welche Richtung er geht.

Ana · 05.03.2011 16:15 · #

Also wenn Rücktritt nicht bedeutet, dass Konsequenzen gezogen wurden, dann würde mich interessieren wie das sonst ablaufen sollte.
Öffentlicher Pranger?

btw würde ich mal unterstellen Politiker sind ebenso Rückgratlos wie alle anderen Berufsgruppen. Nicht mehr und nicht weniger. Allein was ich schon für Uniangestellte erlebt habe …

St.Max · 05.03.2011 18:13 · #

Also ich glaub er hätte, wenn, dann gleich zurücktreten müssen. Das taktische Herumgeduckse und abwägen, find ich a bissl lächerlich, wenn man eh schon weiß, dass man plagiert hat. Das hieße dann für meine Begriffe konsequent sein. Wenn Du das anders siehst, bitte, hab ich nix dagegen.
Was Du mit öffentlicher Pranger meinst, versteh ich in diesem Kontext nicht so ganz? Steht er da nicht eh schon?
Und es mag schon sein, dass andere Menschen ebenso rückgratlos sind wie Politiker, nur wenn sie ein so öffentliches Amt wie der Herr Guttenberg bekleiden und so viel von ihnen abhängt, trägt man eben als Bürger ganz bestimmte Vorstellungen an sie heran. Und wenn die enttäuscht werden, geht man dann härter gegen sie vor. Verdient oder unverdient darüber denk ich, ließe sich streiten.

Ich glaub aber auch jeder Politiker ist sich dessen bewusst, dass er so gnadenlos von der Öffentlichkeit abgemessen wird und deshalb hätt ich von dem ach so klugen Minister erwartet, dass er gleich das Handtuch wirft und nicht erst mal schaut ob da noch was geht und zuerst sogar noch dementiert. Deswegen halte ich sein Verhalten eben nicht für konsequent, sondern berechnend.

Ana · 06.03.2011 10:46 · #

Oder sagen wir es treffender, statt zu sagen, dass er sich nach dem Wind dreht:

Es bleib ihm letztlich nichts anderes übrig als zu gehen.

Ana · 06.03.2011 10:48 · #

Wie gesagt in Österreich wäre er einfach geblieben …
Na der hat ja die Arbeit von seinen Mitarbeitern schreiben lassen, der wusste ja am Anfang gar nicht, dass sie ein Plagiat ist.
Also da gibt es Manager internationaler Konzerne die jeden Tag wie selbstverständlich über das Schicksal von Millionen entscheiden und da scheint es für alle ausgemacht, dass die keine moralischen Grundsätze haben müssen weil die ja Wirtschaft betreiben und nicht Politik. Ist doch irgendwie affig ständig auf den Politikern rumzuklopfen.
Oder wie wärs mit unserem Kardinal? Wenn man da nicht von einem moralisch aufgeladenen öffentlichen Amt sprechen kann. Und der hat ja seit Groer von den Missbrauchsfällen in seiner Kirche gewusst. Hat er sie aufgeklärt? Entschädigungen gezahlt? usw. .. Nein. Tritt er zurück? Nein! Gibt es eine öffentliche Erregung? Naja.

Das reine Politikerbashing ist Strategie bestimmter Gruppen um Demokratie zu delegitimieren. man sollte nicht zu eifrig dabei mitmachen. Auch wenn man natürlich kritisch sein muss.

St.Max · 06.03.2011 11:04 · #

Ich glaub wir entfernen uns gerade etwas von der ursprünglichen Diskussion. Ich habe nämlich keine Ahnung, warum Du in dem Zusammenhang von dem Prädikat “bestimmter Gruppen” und ihrem “Politikerbashing” sprichst? Wenn das gegen mich gehen sollte, kann ich das leider nicht nach vollziehen. ich halte Guttenbergs Rücktritt lediglich nicht für konsequent. Basta. Diese Meinung werde ich wohl noch vertreten dürfen, ganz ungeachtet ob diesbezüglich die Toleranzschwelle in Österreich größer ist – von der ich gar nicht mal gesprochen habe. Dass der Herr Kardinal nicht zurücktritt, find ich scheiße, aber das macht den Guttenberg noch lange nicht zum Superstar menschlicher Grösse.

Und seit wann, ist eigentlich ghost writing gesetzlich erlaubt???

Ana · 06.03.2011 11:19 · #

Es könnte sein, dass du die ursprüngliche Diskussion nicht verstanden hast. ;) Ghostwriting ist nicht erlaubt. Aber es erklärt warum der gute Mann zunächst so abgeblockt hat.

Politikerbashing/Pauschalisierungen die darauf abzielen einen ganzen Berufsstand in unverhältnismässiger Weise zu deklasieren: “Aber wirklich überraschend kommen solche Nachrichten aus der Politik ja eigentlich nicht mehr…”

Natürlich meine ich nicht dich als Individuum, aber es ist schon interessant wenn sich historische Paralellen zu bestimmten Entwicklungen herstellen lassen. Womit wir auch wieder bei der Revolutionsgeschichte wären. Ein Problem, dass die Weimarer Republik etwa hatte, war dass ihre Politik von extremen Kräften ständig als illegitim dargestellt wurde. Hat die Politik in der öffentlichen Wahrnehmung ein Legitimitätsproblem (siehe: die sind ja eh alle korrupt), dann betrifft das in zunehmendem Maße auch die Institutionen. Nicht umsonst wars sowohl in Deutschland als auch in Österreich recht leicht sofort mal das Parlament auszuschalten, “die waren ja eh alle korrupt”.

Um mich dem Argument der Verkürzung in meiner knappen Darstellung gleichmal entziehen zu können. Das wächst nicht auf meinem Mist, das ist historisches Faktum und wissenschaftlich anerkannt. Readers Digest empfiehlt etwa: Mommsen, Hans: Aufstieg und Fall der Rpublik von Weimar 1918-1933, Berlin 2009. ;)

St.Max · 06.03.2011 12:19 · #

Weimarer Republik – d´accord. Hat dennoch mit meinem Argument nichts am Hute (von wegen wer hier die Diskussion nicht verstünde). Ich finde es eben nicht überraschend, dass Nachrichten über Betrug aus der Politik kommen, ist eben nicht das erste Mal, habe mit dieser Aussage aber nicht alle Politiker bzw den ganzen Stand verunglimpft? Oder habe ich? Glaube nicht. Steht auch nicht so da. Von wegen “die waren ja eh alle korrupt.” Da kannst Du lange suchen, um bei mir was zu finden, das in diese Richtung geht. Viel Spass dabei übrigens.

Zudem finde es bemerkenswert wie Du die Diskussion in eine bestimmte Richtung zwingst, die ich nicht eingeschlagen habe, nur um mir zu beweisen ich (und nicht ich als Individuum -was soll den das bitte heißen) würde unbewusst einen bestimmten Diskurs parasitieren. Ich bin, nur um Dich daran zu erinnern, nicht PV.

Ich könnte im übrigen diese Deine Vorgangsweise genauso gut auf Deine Aussage “in Deutschland treten die wenigstens noch zurück” oder auf dieses Argument: “Also da gibt es Manager internationaler Konzerne die jeden Tag wie selbstverständlich über das Schicksal von Millionen entscheiden und da scheint es für alle ausgemacht, dass die keine moralischen Grundsätze haben müssen weil die ja Wirtschaft betreiben und nicht Politik “, applizieren. Mach ich aber nicht, weil – ist mir einfach zu blöd:)

Ana · 06.03.2011 13:11 · #

Nein das kann man eben nicht auf die anderen Aussagen “applizieren” das ist ja der Unterschied. Deshalb gibt es ja auch einen Unterschied zwischen Dialektik (Denken von Widersprüchen, Einbedenken des Allgemeinen im Besonderen und umgekehrt) und Sophistik (Sprücheklopferei die anstelle der Sache eine semantische Struktur bespricht).

Was die Empörung darüber, dass ich Teile deiner Aussage problematisiere ohne dir im Ganzen widersprechen zu wollen betrifft: Das passt genau auf das Problem.

Es nicht “überraschend zu finden, dass Nachricht von Betrug aus der Politik kommt” ist genau die Form von Sophistik derer sich eben auch die Demagogen bedienen. Dabei gleichzeitig zu behaupten man fälle damit kein Pauschalurteil und der Hinweis des Kontrahenten auf andere Berufsgruppen sei das Erzwingen einer bestimmten Diskussionrichtung (implizit ein Pauschalurteil dagegen) ist in sich widersprüchlich und kein Beitrag zum Verständnis der Sache sondern der Versuch eine formale Gesprächshoheit zu erlangen die vom Inhalt nichts wissen will.

Nochmal ganz einfach: ich habe nicht versucht zu sagen alle Manager sind böse, (das steht nämlich nicht mal implizit da wie in deinem Beispiel) sondern nur den Hinweis gemacht, dass du in deiner Argumentation inhaltlich sowohl Inkonsistenzen drinnen hast, als auch von der Aussage her eher in eine populistische Richtung schlägst die man durchaus komplexer betrachten sollte. Weder wollte ich dir grundlegend widersprechen: Guttenberg ist ein Betrüger und gehörte zurückgetreten. Noch habe ich die Disskussion zu mehr gemacht als sie ist. Beides ist nicht passiert. Fasse es halt als Glossar auf.

Zum Thema Individuum: du als Ana bist keine Gruppe die versucht mittels Demagogie die Republik zu delegitimieren um eine andere Herrschaftsform zu etablieren. Ich dachte da kommst du selber drauf. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. ;)

Somit genug der semantischen Spielchen davon gibts auf diesem Blog ausreichend.

St.Max · 06.03.2011 14:49 · #

Ich verstoße einmal gegen die Etiquette und spiele ein bisschen Realsatire ein:

Guttenberg-Fan meldet sich in Radiosendung zu Wort

Was man Deutschland zugute halten muss, ist, dass es die Bildzeitung nicht geschafft hat, gegen den Rücktritt von Guttenberg anzuschreiben.
Andererseits spricht das auch für Merkel als erfolgreiche Machterhalterin. Das Aussitzen beherrscht sie ja auch in geradezu österreichischer Perfektion. An der Macht bleibt sie, weil sie andere ihre Krisen nicht aussitzen lässt.
Guttenberg hat da ja eigentlich sehr sehr gut von ihr gelernt. Im Amt hat er ja auch immer Verantwortung delegiert, alles ausgesessen und andere den Hut nehmen lassen.
Letztlich war er dann aber für Merkel nicht mehr tragbar. Weshalb er dann wahrscheinlich auch zurückgetreten wurde.

Ich glaube aber schon, dass in Deutschland da zum Teil ein anderes Amtsbewusstsein besteht. Das schöne Gegenbeispiel zum hiesigen Kardinal ist ja die ehemalige Ratsorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann. In Anspielung auf ihren Rücktritt wurde in Zusammenhang mit Guttenberg in der deutschen Presse öfters über den Käßmann-Moment gesprochen, also das sofortige Übernehmen persönlicher Verantwortung durch Rücktritt, was eine spätere Rückkehr zu Amt und Würden möglich macht.

Stephan mit ph · 06.03.2011 14:51 · #

Tut mir Leid, aber ich finde Deine Herangehensweise ziemlich arrogant und auf meine Aussage ist sie nicht weniger zutreffend als auf Deine. Da musst Du mir schon genau erklären, worin der Unterschied besteht. Und selbst dann noch, würde es mich nicht überraschen, dass Betrügereien auch aus der Politik kommen. Das ist nun mal ein unausweichlicher Effekt, ohne alle Menschen diskreditieren zu wollen.

Da Du aber eine dialektische Herangehensweise für Dich und für mich eine sophistische ausgemacht hast, begnüge ich mich von mir aus auch gerne nur der Sprücheklopferei, wenn differenziertes Denken bedeutet, mit polizeilicher Überheblichkeit meine Aussagen zu röntgen und mich zum Idioten zu machen.

Ana · 06.03.2011 16:17 · #

Ja sehe ich genauso. Deshalb mein Hinweis auf den Unterschied vorher und daher auch meine Hinterfragung der Kritik des Zurücktretens von Guttenberg. Es ist wirklich ein qualitativer Unterschied zwischen bockigem, aber immerhin zurücktreten wenn man einen Fehler macht, und dem was die Österreicher da seit Jahrzehnten bieten. Angefangen von Androsch über die Haiderbuberln wo ja keiner eine wirklich auch nur ansatzweise graubraune Weste hat. Von Weiss gar nicht zu reden. Und die sitzen alle fröhlich im Parlament oder sonstwo.

Der tritt ja wenigstens noch zurück …
Ich glaube trotzdem, dass es genug integre Politiker gibt selbst in unserem Land. ;)

Grundsätzlich gilt natürlich das Wort von Karl Kraus:
“Ich halte die Politik für eine mindestens ebenso vortreffliche Manier, mit dem Ernst des Lebens fertig zu werden, wie das Tarockspiel, und da es Menschen gibt, die vom Tarockspiel leben, so ist der Berufspolitiker eine durchaus verständliche Erscheinung. Um so mehr, als er immer nur auf Kosten jener gewinnt, die nicht mitspielen.”

St.Max · 06.03.2011 16:19 · #

“Ich bin, nur um Dich daran zu erinnern, nicht PV. “

Das, meine Liebe, sind die wenigsten. Aber gräme Dich nicht – ich bin gerne weiterhin Leitstern für Euch, auf dieser Odyssee, die wir das Leben nennen.
Btw, St.Max, Du wirst sicher in Deinem Freundeskreis ab und an mit Reclamheftchen beworfen, oder?

PV · 15.03.2011 12:11 · #

@ana: was hätte meinen punkt besser darstellen können als deine antwort?

@PV: ?

St.Max · 15.03.2011 13:49 · #

Na dann is ja alles gut

Ana · 16.03.2011 08:57 · #

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