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Fluss und Einfluss. Über Studenten und Protest.

von am 28.10.2009 13:33, Rubrik philosophisches-politisches

Das Verhältnis von Staat und Student ist in die Bredouille geraten und droht im Morast weiter zu versinken. Der Fluss der Zeit überholt den Einfluss des Denkens und höhlt nebenbei, wie es scheint, die Bildung aus.


Das Verhältnis von Staat und Student ist in die Bredouille geraten und droht im Morast weiter zu versinken. Der Fluss der Zeit überholt den Einfluss des Denkens und höhlt nebenbei, wie es scheint, die Bildung aus.
Der Protest ist ein Zeichen für die Lebendigkeit der politischen Artikulationsfähigkeit der Studenten. Im Protest drückt sich die Unmittelbarkeit der katastrophalen Gesamtsituation akademischer Bildung aus, der nur Wert zugestanden wird wenn sie Mehrwert erzielt. Das Misstrauen der hiesigen Medien gegen die (eher harmlose) Eskalation eines ins Herz der Gesellschaft gehenden Konfliktes zeigt den Fatalismus einer selbstzufriedenen Bildungsbürgergesellschaft. Engagement endet daher meist bei der, in Leserbriefen vorgetragenen, Verherrlichung von Sportlern und unverhohlenen Morddrohung gegen Exkludierte. Dieses selbstgenügsame Engagement hat noch nichts mit Unbildung, sondern nur mit dem Irrtum darüber was Bildung sein sollte zu tun. Das Bild das die Universität von sich selbst abliefert ist Ambivalent. Zwischen Qualitätssicherung und nacktem Elitismus, zwischen technokratischer Effizienztümelei und bildungsbürgerlichem Standesdünkel schwanken die Vorstellungen von der modernen Bildungseinrichtung und geben ein trauriges Bild davon ab was aufgeklärtes Denken beinhalten könnte. Die Jagd auf Spitzenleistung schadet dem Gesamtprojekt und entwertet die Standards der freien Forschung und Lehre.
Die studentische Forderung nach „Bildung statt Ausbildung“ und „Ausfinanzierung der Universitäten“ sind völlig berechtigt. Aktuell kostet die globale Finanzkrise ein Zigfaches jedes erdenklichen Uni-Budgets. Verschuldet wurde sie neben einigen anderen Faktoren allerdings massiv von einer Mentalität der sich die Universitäten aktuell nur zu bereitwillig anschließen. Die Verfehlungen einer maroden politökonomischen Struktur weisen dieses Modell der Ausbildung als ein denkbar schlechtes aus. Das Finanzgebaren der Regierungen, das den Universitäten mehr Eigenverantwortung, weniger Unterstützung, weniger Demokratie und weniger Geld beschert hat, straft eine Politik der Sparmassnahmen Lügen, wenn diese gleichzeitig Milliarden an den Finanzsektor vergibt die mit schludrigen Abmachungen schlecht gesichert werden und weiterhin die Falschen am Steuergeld verdienen lässt.
Mit Konrad Paul Liessmann wäre hier zu unterstellen, dass einfach der Wille und nicht die Mittel fehlen Bildung wirklich ernst zu nehmen. Die Wissensgesellschaft wird zur „rhetorischen Geste“ und die Bildung zum potentiellen Hort der Unbildung.

Es wäre an der Zeit dem zu entgegnen und das durchaus im Protest. Doch müsste mehr geschehen. Der Aktionismus von Heute darf nicht zur politischen Karriere von Morgen werden. Sondern er muss radikal im Bewusstsein über die Anforderungen an das Denken bleiben. Es muss nach dem Protest weitergedacht werden und es müssen die Möglichkeiten dafür, wenn nicht vom Staat, dann aus einem selbst kommen. Gefordert wäre die Bereitschaft weiter als bis zum erreichten Titel zu denken. Anarchisch zu denken und nicht fügsam. Dabei zu bedenken, dass es nicht egal ist wer die Frage: Was tun? stellt.

Gerhard Scheit schreibt aktuell:
„Bildungsanarchismus wäre, nicht einfach vom Tisch wischen, was etwa im Wissenschaftsbetrieb an Inhalten geboten wird, um achselzuckend auf dessen Gleichgültigkeit gegenüber dem Wertgesetz hinzuweisen, sondern die erzwungene Einheit von Identität und Nichtidentität, die Einheit des Wertgesetzes mit dem, was es voraussetzt, an jedem einzelnen Gegenstand sichtbar machen. Eine Sisyphos-Arbeit. Daß der Staat an ihr keine Freude hat, diese Erfahrung läßt sich an der Universität auf Schritt und Tritt machen – als eine Art Gegenprobe der Wahrheit.“


Kommentare

Es freut mich, als gelegentlichen aerosol-Leser, dass ihr nun auch auf die Proteste reagiert habt und in eurer unangepassten und kritischen Art darüber berichtet.

Diese-Unsere Bewegung erschien bis vor Kurzem an den eigenen Wurzeln zu ersticken. Doch wie sich zeigt ist, die jetzt gerade gelebte Basisdemokratie funktionsfähig.

Die Forderungen von uns Studenten sind sehr breit gestreut und sicher so, in dieser Art nur schwer zu vermitteln. Lautstarke Demonstrationen helfen fürs erste, doch ist der wirkliche Grund für die Unzufriedenheit so vieler nicht auch ein Signal endlich einmal nichtmehr darüber nachzudenken ob das dauernde Gerede um Studiengebühren sinnvoll ist oder ob Zugangsbeschränkungen das System schlanker und effizienter machten?

Vielmerhr geht es nun wirklich darum zu zeigen was die systemischen Bedingungne sind, die dem Einen diese und dem Anderen jene Steine in den Weg legen.

Es wird mit mehr Geld nicht getan sein, es braucht ein Umdenken in unserer Gesellschaft. Es braucht ein Überarbeiten des Systems. Es braucht die Hilfe aller Beteiligter. Sonst werden die Unis nur der Ort bleiben(!) an dem sich die Eliten reproduzieren; so oder so…

Daher Teilnehmen, demonstrieren, besetzen, kommunizieren, kreativ sein….und NICHT AUFGEBEN

Wenn wir jetzt versagen sollten, dann haben wir die Chance auf eine Mitgestaltung für lange Zeit verspielt!

Danke Stephan für die mutigen Worte und Grüße aus Graz!

Paul K · 28.10.2009 18:57 · #

meinte natürlich SteFan…

Paul K · 28.10.2009 18:59 · #

naturgemäß waren wir gestern auf der demo in Wien — viel aktionismus und viele partei-vorfeldorganisationen. aber auch ganz, ganz viele “normale” studenten und studentinnen.

abgesehen von einer zweifelhaften nachhaltigkeit dieser bewegung (selbstdefinition, jeder zweite redner im audimax lobt die anwesenden als “teil dieser bewegung”) ist es — kitschig gesagt — einfach toll zu sehen dass endlich das ellebogenprinzip an der uni kurzzeitig von einer solidarisierung mit den mitstudierenden abgelöst wurde. schließlich sitzen alle im selben boot (und nicht im wunschseminar), auch wenn der eine oder die andere einen schnelleren onlinezugang oder ein praller gefülltes punktekonto hat ;)

r. · 29.10.2009 11:01 · #

Ich erlaube mir mal einen Link auf meinen Blog reinzustellen, wo ich mich auch mit diesem Thema beschäftige!

“http://selbstbestimmung09.wordpress.com/2009/11/28/die-uni-brennt-vom-bildungsstreik-in-europa-solidaritat-mit-den-studenten/”

Möchte aber auch hier nochmals meine volle Solidarität mit den Studenten ausdrücken!

selbstbestimmung09 · 28.11.2009 18:19 · #

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