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Indiziert den Papst!

von am 10.11.2009 13:50, Rubrik philosophisches-politisches

Liebe ist für alle da, ausser für ihre Feinde.


Das neue Album von Rammstein (Liebe ist für alle da) ist (laut Standard 10.11.09) von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Deutschland auf den Index gesetzt worden. Es darf ab nun nicht mehr beworben und nur mehr von Menschen ab 18 Jahren erworben werden. Einer der Vorwürfe: „Animation zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr“.
Diskussionen über die Texte von Rammstein (die wohl Geschmacksache sind und für die hier keine Lanze gebrochen werden soll) sind im Web natürlich im Gange. [Siehe: Rammstein – Liebe Ist Für Alle Da Stand 10.11.09]
Es ergibt sich eine interessante Situation, wenn man bedenkt was das Oberhaupt der katholischen Kirche vor kurzem völlig unzensiert auf einem Flug nach Afrika verbreitet hat: „Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem“
[Papst Benedikt XVI. Kondome verschlimmern das Aids-Problem, Stand: 10.11.2009]

Hier könnte man sich fragen: Was ist die Freiheit der Kunst?
Darf im Rahmen von politischer Propaganda, religiöser Verblendung und Kollektivzwang alles, im Rahmen der Kunst weniger gesagt werden? Diese Frage drängt sich auf.
Denn etwas Ähnliches ereignete sich vor kurzem in etwa dieser Art und Weise.
Die Werbeplakate von Blutsfreundschaft , dem aktuellen Film von Peter Kern stießen bei der Stadt Wien auf geharnischten Widerstand. Der Film der im österreichischen Neonazimilieu spielt, wollte, mit Mitteln die der Kunst eigen sind, Aufmerksamkeit erzeugen und gleichzeitig in der Werbekampagne die Realität zu Wort kommen lassen. Die mit Sprüchen wie „Soziale Wärme statt Woame“ [Hierzu eine differenzierte aber völlig anders geartete Kritik.] versehenen Plakate, die zur Bewerbung des Films dienen sollten und wie Werbeplakate einer rechtsextremen Partei gestaltet waren, wurden von der Gewista mit dem Argument abgelehnt „rechte Inhalte“ zu verbreiten. Die wegen des Effekts gewünschten Dreieckständer, die üblicherweise bei Wahlen zur Anwendung kommen und eine gewisse Authentizität vermittelt hätten, wurden verweigert. [Mit den Waffen der Rechtspopulisten, Stand 10.11.09]
Politische Parteien die auf ihren Plakaten Asylanten und Bettler aus Städten hinauskehren oder „Daham statt Islam“ plakatieren sind von dieser Regelung ausgenommen. Propaganda ist ja erlaubt.

Nun kann man über die Qualität von Kunst und ihrer Möglichkeit wirksam Kritik zu üben streiten. Auch die grundlegende Verpflichtung der Kunst auf Kritik steht für manche zur Disposition. Nicht zur Disposition kann aber die Verpflichtung politischer Akteure stehen ihre Zungen zu hüten, wenn sie über Dinge sprechen die sie nur negativ beeinflussen können. Man müsste sich fragen ob in diesem Sinne die Freiheit der Kunst nicht schützenswerter wäre als die Freiheit der Propaganda. Dort wo nicht Kritik oder zumindest künstlerisches im weitesten Sinne intendiert ist sollte große Vorsicht herrschen. Spricht ein Sexualitätsfeind über die Sexualität sollte er sich hüten Anweisungen zu geben. Oder wie Albrecht Wellmer treffend feststellt: „Wir können nicht die Vollendung des Sinns intendieren, sondern nur die Eliminierung des Unsinns, …“ (Ethik und Dialog 1999: 220).
In diesem Sinne: Eliminiert den Unsinn! Indiziert den Papst!


Kommentare

ein kommentar erscheint zu diesem text schlichtweg überflüssig — außer vielleicht zu folgendem askpekt:

Rammstein haben ihr album (das übrigens seine premiere auf einer pornoseite hatte, noch bevor es in “zensierter” form im musikfersehen gezeigt wurde) verhältnismäßig dummdreist auf provokation ohne reflexion angelegt, während die filmplakate für Blutsbrüder provokation zu werbezwecken (also zum steigern des profits) mit reflexion verknüpfen. praktisch eine win-win situation für filmemacher und umworbenes publikum.

gefählrich wird das stupide provozieren oder zu hinterfragen wenn die nordamerikanischen fans von Rammstein tatsächlich eher die ästhetik der band schätzen, weil die seicht-subversiven (in seltensten fällen tatsächlich ansatzweise satirischen) texte vollkommen an ihnen vorbeigehen, weil ja (ebenfalls programmatisch und zwecks provokation?) deutsch gesungen wird. Rammstein spielt tatsächlich mit dem nazi-, lack und leder-getue mit anspielungen auf herrn Fritzl und sein keller sowie einem gewissen deutschen kannibalen der ähnlich wie der herr F. von den internationalen medien so zerkaut wurde, dass das grauen inzwischen für jeden bekömmlich ist — für Rammstein-hörer sogar musikshow.

tja, und was der papst so von sich gibt ist eh metaphysisch und also jenseits…

r. · 11.11.2009 10:45 · #

ja, ich denke man sollte jetzt auch nicht davon ausgehen, dass die erwähnte “kunst” von besonderer qualität ist. überspitzt gesagt sind beide (rammstein und blutsfreundschaft) müll und die werbekampagnen traurige resultate enthemmter profitgier und weniger einer kritischen emphase geschuldet.
aber das problem ist ja, dass sich politisch verantwortliche ähnlich verhalten. wie man darauf reagieren soll bleibt die frage. weil wie man sieht die kunst in den wenigsten fällen noch für eine “absolute freiheit” wirklich einstehen kann oder will: schuld ist daran natürlich zu einem guten teil die postmoderne ;)

St.Max · 11.11.2009 12:28 · #

..einem gewissen deutschen kannibalen der ähnlich wie der herr F. von den internationalen medien so zerkaut wurde..

grandios :)

mhrks · 11.11.2009 15:50 · #

danke :)

(übrigens habe ich da neben dem wort “zerkaut” auch noch extra das adjektiv “bekömmlich” in den satz reingebastelt, bitte das auch zur kenntnis zu nehmen ;) )

r. · 11.11.2009 19:24 · #

hehe … stimmt

St.Max · 11.11.2009 19:56 · #

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