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kriminelle gedanken

von am 10.12.2007 16:55, Rubrik Leben


sonntag ist tatort-tag, und da heute schon wieder montag ist, machen wir uns ein paar gedanken zum krimi als literarisches genre.

in seiner klassischen konzeption ist der krimi knapp 150 jahre alt, von edgar allan poe wahrscheinlich an jenem düsteren und regnischen abend erfunden als er “the murders in the rue morgue“ schrieb. wir finden alles vor, was es für einen ordentlichen krimi braucht: einen ermittler, seinen gehilfen, eine hoffnungslos überforderte (französische!) polizei und ein grausames verbrechen – und die frage wer letzteres begangen hat.

für die literaturwissenschaft ist die eigentlich recht kurze geschichte der erste richtige krimi. verbrechen und mord gab es zwar schon vorher (bei der nibelungensage angefangen, über shakespeares plays bis hin zu bahnwärter tiel – ein kindsmord aus fahrlässigkeit!) aber noch nie hatte die aufklärung des verbrechens – und nicht dessen ursache oder gar das verbrechen selber – im mittelpunkt gestanden. übrigens erfindet poe das genre und verwirft es sogleich. angeblich zu uninteressant, er wird allerdings noch zwei weitere krimis schreiben, weil das publikum sie liebt und er geld für opium und alkohol braucht (the purloined letter und the mistery of marie rogêt übrigens für die ganz pignoli). jedenfalls – poe mag der vater des krimis gewesen sein – die post-industrielle revolution-welt des zunehmend technisierten und entzauberten, _ratio_nalisierten 19jh war die perfekte hebamme. die mutter ist die aufklärung, die die welt nicht als düstere ansammlung von undurchdringlichen mysterien und wundern sieht, sondern als zusammenhängendes ganzes mit präzisen und getimten zusammenhängen welche man mit ratio und vernunft durchschauen kann (und ordnen falls nötig). der krimi baded im geiste der aufklärung. der komissar allerdings ist ein hybrid, bei ihm schlagen die gene des vates durch. der komissar ist ein romantischer poet, der die welt durchschaut, vom chaos moralisch berührt ist, welches ein verbrechen verursacht, und die ordung der welt mit den mitteln des intellekts, der vernunft und der mechanischen gesetze wiederherstellt. vor allem poes ermittler, Monsieur Dupin ist ein zutiefst romantischer mensch. er hat das nötige genie, das man braucht um die welt zu durchschauen – er glaubt nicht an böse geister die wehrlose frauen in verschlossenen zimmern niedermetzeln, sondern hat den genialen einfall die zerbogene regenrinne, einen makao-affen und ein rasiermesser so in zusammenhang zu bringen daß daraus ein nachvollziehbarer mord passieren kann.
dupins nachfolger, die diffusen Sherlock Holmes, Miss Marple, der zutiefst amerikanisch Marlowe einer Chandler und sogar der bundesdeutsch abgefuckte Schimanski der 70er tatorte mit kohleschlacke aus dem ruhrpott im schnauzer – sie alle haben eines gemeinsam. den wunsch die welt wieder in ordnung zu bringen. und es freut den leser und den zuschauer, denn er ist sich sicher: am ende wird gerechtigkeit wiederhergestellt werden. denn alles – auch das leben – lässt sich lösen wie ein kreuzworträtsel sudoku in der wochenendausgabe der times.

der krimi ist ein hochintellektueller zeitvertreib. gute krimis spielen mit erwartungen, schlechtere punkten trotzdem beim leser mit besonders ausgeklügelten mordmethoden oder besonders unverdächtigen red herrings die ins fenster gehängt für echte hinweise auf den wahren mörder gehalten werden, selbst von den routiniertesten krimilesern und tatort-guckern. aber letztere sind die schlechteren krimis.

es ist eine schwere entscheidung was an einem krimi wohl das interssanteste ist. die verwegenheit des verbrechens, die genialität und originalität des mörders, die logische intuitivität des ermittlers oder die natur des verbrechen an sich. fest steht verbrechen und ermittler sind kinder ihrer zeit (wenn man an CSI denkt dann drängt sich die formulierung ejakulat des verrotteten zeitgeistes auf, aber ich will nicht zu polemisch sein, ich schau CSI genauso gerne – vor allem CSI MIAMI wie ich die konen-zeitung lese, mit den selben erwartungen und nie enttäuschten vorurteilen). im 19jh war die logik und mechanik in, Holmes rekonstruiert tatorte und tathergänge wie ein puzzle. am beginn des 20jh war Freud der renner, also psychologisiert Miss Marple und verwickelt den mutmaßlichen täter in so lange gespräche, und fragt ihn so lange nach seinem (oder ihrem) befinden bis der täter fast kathartisch gesteht. übrigens ist es bemerkenswert daß miss marple – eine frau – fälle eher mit gefühl und psychologie löst, währen Holmes, ein mann mit logik und kombination fälle kanckt – die diskussion, warum ausgerechnet diese rollenverteilung überlasse ich aber gender-studies affictionados.
back on topic, also: Marlowe haut drauf, säuft seinen whisky und übertritt schon mal ein gesetz um ein verbrechen aufzuklären. ein amerikanischer, schnoddriger anti-held, aber ein guter komissar. ähnlich wie Schmimanski, der auch mehr oder weniger im speckigen parka von fall zu fall stolpert aber schlussendlich die verbrecher zur strecke bringt.

der krimi ist ein “gutes” genre (vielleicht ein bisserl fad zu schreiben) das vom leser oder seher wegen seiner geradlinigkeit geschätzt wird. ählich wie ein kreuzworträtsel gibt es nur schwarz und weiß, wobei die weißen quadrate eindeutig ausgefüllt werden können. manchmal mag es zwar mehrer möglichkeiten geben, aber wenn alle worte passen, dann hat man die kleine welt gelöst und geordnet, wie der komissar im buch oder im film.


Kommentare

Ein hübscher Krimiguide, denn Du da schreibst. Aber ich vermisse ein wenig den Inspektor im Trench Coat, den Herrn Columbo. Hat zwar keine nennenswerte literarische Vorlage, ist seines Zeichens aber die literarische Figur schlechthin im Krimi Genre. Um das mal eben kurz nachzuzeichnen: Columbo und sein Gegenspieler sind dem David Goliath Prinzip gleichzusetzten. Schlicht und kurz gesagt: Der sophisticated, schön zurecht geschniegelte Oberschichtler obliegt dem schütteren Underdog…

Ist aber der Miss Marple schon recht ähnlich…

Ana · 10.12.2007 20:06 · #

tja, den armen Columbo habe ich vergessen –

genauso wie die Miss Marple fragt Columbo so lange nach bis es seinem gegenüber zu dumm wird und der/die das gestehen dann dem dauernden gefrage vorzieht :-)

seriously: seine gerissenheit besteht ja hauptsächlich darin sich dümmer zu geben als er denn ist. ein wolf im unschuldslammpelz… una colomba ist der herr Columbo ;-)

r. · 10.12.2007 20:50 · #

Columbo ist ein ganz Spezieller! Columbo ist zwar auch ein Psychologisierer, der den Deppen spielt vor dem sophisticated Upper-class-Snobmörder, aber er bringt ihn zu Fall, indem er dem Verdächtigen (von dem er eh schon von Anfang an weiß, dass er der Mörder ist), auf geradezu Hitchcock’sche Manier langsam Zweifel und Paranoia einimpft, bis dieser schließlich einen Fehler begeht und das ansonsten so gut wie perfekte Verbrechen zunichtemacht.

Stephan · 12.12.2007 17:19 · #

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