Das Verhältnis von Staat und Student ist in die Bredouille geraten und droht im Morast weiter zu versinken. Der Fluss der Zeit überholt den Einfluss des Denkens und höhlt nebenbei, wie es scheint, die Bildung aus.
Der Protest ist ein Zeichen für die Lebendigkeit der politischen Artikulationsfähigkeit der Studenten. Im Protest drückt sich die Unmittelbarkeit der katastrophalen Gesamtsituation akademischer Bildung aus, der nur Wert zugestanden wird wenn sie Mehrwert erzielt. Das Misstrauen der hiesigen Medien gegen die (eher harmlose) Eskalation eines ins Herz der Gesellschaft gehenden Konfliktes zeigt den Fatalismus einer selbstzufriedenen Bildungsbürgergesellschaft. Engagement endet daher meist bei der, in Leserbriefen vorgetragenen, Verherrlichung von Sportlern und unverhohlenen Morddrohung gegen Exkludierte. Dieses selbstgenügsame Engagement hat noch nichts mit Unbildung, sondern nur mit dem Irrtum darüber was Bildung sein sollte zu tun. Das Bild das die Universität von sich selbst abliefert ist Ambivalent. Zwischen Qualitätssicherung und nacktem Elitismus, zwischen technokratischer Effizienztümelei und bildungsbürgerlichem Standesdünkel schwanken die Vorstellungen von der modernen Bildungseinrichtung und geben ein trauriges Bild davon ab was aufgeklärtes Denken beinhalten könnte. Die Jagd auf Spitzenleistung schadet dem Gesamtprojekt und entwertet die Standards der freien Forschung und Lehre.
Die studentische Forderung nach „Bildung statt Ausbildung“ und „Ausfinanzierung der Universitäten“ sind völlig berechtigt. Aktuell kostet die globale Finanzkrise ein Zigfaches jedes erdenklichen Uni-Budgets. Verschuldet wurde sie neben einigen anderen Faktoren allerdings massiv von einer Mentalität der sich die Universitäten aktuell nur zu bereitwillig anschließen. Die Verfehlungen einer maroden politökonomischen Struktur weisen dieses Modell der Ausbildung als ein denkbar schlechtes aus. Das Finanzgebaren der Regierungen, das den Universitäten mehr Eigenverantwortung, weniger Unterstützung, weniger Demokratie und weniger Geld beschert hat, straft eine Politik der Sparmassnahmen Lügen, wenn diese gleichzeitig Milliarden an den Finanzsektor vergibt die mit schludrigen Abmachungen schlecht gesichert werden und weiterhin die Falschen am Steuergeld verdienen lässt.
Mit Konrad Paul Liessmann wäre hier zu unterstellen, dass einfach der Wille und nicht die Mittel fehlen Bildung wirklich ernst zu nehmen. Die Wissensgesellschaft wird zur „rhetorischen Geste“ und die Bildung zum potentiellen Hort der Unbildung.
Es wäre an der Zeit dem zu entgegnen und das durchaus im Protest. Doch müsste mehr geschehen. Der Aktionismus von Heute darf nicht zur politischen Karriere von Morgen werden. Sondern er muss radikal im Bewusstsein über die Anforderungen an das Denken bleiben. Es muss nach dem Protest weitergedacht werden und es müssen die Möglichkeiten dafür, wenn nicht vom Staat, dann aus einem selbst kommen. Gefordert wäre die Bereitschaft weiter als bis zum erreichten Titel zu denken. Anarchisch zu denken und nicht fügsam. Dabei zu bedenken, dass es nicht egal ist wer die Frage: Was tun? stellt.
Gerhard Scheit schreibt aktuell:
„Bildungsanarchismus wäre, nicht einfach vom Tisch wischen, was etwa im Wissenschaftsbetrieb an Inhalten geboten wird, um achselzuckend auf dessen Gleichgültigkeit gegenüber dem Wertgesetz hinzuweisen, sondern die erzwungene Einheit von Identität und Nichtidentität, die Einheit des Wertgesetzes mit dem, was es voraussetzt, an jedem einzelnen Gegenstand sichtbar machen. Eine Sisyphos-Arbeit. Daß der Staat an ihr keine Freude hat, diese Erfahrung läßt sich an der Universität auf Schritt und Tritt machen – als eine Art Gegenprobe der Wahrheit.“